Teil 25

782 61 6
                                    

Monster. Reiß dich verdammt nochmal zusammen, Melrose. Ich starrte meinen Gips an, das war zu viel.
"Ich muss kurz zur Toilette", rief ich und mir war egal, was die anderen nun für einen Eindruck von mir hatten. Ich stürmte beinahe zur nächsten Mädchentoilette, die auch zum Glück nicht weit weg war. Glücklicherweise war ich auch im Moment die einzige Person, die sich darin befand. Das kalte Wasser in meinem Gesicht beruhigte mich. Bei meinem Anblick im Spiegel musste ich schlucken, ich sah aus, als hätte ich ewig nicht mehr geschlafen, geschweige denn auch nur ein einziges Auge zugedrückt. Und sobald ich die Augen schloss, konnte ich sie augenblicklich wieder aufreißen, denn vor mir manifestierte sich die Tanne aus meinem Traum. Was sollte mir dieser Baum verdammt nochmal sagen? Ich atmete tief durch und beruhigte mich, hier war weit und breit kein Wald.
"Melrose?" Ich blickte zur Tür. Jana sah mich besorgt an: "Ist alles in Ordnung, du siehst so bleich aus."
Ich blickte mich nochmal im Spiegel an, ich sah wirklich schrecklich aus. "Es ist alles okay, aber ich glaube, ich sollte jetzt besser nach Hause gehen, mir ist nicht ganz wohl."
Jana nickte: "Ich bringe dich raus." Sie kam auf mich zu.
"Nein!", platzte es aus mir heraus, woraufhin sie mich erschrocken ansah. Mir fiel auf, wie schroff ich geklungen hatte: "Tut mir leid, doch ich komme alleine raus."
"Oh, verstehe. Bist du dir sicher?"
"Ja", ich rang mir ein Lächeln ab.
"Dann werde ich mal den anderen Bescheid geben, dass du gehst, und gute Besserung."
"Danke." Jana huschte schnell aus der Toilette, wahrscheinlich war sie froh, von mir wegzukommen, was ich nur allzu gut verstehen konnte. Ich trat zurück in den Gang, wollte mich gerade auf den Weg zur Umkleide machen, und genau da musste die Person vorbeilaufen, die ich jetzt am wenigsten sehen wollte, Luke.
"Hey Rose-", er brach mitten im Satz ab. "Alles in Ordnung?" Toll, selbst Luke hatte bemerkt, wie scheiße ich aussah.
"Ja, ähm, nein. Ich fahre nach Hause, mir geht es nicht so gut."
"Mit dem Bus?"
"Ja", ich wollte einfach nur schnell weg von hier.
"Das kommt nicht in Frage", sagte er entschlossen.
"Was?", ich sah ihn entsetzt an.
"Ich fahre dich."
"Nein, tust du nicht."
"Doch."
"Nein."
"Melrose, doch." Ich hasste es jetzt schon, wenn er mich Melrose anstatt Rose nannte, bei Melrose passte immer irgendetwas nicht.
"Nein", gab ich zurück.
"Das ist ja reizend", Zoe kam gerade die Treppe herunter, "ich kann dich fahren und du Luke, Bruderherz, kannst schön weiter für deine Mannschaft trainieren." Mir klappte die Kinnlade herunter, Bruderherz? Zoe und Luke waren Geschwister? Das erklärte zumindest ihr gutes Aussehen.
"Es ist nicht schlimm, wenn ich beim Schulsport fehle, Zoe", er sah sie an.
"Komm schon, ich will einfach nicht weiter Handstände machen und Räder schlagen", sie schaute mit dem Welpenblick zu Luke hoch, und den beherrschte sie wirklich extrem gut.
"Wäre das in Ordnung für dich?", Luke wandte sich mir zu.
Ich hatte erst jetzt bemerkt, dass mein Mund immer noch offen stand: "Ich komme alleine zurecht."
Zoe holte tief Luft: "Ich mache das schon." Ich sah zwischen beiden hin und her, ihre Haarfarbe war gleich und auch ihre Gesichter ähnelten sich, das Einzige, was die beiden wirklich unterschied, war ihre Augenfarbe. Zoe hatte Grüne, Luke Blaue, ein wunderschönes Blau. Ich ermahnte mich selbst in meinem Kopf.
"Luke, Kumpel, wo bleibst du?", erklang eine tiefe Stimme aus einer der Hallen. Er sah zu mir.
"Okay, ich fahre mit deiner Schwester", brummte ich.
Das klang so falsch und kurz hoffte ich, dass er anfangen würde zu lachen und mir sagen würde, Bruderherz wäre nur ein Spitzname, aber er lächelte nur: "Gut, wir hören dann voneinander." Ich nickte und er lief zurück zu seinem Unterricht.
"Du hast nicht vor mich Heim zu fahren, oder?"
Dieses Mal lachte sie wirklich: "Doch, warum sollte ich nicht?" Ich sah sie verdutzt an, darauf fiel mir gerade keine Antwort ein. "Komm!", sie ging los und winkte mich hinterher.

Wenig später saß ich neben Zoe in einem modernen, silbernen Audi, diese Familie hatte wirklich Geld.
"Wo musst du hin?"
"Bernsteinstraße", ich vertraute ihr nicht. Die Fahrt über sagte keiner etwas und als sie vor meinem Haus parkte, schnallte ich mich ab: "Danke fürs Heimfahren."
"Melrose?"
Ich drehte mich zu ihr: "Ja?"
"Ich mag dich nicht besonders." Das beruht auf Gegenseitigkeit. Ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte, also lachte ich. Sie stimmte dann lachend mit ein. "Bis demnächst", sagte sie und fuhr weg. Wie benommen lief ich die Einfahrt entlang und schloss auf. Ich begab mich sofort in mein Zimmer, die Jeans tauschte ich gegen eine Jogginghose, dann ging ich ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher an. Sie hatte das doch nicht ernst gemeint, oder?

Nightmare-Ist Angst stärker als Liebe?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt