"Anscheinend gibt es keine.", beantwortete sich Herr Schwarz die Frage selbst. "Kurze Info zum Stoff, mit dem ich euch dieses Jahr noch quälen werde. Wir werden das, was auch immer ihr gerade macht, nicht zu Ende führen." Ein paar Schüler seufzten erleichtert, während andere ihm immer noch an den Lippen hingen. Mich beunruhigte das irgendwie, aber ich konnte nicht genau sagen, warum. Sein Blick glitt immer wieder durch den Raum, als würde er etwas suchen, doch ich ging davon aus, dass es dazu dienen sollte, uns leise zu bekommen. "Unsere nächste Lektüre wird 'Was ihr wollt' von Shakespeare sein und ich erwarte gute Mitarbeit, genauso wie eure volle Aufmerksamkeit." Ich stellte mich dieses Mal schon darauf ein, dass ein genervtes Raunen durch den Raum ging, wie immer, wenn Lehrer Arbeit ankündigten, aber dieses Mal blieb es aus und immer noch herrschte Mucksmäuschenstille. Herr Schwarz lächelte:"Seid ihr immer so leise?" "Ich werde mich in Literatur verdammt nochmal anstrengen.", murmelte Wendy und ich sah ihren verträumten Blick, den sie unserem Lehrer zuwarf. "Was gibt es, die Damen?", fragte er nun in unsere Richtung und alle drehten sich um, um zu sehen, wen er meinte. Wendy lief rot an und ich war diejenige, die antwortete:"Nichts." Dann lächelte er wieder:"Gut, denn solange es nichts mit meinem Unterricht zu tun hat, sind Gespräche nicht erwünscht. Wie heißt ihr?" "Wendy Aben.", sagte sie verlegen und ich unterdrückte mein Grinsen. "Melrose Morgen."
Er nickte wissend und ließ dann von uns ab:"Von wann bis wann hat William Shakespeare gelebt?" Ein paar vereinzelte hoben ihre Hand und er rief ein Mädchen auf, das ich nicht kannte:"Von 1564 bis 1616." "Sehr schön, wir schreiben uns ein paar Fakten zu diesem bedeutenden Mann auf.", sagte Herr Schwarz und seine Anweisung klang wie ein Befehl, dem man sich nicht widersetzen durfte. "Das wird noch lustig werden.", flüsterte Wendy so leise, dass ich es kaum verstand. "Unsere Namen kennt er ja schon mal.", ich lachte und holte dann einen Block hervor, um mir meiner Meinung nach unnützes Wissen aufzuschreiben. "Bis zur nächsten Stunde werde ich die Lektüren besorgt haben, dann können wir richtig loslegen und entschuldigt mich, ich habe viel zu tun, deswegen muss ich früher gehen.", sagte Herr Schwarz kurz vor dem Ende der Stunde und verließ zügig den Raum. Verwirrt sah ich ihm hinterher, er war einfach von der einen auf die andere Sekunde verschwunden, und was war an ihm jetzt so besonders, dass unsere Stundenpläne sich änderten? "Dass so jemand überhaupt Lehrer sein darf.", schwärmte Wendy, worauf ich lachen musste. "Genau er ist unser Lehrer in Literatur und allein deswegen schon unerreichbar." Sie verdrehte grinsend die Augen:"Er ist trotzdem verdammt nochmal heiß." Ich warf Wendy einen spielerisch genervten Blick zu und lief dann in eine Person hinein, die auch zur nächsten Stunde wollte. "Machst du das extra?", fuhr Luke mich an, als sich unsere Jacken verheddert hatten und ich wollte etwas erwidern, aber es kam einfach nichts heraus. Er verzog die Augen zu Schlitzen:"Halte dich verdammt nochmal von mir und meinen Freunden fern, kapiert? Geht das in dein krankes Hirn überhaupt rein?"
Der Kloß in meinem Hals wurde immer größer und er riss seine Jacke von meiner los, danach rannte er förmlich aus dem Klassenzimmer. "Nenn mir einen guten Grund, damit ich mich nicht auf ihn stürze und ihm einmal deutlich klarmache, mit wem er hier redet.", murmelte Wendy und sah Luke böse nach. Ich schüttelte den Kopf und kämpfte gegen die Tränen an, die sich ihren Weg nach unten bahnen wollten:"Ich würde an seiner Stelle wahrscheinlich genauso reagieren." "Was?", entfuhr es meiner Freundin. "Können wir einfach zur nächsten Stunde gehen?", meine Stimme versagte am Ende des Satzes und Wendy nickte heftig. Der Rest des Schultages verlief relativ normal, was so viel heißt wie, keiner wurde aus Versehen von mir berührt und ist dann zusammengebrochen. Ich sah Herr Schwarz ab und zu schnell an uns vorbeieilen und fragte mich, warum er immer so suchend um sich sah. Wendy lief gerade auf die Parkplätze der Schule zu und schaute mich nochmal mitleidig an:"Und du willst wirklich nicht mitfahren? Ich denke nicht, dass Logan etwas dagegen hätte, wenn wir dich zuerst Zuhause absetzen." Logan war der Junge, von dem mir Wendy erzählt hatte. Er war jetzt ihr Freund oder fast Freund, ehrlich gesagt blickte ich bei ihrem Jungs Kram nicht durch:"Danke, aber das ist nicht nötig, ich fahre einfach mit dem Bus." "Na schön." "Ich wünsche dir aber viel Spaß mit Logan.", ich betonte seinen Namen und grinste sie dann breit an. "Ja, ja, werde ich haben, bis morgen!" "Ich will alle Einzelheiten erfahren, verstanden?", rief ich ihr noch nach, doch sie lachte nur noch lauter, bevor sie hinter den ganzen Autos verschwand.
Meine Bushaltestelle war zum Glück nicht so überfüllt wie die der anderen und so konnte ich mich sogar setzen, während ich wartete. Ich schreckte schon fast hoch, als ich eine bekannte Stimme vernahm:"Kann ich mich zu dir setzen?" Noel stand vor mir und sah auf mich herab. "Äh, ja, sicher.", stotterte ich und zog meine Tasche zur Seite. Für eine ganze Weile tippte er nur auf seinem Handy herum und sagte nichts, ich tat es ihm gleich. "Der Bus ist heute wohl ein bisschen später dran.", versuchte er ein Gespräch aufzubauen. "Ja, sieht so aus.", murmelte ich und suchte die Straßen ab. Er kratzte sich hinten am Kopf und ich spürte, dass ihm die Situation sichtlich unangenehm war. "Ist etwas?", fragte ich dann einfach. Er seufzte und eine blonde Locke fiel ihm ins Gesicht:"Luke verhält sich im Moment wie ein Idiot." Ich sah ihn mit offenem Mund an, wusste aber nicht so recht, was ich sagen sollte. Er steckte sein Handy weg:"Er hört nicht auf uns, er ist so verdammt stur. Ich habe keine Ahnung was du falsch gemacht hast, oder ob du überhaupt etwas gemacht hast, aber so wie sich Luke dir gerade gegenüber verhält ist verdammt nochmal kindisch." Ich atmete hörbar aus:"Ja." Noel schüttelte den Kopf:"Ich habe keine Ahnung, was in ihn gefahren ist, er hat sogar gesagt, wir sollen uns von dir fernhalten, das ist doch völliger Schwachsinn. Ich lasse mir doch nicht von einem Freund verbieten mit wem ich rede!" Das versetzte mir wieder einen Stich und ich wandte den Blick ab. "Hey, Rose", meinte Noel jetzt wesentlich leiser, "tut mir leid, aber ich wollte dir nur sagen, dass ich das was Luke gerade abzieht nicht lange mit ansehen werde. Ich hoffe, dass er sich bald wieder abgeregt hat und seinen Mann steht."
Ich nickte und stand dann auf, weil der Bus vorfuhr. "Ich fahre heute mit einem von meinen Kumpeln nach Hause.", erklang seine Stimme nochmals hinter mir. Ich drehte mich um und lächelte gequält:"Dann bis morgen?" "Ja, bis Morgen, Melrose!"
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Nightmare-Ist Angst stärker als Liebe?
МистикаDieses Buch ist mittlerweile mehrfach überarbeitet worden & diese Fassung ist jetzt überall online als Taschenbuch erhältlich! Link dazu in meiner Bio! :) Melrose ist eigentlich ein ganz normales Mädchen, wenn man davon absieht, dass sie Menschen mi...