Ich starrte an die Decke und bemerkte, dass ich meinen Körper langsam wieder richtig spüren konnte. "Bist du sauer?", fragte meine Adotivmutter. Sauer war gar kein Ausdruck für mein Gefühlschaos, ich fühlte mich eigentlich hauptsächlich erniedrigt und hilflos. Die Wut auf meine Adoptiveltern konnte man nicht leugnen. Am liebsten hätte ich meine Finger in ihr Hangelenk gerammt und erst wieder losgelassen, wenn sie auf dem Boden lag, aber noch viel schlimmer war der Hass auf meinen sozusagen Vater, jedoch hatte der heute früh schon wegen mir gelitten. "Wie konntet ihr nur?", wiederholte ich erneut. Sie kämpfte gegen die Tränen an:"Ich dachte, wenn wir herausfinden, warum du so bist, können wir dir vielleicht helfen." "Und hat mir das hier geholfen?", schrie ich so laut es eben ging. "Wir müssen noch auf den Rest der Ergebnisse warten, dann-" "Sie werden nichts feststellen, warum versteht das denn keiner?", unterbrach ich sie. "Willst du mir irgendetwas sagen, Rose?", sie trat von einem Fuß auf den anderen. Ich atmete tief durch und wandte mich ihr zu:"Wenn so etwas nochmal vorkommen sollte, werdet ihr leiden, ihr beide." Jetzt wich ihr alle Farbe aus dem Gesicht und ich war selbst erstaunt, wie selbstsicher meine Drohung klang. "Ich, ich, was sagst du denn da?", stotterte sie.
Ich richtete mich langsam unter Schmerzen auf, aber meine Stimme klang bewusster denn je:"Du hast mich schon verstanden. Solltet ihr nochmal Tests durchführen, oder versuchen mir weh zu tun, werde ich euch verletzen und glaub mir, ich kann das." Sie riss die Augen auf und trat unwillkürlich einen Schritt zurück. Ich lächelte meine Adoptivmutter an:"Du brauchst doch keine Angst zu haben, außer du hast etwas zu verheimlichen. Habt ihr etwa schon etwas Neues geplant, um mich loszuwerden?" Sie schüttelte ungläubig den Kopf:"Natürlich nicht. Keiner will dir weh tun." "Er wird mir weh tun wollen." Und zum allerersten Mal stritt sie das nicht ab oder verteidigte ihn:"Das wird er aber nicht schaffen, solange ich da bin." Ich räusperte mich nur:"Wir sollten losfahren." Ich wollte aufstehen und stolperte dabei fast über meine eigenen Füße. "Brauchst du Hilfe?" "Nein!", knurrte ich und setzte einen Fuß vor den anderen und konzentrierte mich auch nur darauf, um nicht umzufallen. "Die zehn Minuten sind noch nicht um." "Das ist mir egal, ich will hier raus!", kreischte ich und sie zuckte zusammen. Sie eilte zur Tür und hielt sie mir auf:"Nach rechts, dann einfach geradeaus." Ich kam mir vor wie eine alte Frau, die ihre Gehilfe vergessen hatte.
Die Arzthelfer wichen vor mir zurück und auch meine Adoptivmutter hielt genügend Abstand. Ich kam mir vor, als hätte ich einen hochansteckenden Virus, der allein über Augenkontakt übertragen werden konnte. Vor der Ausgangstür blieb ich stehen und ließ sie für mich öffnen. Der Weg nach Hause war eine einzige Qual, ich spürte jede Unebene auf der Straße und im Radio krächtzte irgendein unterirdischer Sänger etwas über Liebe und Vertrauen. Es kam mir vor, als wären wir Stunden gefahren, obwohl es nur ein paar Minuten gewesen waren und während unser Auto in die Einfahrt rollte, schnallte ich mich schon ab und öffnete mit Anstrengung die Beifahrertür. Die Haustür wurde geöffnet und schon drangen Fernsehergeräusche an mein Ohr. Er war also auch vom Arzt zurückgekommen. "Geh schon mal hoch, Melrose. Ich bringe dir etwas zu essen und zu trinken.", sagte meine Mutter, doch ich hörte nicht auf sie. Ich steuerte direkt auf das Wohnzimmer zu und drohte ihr mit meiner Hand, noch bevor sie mich aufhalten konnte. Selbst vom Türrahmen aus konnte ich seine tiefen Augenringe erkennen und sonst war er auch nicht so blass. Als er mich bemerkte, war seine Miene wie versteinert. Er betrachtete mich mit einer Mischung aus Wut, Angst und Belustigung, wahrscheinlich, weil ich noch schlechter aussah als er selbst. "Wie war es beim guten Herr Doktor?", fragte er lächelnd. Ich verzog meine Lippen zu einem leichten Lächeln:"Das könnte ich dich auch fragen." Damit machte ich auf dem Absatz kehrt und kämpfte mich die Treppe nach oben, nur um dann erschöpft in mein Bett zu fallen.
Der Backofen piepste und schon kurze Zeit später wurde meine Zimmertür geöffnet. Meine Mutter trat mit einem Tablett herein:"Ich habe dir Pommes und Würstchen gemacht, wenn du noch irgendetwas brauchst, sag mir Bescheid." Ich nickte und sie stellte das Tablett auf mein Schränkchen neben dem Bett. Außer dem Essen ragte mir noch ein Glas Wasser und eine kleine Tafel Schokolade entgegen. Wenn sie dachte, dass damit alles wieder gut sei, hatte sie sich geirrt. Ich kam mir schon vor, wie ein Tier, dem sein Futter vor die Nase gestellt wurde. "Ich brauche noch Ketchup!", rief ich und kurz darauf reichte sie ihn mir. Ich nahm ihn und ergriff gleichzeitig den Ärmel meiner Adoptivmutter. Sie zuckte zusammen und rührte sich dann nicht mehr. "Danke, aber wenn du jetzt davon ausgehst, dass zwischen uns alles wieder gut ist, hast du dich geschnitten." "Das weiß ich doch.", sie schluckte und ich ließ sie los. "Ich würde gerne alleine essen.", sagte ich und sie rannte förmlich aus dem Zimmer.
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Nightmare-Ist Angst stärker als Liebe?
ParanormalDieses Buch ist mittlerweile mehrfach überarbeitet worden & diese Fassung ist jetzt überall online als Taschenbuch erhältlich! Link dazu in meiner Bio! :) Melrose ist eigentlich ein ganz normales Mädchen, wenn man davon absieht, dass sie Menschen mi...