Teil 7

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Ich sah sie. Sie rannte in einer ausgestorbenen Stadt und drehte sich alle paar Sekunden um. Von irgendwoher drangen Schreie an mein Ohr, doch ich konzentrierte mich auf die rennende Person. Ich konnte mein Lächeln nicht unterdrücken, es fühlte sich einfach so unglaublich richtig an und trotzdem war es so verdammt falsch.
Mit schnellen gleichmäßigen Schritten verfolgte ich das Mädchen. Ich war schnell, schneller als sie, also schloss ich zu ihr auf. Meine Gestalt hatte die eines Killers angenommen, denn ich rannte mit einem Messer neben ihr her. Ich genoss die Panik, die Angst, die Schreie.
Von weit her drang eine Stimme an mein Ohr: "Melrose! Was tust du da? Lass sie los!" Ich spürte Schläge an meinem Arm, heftige Schläge.
In einem Moment hob ich noch das Messer, im nächsten war nur meine Faust in der Höhe.
Ein Junge kniete über dem toten, nein, bewusstlosen Mädchen. Luke sah mich entsetzt an. Die Musik war ausgeschaltet worden und alle Blicke waren auf mich gerichtet.
Der Junge, der anscheinend der Freund des Mädchens war, schlug mir mitten in den Bauch. Ich riss die Augen auf und krümmte mich. Er holte erneut aus, doch Luke fing die Faust ab.
Nelli stürmte zu mir und zog mich weg. Die Leute wichen mit großen Augen vor uns zurück und machten Platz. Ich sah mich panisch um, was war gerade nur passiert? Alles ging viel zu schnell.
Ein dumpfes Pochen machte sich in meinem Arm breit.
Kurz vor dem Eingang fand ich meine Stimme wieder: Sie leidet unter Schizophrenie!
Wir traten in die Nacht hinaus und die Kälte schlug mir entgegen, sodass mir schwindelig wurde. Luna hatte das Auto schon vorgefahren und Nelli half mir einzusteigen. Auch Nadine saß bereits im Porsche.
"Ich fasse es nicht!", Luna funkelte mich während der Fahrt böse an, aber das war mir egal. Der Nebel zog sich dichter zusammen, und ich ließ es zu.

"Aua!", meine Stimme klang heiser.
"Bleib ruhig liegen, sonst wird es noch schlimmer", Nelli holte eine Salbe und trug sie auf meinem Arm auf. Ich biss die Zähne zusammen. Mein Blick ging in die Richtung meines Arms, blaue Flecken und riesige Blutergüsse waren dort zu sehen. Mir wurde schlecht. "Ich verbinde deinen Arm", sie kramte in ihrer Schublade.
"Nein!", ich richtete mich auf und erst jetzt stellte ich fest, dass ich in ihrem Zimmer lag.
"Warum nicht?"
"Soll keiner mitbekommen und das wäre viel zu auffällig."
"Zieh eine Jacke darüber, außerdem werde ich mir jetzt noch deinen Bauch ansehen." Nelli verband meinen Arm und zog mein Oberteil ein wenig hoch: "Tut das weh?"
Und wie: "Geht."
"Also ja", sie holte wieder eine Salbe und einen Verband. Ich seufzte und ließ mich nochmal verarzten.
"Ich muss nach Hause", ich wollte aufstehen, doch Nelli drückte mich wieder runter.
"Morgen früh, jetzt schläfst du", sie stand auf und verließ das Zimmer. Immer noch leicht benebelt sah ich ihr nach, auch als sie schon längst verschwunden war.
Ich ballte die Hände zu Fäusten. Ohne den Alkohol wäre das niemals passiert, oder eher ohne Luke. Was war das überhaupt für ein Typ? Für wen hielt der sich?
Aber eigentlich lag die Schuld einzig und allein bei mir, ich war diejenige, die mit zu diesem dämlichen Klub wollte. Das war mir alles zu viel. Monster.
Ich kniff die Augen zusammen und versuchte einzuschlafen, was mir dann auch nach einer gefühlten Ewigkeit gelang.

Es klopfte an der Tür und ich brauchte einen Moment, um mir sicher zu sein, dass ich das nicht nur geträumt hatte: "Ja?"
"Willst du etwas frühstücken?", Nadine stand im Türrahmen.
"Ja." Sie kam mit einem Teller herein und ich setzte mich auf. Ein stechender Schmerz fuhr in meinen Kopf, sodass ich mich gleich wieder nach hinten lehnte.
"Kopfschmerzen?", Nadine reichte mir die Toasts.
"Sieht so aus", ich stöhnte. Warum musste ich auch trinken, obwohl ich wusste, dass ich rein gar nichts vertrug?
"Ich hole dir etwas zu trinken", sie stand auf und kam ein wenig später mit Wasser und einer Kopfschmerztablette zurück.
"Danke." Als ich fertig war, gab ich ihr das Geschirr wieder, aber Nadine ging noch nicht gleich.
"Brauchst du sonst noch etwas?" Ich schüttelte den Kopf. "Wie war er?"
"Wie war wer?", wiederholte ich.
"Na der Typ, der sich gestern für dich geprügelt hat."
"Wie bitte?", ich runzelte die Stirn.
"Sag nicht, du hast nicht mitbekommen, dass die Leute danach noch geschrien haben", sie zog die Augenbrauen hoch.
"Scheiße, ist ihm was passiert?", in mir läuteten alle Alarmglocken.
Sie zuckte beiläufig mit den Schultern: "Ich war doch nicht mehr dabei, keine Ahnung." Ich starrte auf die Bettkante, wenn ihm etwas passiert sein sollte, war das alles meine Schuld. Nadine begann zu grinsen: "Machst du dir etwa Sorgen um ihn?"
"Was? Nein, natürlich nicht."
"Süß, die kleine Melrose hat sich verliebt. Ich muss zugeben, er sieht echt nicht schlecht aus, braune Haare waren schon immer mein Typ und sein Körperbau ist auch nicht von schlechten Eltern."
"Du spinnst doch! Ich war betrunken und er ist total-", mir fiel nichts ein.
"Total was? Heiß?"
"Seltsam."
Nadine brüllte los: "Das war der schlechteste Versuch, dich da herauszureden, den ich je gehört habe."
Ich sah sie fassungslos an, schlug dann aber die Bettdecke zurück und ging erst gar nicht auf dieses Thema ein: "Ich muss nach Hause, wir ziehen heute um."
"Na dann", Nadine machte eine Handbewegung zur Tür.

Nightmare-Ist Angst stärker als Liebe?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt