192. Rabastan

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"Der dunkle Lord will Lucius quälen, ihn leiden sehen. So habe ich den Eindruck.", flüsterte mein Onkel, als wir spät nachts bei einem Elfenwein im Salon vor dem Kamin saßen.
Er richtete sich leicht auf und beugte sich schließlich zu mir nach vorn, "Rodolphus möchte nur Eindruck schinden."
Prüfend musterte mein Onkel mich und es entstand eine unheimliche Stille.
"Du bist die letzte Lestrange an der Schule, verhalte dich so wie es von dir erwartet wird."
Ich biss zögernd auf meiner Unterlippe herum, "Und was erwartet man von mir?", ich zog eine Augenbraue hoch und verkrampfte meinen Kiefer.
Rabastan seufzte, nachdem er seinen Wein geleert hatte und erhob sich schließlich von dem alten Sessel, "Das wirst du schon wissen, wenn es soweit ist."
Er blickte auf die große Sanduhr, die bereits halb 2 anzeigte. Mit dem leeren Weinglas in der Hand verschränkte er die Arme vor der Brust, "Ich weiß du bist noch sehr jung und unerfahren in richtigen Kämpfen.", langsam drehte er sich zu mir um, "Doch früher oder später wird es zum Krieg kommen und du musst kämpfen.", flüsterte er. Mein Onkel schien ein wenig besorgt und zog Grimassen, "Ich weiß auch Volans ist unerfahren, doch er ist während einem Kampf immer mit dem Kopf dabei. Du hingegen scheinst oft woanders zu sein. Du bist schon oft beim nächsten Schritt, doch im Duell ist es wichtig ganz klar bei der Sache zu sein. Sonst hast du verloren.", mysteriös setzte er sich wieder zu mir und setzte laut sein Glas auf dem Tisch ab.
Protestierend schüttelte ich mit dem Kopf, "Das stimmt nicht!", sagte ich lauter als geplant. Schnell zog Rabastan einen Finger vor den Mund, "Du versuchst in den Geist deiner Gegner einzudringen und somit bist du abgelenkt. Du sagst du hättest die Legilimentik unter Kontrolle, doch dem ist nicht so, habe ich recht."
Ich verzog das Gesicht. Wie konnte er nur so etwas behaupten? Ich war eine hervorragend in meiner Sache.
"Ich beherrsche es, Rabastan.", standfest sah ich ihn an, "Ich habe es selbst schon oft geschafft die Gedanken der anderen so zu verändern, dass es für mich von Vorteil war!", wütend zischte ich ihn an, "Du kannst mir nicht sagen, dass ich es nicht beherrschen würde!", schwer atmend erhob ich mich, um zu gehen.
"Setz dich wieder.", bat er mich mit einer unnormal Gelassenheit, "Lass uns über etwas anderes reden."
Zögernd nahm ich wieder Platz, doch mein verkrampftes Gesicht blieb nach wie vor, "Worüber willst du nun reden?", gelangweilt betrachtete ich meine Fingernägel.
"Vielleicht über deinen Freund?", gehässig sah er mich an, "Also hatte Volans nicht ganz Unrecht, als er vor einiger Zeit behauptete du hättest einen Freund."

"Freund würde ich es ja nun nicht nennen.", entgegnete ich patzig.
"Dein Bruder sagte er hätte dich seinen Eltern vorgestellt. Das klingt für mich nach Freund.", höhnisch lachte er auf.
"Du musst es ja wissen, Rabastan. Sicher hattest du eine Menge Freundinin, die sind ja noch bis heute hinter dir her.", sarkastisch lächelte ich meinen Onkel an, doch er ließ sich nicht provozieren.
"Meine kleine Nichte hat einen Freund, das ist ja herzallerliebst.", sagte er mehr zu sich selbst, als zu mir.
Genervt stöhnte ich auf und verdrehte die Augen, "Wäre ich in der Schule und du wärst einer meiner Mitschüler, denn du verhältst dich so, hätte ich dich verflucht.", zischte ich und erhob mich von neuem, "Es ist spät, ich gehe schlafen."
"Du willst dich mit mir duellieren?", fragte er nun tonlos und drehte sich in seinem Sessel zu mir.
"Nein. Ich wäre geisteskrank, wenn ich dich zu einem Kampf herausfordern würde.", ich fühlte mich bei diesen Worten sehr weise und konnte ein schmunzeln nicht verbergen.
Zufrieden grinste Rabastan, "Du hast wohl recht. Gute Nacht, Aries."
Schnell schlich ich mich nach oben, bevor mein Onkel mich wieder zurück rufen konnte und schloss leise meine Zimmertür hinter mir zu.

Immer noch schmunzelnd schüttelte ich mit dem Kopf. Einerseits war mein Onkel erwachsen, doch andererseits ist er einfach noch ein arroganter Teenager geblieben.

Nachdem ich das Fenster für Gro geöffnet und mich schlaffertig gemacht hatte, legte ich mich in mein Bett. Langsam verschränkte ich die Arme hinter meinem Kopf und dachte über das kommende Schuljahr nach.
Ich würde endlich apparieren lernen, da freute ich mich besonders drauf. Doch ich war auch gespannt auf meine ZAG Ergebnisse, die in den Ferien noch eintreffen würden.

Die Nacht war kurz und der nächste Tag stand schon vor der Tür.
Pünktlich zum Frühstück stieg ich die Treppen hinunter und setzte mich an den gedeckten Tisch.
Volans und Lucius fehlten noch, doch wir fingen ohne die an zu essen.
Es war fast wie damals, als niemand beim essen unaufgefordert reden sollte.

Die Mahlzeit verging schnell und ich beschloss nach dem Essen ein wenig über die Ländereien meines Onkels zu schlendern. Es war eine schöne Abwechslung zu dem tristen Alltag im Manor.
Die Pfauen stolzierte durch den Garten und Gro kletterte auf den hohen Fichtenbäumen herum.
Ich sah hinauf in die Spitzen des Waldes, wo einige Eulen trotz des Tageslichts auf der Jagd waren, es schien alles so friedlich, denn die Tiere merkten wohl nichts von der Anspannung, die im Manor herrschte.
Am späten Vormittag kehrte ich erst wieder in das Haus zurück, denn es begann zu regnen.

Die frische Luft hatte mich müde gemacht und ich setzte mich vor den knisternden Kamin im Salon. Es war Totenstille im Manor, was wohl daran lag, dass meine Mutter seit Tagen außer Haus war.
Wo sie wohl war und was sie tat? Ich wusste es nicht und meinen Vater ein zweites Mal darauf anzusprechen wagte ich nicht mehr.

Die besonderen Kinder der Lestranges (2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt