187. Richards Bruder

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Kopfschüttelnd sah Richard meinen Bruder an, "Was ist jetzt schon wieder dein Problem, Volans?", fragte er vorwurfsvoll, doch Volans ließ sich nicht weiter auf dieses Gespräch ein. Er hob nur mahnend die Hand und diese Hand hat schon immer jeden zum Schweigen gebracht.

Ein wenig arrogant sah Volans nun aus dem Fenster, als der Zug aus dem Bahnhof fuhr.
Erneut öffnete sich die Tür und Logan und Jolka kamen herein.

Sie setzten sich uns gegenüber neben Volans hin, der die beiden nicht beachtete.
Sofort bemerkten die beiden, dass schlechte Stimmung im Abteil war und blieben still.

Nach einiger Zeit fand ich etwas merkwürdig, "Wo ist Theodore? Wollten Theodore und Eric nicht mit dir fahren?", fragte ich ihn nachhakend.
Erst jetzt sah Volans wieder vom Fenster weg und schien aus einer ganz anderen Welt gerissen worden zu sein. Als müsste er sich erst einmal zurecht finden sah er durch die Gegend.

"Theo und Eric kommen später nach...oder ich gehe zu ihnen."
Ich glaubte zu wissen, was Volans durch den Kopf ging. Erst jetzt wurde ihm klar, dass es das letzte mal war, dass er in diesen Zug gestiegen war, dass es das letzte mal war, dass er diese Landschaften und das Schloss sah und auch, dass es das letzte mal war, dass er als Schüler diesen Zug verlässt.
Doch Volans wäre nicht Volans, wenn er so viele Gefühle preisgeben würde.
"Was guckst du mich so an?", fuhr mein Bruder mich schließlich an und verzog angewidert das Gesicht.
Genervt stöhnte Richard auf, "Komm Volans. Erweist du mir das letzte Mal die Ehre?", fragte er grinsend und erhob sich.
Mein Bruder lächelte sofort fies und erhob sich ebenfalls. Richard hatte wohl ein Händchen für wütende Lestranges.
Als er das Abteil verließ, zog er seinen Zauberstab und mir wurde schließlich bewusst, dass sie ein letztes mal zusammen jüngere Schüler quälen würden.
Eigentlich wäre es meine Aufgabe die beiden davon abzuhalten, schließlich war ich Vertrauensschülerin, doch ich wollte den beiden ihren Spaß lassen.
Schmunzelnd drehte ich an dem kleinen Abzeichen an meinem Umhang.
"Was tun die beiden?", fragte Hannah schließlich, als wäre sie ein Engel und würde auch dies von ihrem Bruder glauben.
"Jüngere Schüler quälen.", sagte Logan desinteressiert, "Wahrscheinlich welche aus deinem Jahrgang."
Sie schien kurz entsetzt, doch dann machte sie es sich auf ihrem Platz bequem und sah uns an, "Das hat er mit Ricardo auch immer gemacht. Ihn gequält meine ich."
Ich zog eine Augenbraue hoch und sah Richards jüngere Schwester fragend an. Selbst Logan schien plötzlich Interesse zu zeigen.
"Unser Bruder.", sagte sie, als hätten wir das wissen müssen, "Er war drei Jahre älter als Rich, doch er war niemals so wie wir. Unsere Eltern sprechen seit dem Vorfall nicht mehr über ihn."
Prüfend sah ich zu Logan und Jolka, die gebannt an Hannahs Lippen hingen.
"Was erzählst du denn da? Richard hätte mir ja wohl erzählt, wenn er noch einen Bruder hätte.", ein wenig spöttisch lachte ich sie an.
Sie schien entsetzt darüber, dass ich ihr nicht glaubte, "Wir hatten einen Bruder. Er lebt nicht mehr.", sie schien emotionslos, als wäre es alltäglich, dass jemand aus ihrem Umfeld starb.
Nun sah ich sie doch beunruhigt an und sie begann zu erzählen.
"Er war ein Squib. Daher dachten unsere Eltern, dass Richard auch einer wäre. Er hat sehr spät magische Fähigkeiten gezeigt.", sie sah jeden von uns einzeld an, ob wir ja auch zuhören, "Als Ricardo klar wurde, dass er niemals so sein konnte wie wir, bat er unseren Vater eine Muggelschule zu besuchen und so zu leben wie sie.", sie schluckte kurz, "Vater tötete ihn.", Hannah wurde von Wort zu Wort leiser, "Es war keine Absicht, er hatte sich einfach für ihn geschämt.", sie wendete sich von uns ab und kramte in ihrer Tasche, bis sie einen Schokofrosch fand.
Überrascht und entsetzt zugleich sahen Jolka, Logan und ich uns an.

Es vergingen noch einige lange Minuten, in denen Volans und Richard nicht auftauchten. Ich war immer noch entsetzt über Hannahs Geschichte und mochte sie nicht recht glauben.
Eins war mir klar, wenn ich es noch schaffen sollte Richard ungestört sprechen zu können, dann würde ich ihn drauf ansprechen. Wenn es mir nicht gelingen sollte, hatte ich noch das Pergament, welches mit uns magisch verbunden war.

Gerade, als die alte Dame mit ihrem Wagen voller Süßigkeiten an uns vorbei gezogen war, tauchten Volans und Richard wieder auf. Beide hatten die Hände voll mit Süßigkeiten, komischerweise strahlte selbst mein Bruder bis über beide Ohren. Er warf mir eine Packung Druhbels und Bertie Botts Bohnen entgegen, "Das schulde ich dir wohl. Ich habe dir so oft deine Süßigkeiten gegessen.", sagte er schamlos und lies sich auf seinen Sitz fallen.
Richard schaffte zwischen Hannah und mir Platz und deponierte sein Süßkram.
Auch er gab seiner Schwester einiges ab, bevor er alles in seiner Tasche verschwinden ließ.
Ich riskierte einen kurzen Blick zu Jolka und Logan, Logan war tief in ein Buch versunken, Jolka jedoch musterte Richard nicht gerade unauffällig.
Als er bemerkte, dass ich ihn immer wieder ansah und Jolka zu ihm rüber starrte sah er uns an, "Was ist mit euch beiden los?", wollte er wissen und legte lässig seinen Arm um mich. Jolka und ich antworteten nicht, denn wir wollten ihn nicht vor allen versammelt zur Rede stellen.
Nach kurzer Zeit des Schweigens stieß ich Richard an und warf ihm einen vielsagenden Blick zu. Ich erhob mich, "Ich gehe ein wenig auf den Flur.", sagte ich und streckte mich anschließend.
"Ich komme mit.", sagte Richard schnell und folgte mir auf den Flur.

Die besonderen Kinder der Lestranges (2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt