Teil 17

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Es war schon wieder Luke. Ich rollte die Augen und ging einfach weiter, aber er hielt mich an meinem nicht eingegipsten Arm fest.
Ich wich sofort zurück, aber anscheinend war mir der Schreck ins Gesicht geschrieben, denn er sah mich misstrauisch an: "Hast du etwa Angst vor mir?" Diese Frage hörte sich so falsch an, dass ich mir das Lachen einfach nicht verkneifen konnte. Wenn hier jemand Angst haben sollte, dann war er es, nur wusste er ja nichts von meinen Fähigkeiten und zu was für einer Kreatur sie mich machten.
"Nein", brachte ich unter meinem Grinsen hervor. An der Stelle, wo Luke mich gepackt hatte, spürte ich ein leichtes Pochen, doch das war nicht seine Schuld, dieser Schmerz ging eindeutig auf das Konto meines Adoptivvaters.
"Warum weichst du dann vor jeder Berührung zurück, damals im Klub auch, du wolltest mir nicht einmal die Hand geben!"
Ich wurde sofort wieder ernst und ging gar nicht erst auf dieses Thema ein: "Warum hast du mich gerufen?"
"Ich wollte mich eigentlich nur kurz entschuldigen. Ich habe es vielleicht ein bisschen übertrieben, ich bin ja nicht dein Beschützer." Ich nickte stumm und wartete darauf, ob noch etwas kam, doch wir standen nur nebeneinander und keiner wusste so recht, was er sagen sollte. Schließlich brach er das Schweigen: "Soll ich dich nach Hause fahren?"
"Nein, schon gut. Ich fahre mit dem Bus."
"Sicher?", er sah mich schon wieder besorgt an. Ich dachte kurz nach, eigentlich musste ich mich ihm ja nähern, um herauszufinden, ob sein Vater wirklich der richtige Steve Wilson war. Das war der einzige Grund, warum ich ihn überhaupt an mich heranließ, redete ich mir ein.
"Na gut, aber nur wenn es dir nichts ausmacht."
"Kein Problem, das mache ich doch gerne", er zwinkerte mir zu, dann liefen wir um die Ecke zu einem Parkplatz und Luke steuerte direkt auf einen riesigen Audi zu.
"Das ist deiner?", ich riss erstaunt die Augen auf.
Er zuckte nur mit den Schultern: "Ein Geschenk meines Vaters." Ich stieg ein, auch wenn mir nicht ganz wohl bei der Sache war. Ich nannte ihm meine Adresse und er fuhr los.
"Willst du Radio hören?", fragte er nach kurzer Zeit, um das peinliche Schweigen zu durchbrechen.
"Im Moment nicht." Immerhin wollte ich ja ein Gespräch anfangen. Ich überlegte, wie ich am besten voranging: "Was hat dein Vater denn für eine Praxis?" Das war das Erstbeste, das mir einfiel. Er schmunzelte. "Was gibt es denn da zu lachen, das war eine ernst gemeinte Frage", murmelte ich.
"Entschuldigung, nur sind die ersten Fragen, die mir Mädchen stellen, normal nicht über meinen Vater", er grinste immer noch.
Ich verschränkte die Arme: "Wie viele Mädchen kutschierst du denn so am Tag herum?"
"So war das doch nicht gemeint", er sah mich kurz an, dann widmete er seine Aufmerksamkeit wieder der Fahrbahn. "Normalerweise sind solche Fragen sowas wie, wie alt bist du, hast du eine Freundin", meinte er. Ich wollte es verdammt nochmal nicht, aber dennoch war ich neugierig, ob er eine hatte, und dafür hätte ich mir am liebsten selbst in den Arsch getreten.
"Und?", fragte ich.
Er grinste breit: "Und was?" Ich spürte, wie ich rot anlief und sah deswegen schnell aus dem Fenster, in der Hoffnung, dass er es nicht bemerkt hatte. "Hey, weich nicht immer meinen Fragen aus!"
"Mache ich nicht", trotzte ich zurück. Er fuhr rechts ran und sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Ich sah nach draußen, doch dann gab ich irgendwann seufzend auf: "Ob du eine Freundin hast."
"Was? Kannst du das bitte nochmal wiederholen, ich habe es nicht richtig verstanden." Ich schüttelte den Kopf und machte Anstalten auszusteigen. "Rose, warte", er griff wieder nach meinem Arm und ich wich erneut zurück. Er zog schlagartig seine Hand zurück, als hätte er etwas Zerbrechliches berührt. In seinem Blick lag pure Enttäuschung, die lockere Stimmung war augenblicklich verschwunden und er senkte seinen Kopf zum Lenkrad. "Steig nicht aus, ich fahre dich Heim, wie abgemacht." Er startete den Motor und fügte noch hinzu: "Und um deine Frage zu beantworten, nein, habe ich nicht." Ich sah ihn stumm an, doch er würdigte mich keines Blickes und ich wünschte, ich könnte im Autositz versinken.
Den Rest der Fahrt verbrachten wir schweigend, und als er vor unserem Haus parkte, versuchte ich noch etwas zu sagen, um unser Verhältnis wenigstens ein wenig zu bessern: "Und war eine häufige Frage auch die nach deiner Telefonnummer?"
"Eher selten, da sie gemerkt haben, dass ich doch so mehr der Arschloch Typ bin", er versuchte nicht zu schmunzeln, aber es gelang ihm nicht ganz.
"Und?", fragte ich.
Jetzt sah er mich an: "Und was?"
"Bekomme ich deine Nummer?"
"Wenn du mir den Grund verrätst, warum ich dich nicht anfassen darf, dir nicht mal zu nahe kommen darf."
Ich überlegte kurz: "Meine Arme sind noch sehr empfindlich." Mir war auf der Stelle nichts Besseres eingefallen und mir war klar, wie billig diese Ausrede klang.
"Also könnte ich das tun?", er streckte seine Hand aus, als wollte er meine Wange berühren. "Wie es aussieht nicht", er räusperte sich und nahm seine Hand zurück. Ich starrte immer noch mit weit aufgerissenen Augen auf seine Hand. "Warum lügst du mich immer an, Melrose?", er klang verletzt, aber trotzdem ernst. Ich schnallte mich ab und stieg aus. Darauf konnte ich nicht antworten. Ich suchte meinen Schlüssel für die Haustür und währenddessen hörte ich, wie Luke auf sein Lenkrad boxte. Die Hupe erklang, ich zuckte zusammen und ließ dabei den Rucksack fallen. Luke startete einfach wieder den Motor und fuhr fort, noch bevor ich die Tür aufgeschlossen hatte.

Nightmare-Ist Angst stärker als Liebe?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt