"Mein Vater schläft nach wie vor.", sagte er dann, ohne mich anzusehen und ich atmete erleichtert durch, ich hatte schon mit dem Schlimmsten gerechnet. "Er wird auch auf keinen Fall vor heute aufwachen Luke, du brauchst dir also keine Sorgen zu-" "Melrose!" Ich verstummte und blickte verwirrt zu ihm hoch, bis er fortfuhr:"Ich habe die Nacht kein einziges Auge zugemacht, weil ich Angst hatte, er könnte wieder aufhören zu atmen. Er hatte irgendeinen Anfall und hat sich gekrümmt, ich konnte nichts tun, als zusehen. Ich konnte mich ihm nicht nähern, irgendetwas hat mich daran gehindert und er hat die Augen nicht aufgemacht, kein einziges Mal." Ich öffnete den Mund und schloss ihn zugleich wieder. Endlich sah er mich an und ich sah, dass er geweint haben musste, es konnte sich nur um ein paar Minuten handeln:"Ich dachte, er stirbt. Ich habe getrunken und geschrien, Melrose, bis Zoe kam und mich aus dem Zimmer gedrängt hat." "Zoe.", wiederholte ich, um irgendetwas sagen zu können. "Ja, meine Schwester war für mich da und sie ist auch jetzt bei ihm." "Das ist gut.", stotterte ich und Luke sah mich immer noch mit leeren Augen an. "Meine Schwester wusste von den Nightmare Geschichten und nachdem ich dich erwähnt hatte, sagte sie, ich solle mich bloß von dir fernhalten." Ein dicker Kloß bildete sich in meinem Hals und ich regte mich keinen Millimeter, weil ich Angst hatte, sonst loszuheulen.
Er sah mich sehr ernst an:"Waren das wirklich Nightmares, die dafür gesorgt haben, dass er fast gestorben wäre?" Mir lief ein eiskalter Schauer über den Rücken, als er meine Vermutung aussprach:"Ich, ich weiß es nicht, aber es könnte durchaus sein." Er sah wieder weg und holte tief Luft:"Also ist das alles wahr, mein Vater ist so wie du." Ich ging davon aus, dass er diese ganze Sache jetzt wegen Zoe glaubte und nickte dann:"Ja." Seine Kiefermuskeln spannten sich an und ich hatte wirklich Angst vor dem, was er jetzt sagen würde:"Warum hat mein Vater mich dann angelogen?" "Er wollte dich schützen.", antwortete ich, aber meine Stimme klang nicht nach mir, genau so wenig, wie seine nach ihm klang. Luke lachte bitter:"Jeder denkt, er müsste mich vor der ganzen Welt beschützen, du auch. Du berührst ja nicht mal Menschen." Ich öffnete den Mund, doch er kam mir zuvor:"Du willst kein Monster sein und du machst das, um andere vor dir zu schützen, schon klar, ich weiß." Ich konnte nicht sprechen, es ging einfach nicht, es war, als hätte jemand meine Lippen in den letzten Sekunden zusammengenäht. "Weißt du, was ich glaube?", er sah mich ironisch grinsend an, "Ich glaube, dass du selbst Angst davor hast, verletzt zu werden. Du lässt keinen zu nah an dich heran, aber es funktioniert nicht, weil du eben doch Gefühle hast, wie ein Mensch." Ich starrte ihn an, ich konnte nichts anderes tun, als zu starren und mich nicht zu bewegen. "Willst du dazu nichts sagen?", sein Lachen erlosch und ich zwinkerte ein paar Mal. "Ich, du-", es kam nichts Gescheites heraus. "Sag einfach, dass ich recht habe.", murmelte er bitter und das ließ mich auftauen. "Nein.", sagte ich. "Nein", wiederholte ich fest, "du hast nicht recht." Er sah mich erschrocken an:"Was denn dann?"
"Ich bin nicht einfach nur wie ein Mensch mit Gefühlen und Verlangen, Luke. Ich bin auch nicht einfach nur ein Nightmare, ich bin so viel mehr als das.", damit drehte ich mich um und ging davon. Ich lief nicht schnell, aber auch nicht langsam. Die Klingel zur ersten Stunde läutete und mir war es komplett egal, dass wir mal wieder zu spät kommen würden. Seine Worte hatten mich gekränkt, erneut. Es ist einfach nicht möglich für Menschen, einen Nightmare zu lieben, wir sind zu verschieden und das traf mich jetzt gerade wie ein Schlag ins Gesicht, dem ich wieder und wieder versuchte, auszuweichen, doch die Realität trifft früher oder später immer. Manche Dinge ändern sich nicht, manche Dinge sind einfach nicht füreinander bestimmt. "Melrose!", sagte Luke, blieb aber stehen. Ich wusste, dass ich, wenn ich mich jetzt umdrehen würde, in Tränen ausbrechen würde, also straffte ich die Schultern und ging mit erhobenem Haupt weiter. Natürlich hätte ich nichts Anderes lieber getan, als ihn zu umarmen und das alles zusammen durchzustehen, aber das war nicht möglich, es sollte schlichtweg einfach nicht sein.
"Rose!", seine Stimme wurde immer leiser und brüchiger, bis ich Schritte hinter mir vernahm, doch ich fuhr sofort herum. "Luke, nein! Merkst du es nicht? Wir können nicht mehr als Bekannte sein, wir sind in derselben Klasse, das war es, nicht mehr, nicht weniger. Vielleicht hast du recht und ich schütze mich mit dem Abstand zwischen uns, aber du tust mir weh. Du verletzt mich mit deinen Worten und es fühlt sich an, als würdest du immer tiefer in einer Wunde bohren, die sich so oder so nie schließen wird. Verstehst du das? Ich möchte nicht verletzt werden und das ist genau der Punkt. Wir tun uns die ganze Zeit über gegenseitig weh, es geht einfach nicht. Das gestern mit deinem Vater muss irgendeine andere Erklärung als Nightmares haben, denn ich wüsste nicht, wie jemand von uns zu sowas in der Lage sein sollte."
Es brach mir das Herz, das zu sagen, wirklich. Es krampfte sich zusammen und zersprang dann, ich konnte es fühlen, es war schrecklich. Ich sah, dass auch er mit den Tränen kämpfte, als er seine kratzige Stimme benutzte:"Bedeute ich dir überhaupt irgendeinen Scheißdreck? Weißt du, geh doch einfach zu deinen Nightmares, wenn die alle besser sind, als alle Menschen zusammen! Und weißt du noch etwas? Du verletzt mich jedes Mal wieder mit deiner Art der Abweisung, doch kannst du dir das vorstellen? Für dich würde ich all diese Probleme in Kauf nehmen, aber du anscheinend nicht für mich, also lassen wir es gleich, nicht wahr? Das ist deine Methode, sobald etwas zu kompliziert ist und der Aufwand sich nicht lohnt, dann wird es beiseite geschoben." Ihm liefen Tränen herab, doch er wandte den Blick nicht von mir ab und ich merkte, dass auch ich jetzt weinte. All die Wut und mein Stolz floss dahin, mich erfüllte einfach nur die Trauer:"Du hast mir schon wieder weh getan,
weißt du jetzt, was ich meine?"
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Nightmare-Ist Angst stärker als Liebe?
ParanormalDieses Buch ist mittlerweile mehrfach überarbeitet worden & diese Fassung ist jetzt überall online als Taschenbuch erhältlich! Link dazu in meiner Bio! :) Melrose ist eigentlich ein ganz normales Mädchen, wenn man davon absieht, dass sie Menschen mi...