Teil 59

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Erleichtert ließ ich mich zurück in mein Kissen fallen, ich hatte Nelli zurück und dafür war ich einfach nur unglaublich dankbar. Es war kurz nach fünf Uhr morgens und ich versuchte nochmal einzuschlafen, was mir auch gelang. Um kurz nach acht Uhr morgens wachte ich dann wieder auf. Ich öffnete meine Zimmertür und wäre beinahe in meine Adoptivmutter hineingelaufen. "Oh, guten Morgen, ich wollte gerade nachsehen, ob du schon wach bist, wir frühstücken jetzt." Ich lächelte:"Ja, ich bin gerade aufgestanden." Wir gingen gemeinsam nach unten und setzten uns an den Esstisch. Mein Adoptivvater grinste mich falsch an:"Schön, dass du mit uns isst." Ich antwortete genauso künstlich:"Die Freude ist ganz auf meiner Seite." "Essen wir!", sagte meine Mutter mit strengem Tonfall. Es herrschte die ganze Zeit über ein angespanntes Verhältnis und keiner sagte etwas, bis sie wieder das Wort ergriff:"Ich gehe später einkaufen, brauchst du etwas?" Diese Frage war an mich gerichtet, aber mir fiel nichts ein:"Ich brauche nichts." Nichts, das man einkaufen könnte, fügte ich in Gedanken noch hinzu.

Nach dem Frühstück machte jeder seine Sache, was so viel hieß, wie, ich verkroch mich in mein Zimmer, während meine Mutter einkaufen ging und mein Vater es sich auf der Couch bequem machte. Ich wollte die Silberkette mit der Morgentanne wieder anziehen, doch als ich auf meinem Schränkchen nachsah, war sie verschwunden. Ich sah auf dem Boden, unter dem Bett, hinter dem Schrank und in mehreren Schubladen nach, aber nirgends fand ich sie. Mit zusammengezogenen Augenbrauen biss ich die Zähne zusammen und schmiss meine Tür auf. Auch die Tür zum Wohnzimmer riss ich ohne Vorsicht auf:"Wo ist sie?" "Sie ist einkaufen.", er saß einfach seelenruhig auf dem Sofa und schaute unbeirrt seine Sendung weiter. "Meine Kette, wo hast du sie hin?" Er lachte:"Komm doch her und sieh nach." Ich versuchte ruhig zu atmen, aber es gelang mir einfach nicht:"Ich wiederhole mich nur ungern, aber wo hast du meine Kette hin?" "Ich weiß nicht wovon du sprichst." "Das könnte ziemlich ungemütlich enden, wenn du mir das weiterhin verschweigst", ich hielt kurz inne, "so wie damals auf der Jungstoilette." Jetzt sprang er ruckartig auf und sah mich mit weit aufgerissenen Augen an:"Wem hast du davon erzählt?"

"Niemandem, aber wenn es dir so peinlich ist, sollte ich wohl nochmal darüber nachdenken. Also machen wir es kurz und gib mir die Kette, dann erfährt auch keiner davon." Er lächelte heimtükisch:"Warum bedeutet dir das alte Ding überhaupt so viel? Ist das etwa die Quelle deiner Macht? Denn wenn das so ist, würde ich mich an deiner Stelle mir nicht nähern." Und da sah ich das Silber an seinem Handgelenk baumeln. "Du weißt, dass diese Kette rein gar nichts mit meinen Fähigkeiten zu tun hat." "Beweis es doch.", er grinste, aber seine Augen verrieten, wie viel Angst er wirklich hatte. "Bist du dir wirklich sicher? Du kannst mir auch einfach das Schmuckstück überreichen und keinem passiert etwas." Ich machte einen Schritt auf ihn zu und er bewegte sich keinen Zentimeter. "Ich habe keine Angst vor dir.", murmelte er und ich lächelte. "Bist du dir da ganz sicher? Weil dein Körper spricht schon ziemlich gut für sich.", ich kam noch weiter auf ihn zu und er unterdrückte ein leichtes Zittern. "Ich bitte dich ein letztes Mal, gib sie mir und keinem passiert etwas." Er biss die Zähne zusammen und starrte auf meinen Arm, der nicht mehr weit von ihm entfernt war, dann ließ er die Kette in meine Hand fallen und wandte den Blick ab.

Jetzt grinste ich breit:"Sollte das, oder Ähnliches nochmal vorkommen, werde ich gleich zur Tat über schreiten, haben wir uns verstanden?" "Nichts lieber als das.", er hatte sich wieder gefasst und den Blick von mir komplett abgewandt. Ich kehrte ihm den Rücken und verschwand aufs Neue in meinem Zimmer. Dort atmete ich erst einmal richtig durch und nahm auf meinem Schreibtischstuhl Platz. Da klingelte auch schon mein Handy und ich war mir nicht sicher, ob ich mich freuen, oder Angst haben sollte, als ich Nellis Nummer erblickte:"Hallo?" "Melrose!", sie klang ganz aufgeregt. "Was ist denn los?" "Ich habe gleich, nachdem du angerufen hast, etwas über Melrose Morgen recherchiert und tatsäclich habe ich nach einigen Stunden herausgefunden, dass die Leiche von ihr nie beerdigt wurde." Ich konnte mein Lächeln nicht unterdrücken:"Also glaubst du mir?" "Ja, nein, ich weiß nicht. Es stellt sich mir halt nur noch die Frage, wer die Einkerbung verursacht hat." "Was?" "Weißt du über die Tanne bescheid?" "Ja, aber was meinst du mit der Einkerbung? Ich dachte, das hat nie einer nachgeprüft." "Oh doch, diese Einkerbungsgeschichte wird in deiner Familie unglaublich ernst genommen." "Also ist eine Einkerbung erschienen, obwohl ich nicht gestorben bin. Das heißt, ein anderes Mitglied der Morgens muss gestorben sein.", sprach ich mehr zu mir selbst. "Wenn du wirklich Melrose Morgen bist, dann ja." "Also kann das bedeuten, dass meine Mutter wirklich-", ich brach ab, weil ich es nicht aussprechen wollte. "Melrose, ganz ruhig. Sie wurde nach der Einkerbung nochmal gesehen, du aber nicht." "Du hast mich gerade als die Melrose Morgen bezeichnet.", flüsterte ich. "Na schön, ich glaube dir, aber was hast du jetzt vor?" "Das werde ich schon noch herausfinden." Sie wollte noch etwas sagen, aber ich kam ihr zuvor:"Danke, dass du an mich glaubst, wirklich."

Nightmare-Ist Angst stärker als Liebe?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt