"Ich gehe schon mal nach oben", sagte ich beiläufig, woraufhin sie nur nickte, also stand ich auf und schloss meine Zimmertür ab. Ich überprüfte nochmals, ob Nelli mir geschrieben hatte, doch es war keine neue Nachricht angekommen, ich seufzte. Warum entfernten sich immer alle von mir? Monster.
Ich schlug gegen meinen Kopf, ich bin kein Monster, ich will nicht so sein. Dieses Flüstern in meinen Gedanken hörte einfach nicht auf. Monster, Monster, Monster. Ich hätte am liebsten geschrien, doch ich war ja nicht allein Zuhause.
Weil ich keinen anderen Grund sah, um noch länger wachzubleiben und diesem sowieso schon schrecklichen Tag nicht noch eine Chance geben wollte, um noch schlimmer zu werden, machte ich mich fertig und ging dann schlafen.
Und irgendwie ließ mich die Angst vor morgen nicht los, allerdings konnte ich nicht einmal sagen warum.Mein Wecker klingelte und ich machte alles wie automatisch, Bad, Zimmer, Frühstück, Bushaltestelle und Schule.
Ich stand vor dem Schulgebäude und fühlte mich wie ein Alien, der auf dem falschen Planeten gelandet war. Da ich nicht wusste, wo ich hingehen sollte, hielt ich nach Wendy Ausschau, aber sie erschien nicht. Fünf Minuten vor Unterrichtsbeginn gab ich die Hoffnung auf, dass sie noch kommen würde, also ging ich hinein in die Hölle. Ich suchte die Gänge nach Mitschülern aus meiner Klasse ab, aber ich hatte sie mir nicht sonderlich eingeprägt, da ich dachte, dass ich sie ja sowieso nie wieder sehen würde.
So ziemlich alle liefen in irgendwelche Räume und es war auch keiner zu entdecken, den ich nach meiner Zimmernummer hätte fragen können. Gerade als ich schon zum Direktorat gehen wollte, erblickte ich Luke. Auf keinen Fall wollte ich ihm nachlaufen, doch was blieb mir anderes übrig?
Ich hielt genug Abstand, auch auf der Treppe blieb ich weit hinter ihm. Er lief durch mehrere Gänge, dann ging er weitere Stufen nach oben und ich musste mich beeilen, um überhaupt mithalten zu können. Auf ungefähr der Hälfte der Treppe blieb er urplötzlich stehen und ich wäre am liebsten mit dem Boden verschmolzen. Was jetzt? Ich konnte nicht auch noch stehen bleiben, also schlich ich langsam weiter, bis ich fast auf seiner Höhe war.
"Ich würde mir auch nicht zu nahe kommen, wenn ich du wäre", murmelte er.
"Ich will nur wissen, wo wir Unterricht haben", ich blieb stehen und sah zu ihm hoch.
"Hier nicht, wir haben im Erdgeschoss Englisch", Luke drehte sich um und ging die Treppe wieder nach unten. Es klingelte, der Unterricht hatte begonnen.
"Warum bist du dann hierher?", ich folgte ihm und er zuckte nur mit den Schultern. Er war ein verdammter Dickkopf. "Tut mir leid wegen gestern", ich schloss zu ihm auf und passte mich seinem Schritttempo an.
"Schon gut." Wir liefen die Gänge zurück.
"Ich würde es dir ja gerne erklären, aber ich kann es nicht."
Er lief unbeeindruckt weiter: "Kannst, oder willst du es nicht?" Wir bogen in einen anderen Gang ein.
"Beides."
Jetzt lachte er bitter auf: "Gut zu wissen." Ich überlegte gezwungen, wie ich das Gespräch aufrecht erhalten konnte, und wie ich es am besten auf Steve Wilson lenken konnte, ohne direkt nach ihm zu fragen.
Da kam mir wirklich eine Idee: "Ich glaube, ich habe Angst davor, berührt zu werden oder andere anzufassen." Luke sah mich kurz an, sagte aber nichts. "Tut mir leid", fügte ich noch schnell hinzu.
Nach einem peinlichen Moment des Schweigens seufzte er: "Es gibt Menschen, die dir helfen könnten."
"Wie denn?"
"Indem du dich deiner Angst stellst", sagte er. Ich blieb stehen, das gehörte alles zum Plan. Er lief noch ein paar Schritte weiter, dann drehte er sich um: "Rose? Alles in Ordnung?" Das war der perfekte Moment, um die Situation zu dramatisieren.
Ich starrte auf meine Hände: "Ich brauche wirklich Hilfe."
Luke sah mich unsicher an: "Ich könnte meinen Vater nach einem Beratungstermin fragen."
Ich blieb in meiner Rolle: "Kennt er sich denn mit sowas aus?"
"Ähm, ja."
"Behandelt er solche Leute in seiner Praxis?"
"Ich muss dir da vorher noch etwas sagen, aber sei mir bitte nicht böse", er blickte mich verlegen an, "es ist eine Praxis für psychisch Kranke." Wie sollte ich reagieren? Ich blieb ruhig. Dann fuhr Luke sich unsicher durch die Haare: "Ich glaube nicht, dass du krank bist und ich weiß nicht warum, oder was du mir verschweigst, aber vor irgendetwas hast du Angst und vielleicht könnte mein Vater dir helfen."
"Klingt gut."
Er sah mich überrascht an: "Du bist also nicht sauer oder beleidigt, weil ich dich in eine Praxis für psychisch Kranke schicke?"
Ich schüttelte den Kopf: "Du schickst mich nicht, ich gehe selbst."
Er musterte mich erst komisch, doch dann lächelte er: "Es ist meine Schuld, dass wir zu spät kommen."Luke klopfte an der Klassenzimmertür und ein älterer Mann öffnete: "Das wird ja immer später Mr Wilson, und wer ist das?"
"Ich bin Melrose, ihre neue Schülerin", sagte ich und setzte ein neutrales Lächeln auf.
Seine Augen wanderte kurz zu mir, dann wieder zu Luke, schließlich nickte er: "Na schön, nehmt Platz." Ich spürte wieder alle Blicke auf mir und setzte mich dann neben Wendy. Während des Rests der Stunde fertigten wir einen Hefteintrag zu einem Thema an, das ich bereits kannte, und ich langweilte mich beinahe zu Tode.
Als die Pause begann, ging ich mit Wendy aus dem Raum, nur waren dieses Mal noch drei weitere Freundinnen dabei. Wir steuerten eine freie Bank an und Wendy sprach ununterbrochen mit den anderen über irgendwelche Jungs, die ich nicht kannte.
"Und was ist das eigentlich zwischen euch?" Ich brauchte eine Weile, bis ich bemerkte, dass ich gemeint war. Jana, ein Mädchen mit dunkellila Haaren, sah mich neugierig an.
"Zwischen mir und Luke?", ich zog die Augenbrauen hoch. Sie nickte. "Nichts, wir kannten uns eben schon", ich versuchte so neutral wie möglich zu klingen und es klappte auch, denn sie unterhielten sich weiter. Nur das Mädchen, das noch nichts gesagt hatte, sah mich nach wie vor seltsam an. "Wo müssen wir jetzt eigentlich hin?", ich tippte Wendy an, um nicht gänzlich ausgeschlossen nebendran zu sitzen.
"In den ersten Stock, wir haben Geschichte." Ich verbrachte noch fünf Minuten vor mich hin starrend die Pause und sah ab und zu zu dem Mädchen mit den blonden Locken, das mich immer noch beobachtete. Ich hätte ja etwas gesagt, aber dafür hätte ich rufen müssen, weil sie auf der anderen Seite der Bank saß und das wollte ich wirklich nicht. Es ertönte die Klingel und wir liefen los, ich hielt mit Absicht Abstand und blieb dicht bei Wendy.
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Nightmare-Ist Angst stärker als Liebe?
ParanormalDieses Buch ist mittlerweile mehrfach überarbeitet worden & diese Fassung ist jetzt überall online als Taschenbuch erhältlich! Link dazu in meiner Bio! :) Melrose ist eigentlich ein ganz normales Mädchen, wenn man davon absieht, dass sie Menschen mi...