Teil 22

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Ich zog mich um und starrte den Gips böse an.
"Du schränkst mich ein", flüsterte ich, als wäre er eine Person. Ich legte mich in mein Bett und zog die Decke bis zum Kinn hoch, in der Hoffnung, endlich einschlafen zu können.

Ich stand vor einer riesigen Tanne, die bis in den Himmel reichte.
"Bestimmt ist Fluffy da oben", Sarah stand neben mir und hielt meine Hand. Was? Wie konnte sie meine Hand halten, ohne das etwas passierte? Ich vernahm ein Bellen.
"Sieh mal", Sarah deutete auf den Boden. Dort saß ein kleiner Hund, der uns freundlich anblickte und hechelte. "Wo warst du denn?", Sarah ließ meine Hand los, um Fluffy auf den Arm zu nehmen. Und dann ging sie weiter, ohne ein Wort. Ich sah ihr nach, bis sie im Wald verschwunden war. Was war das hier? wie zur Hölle war ich hierher gekommen? Ich setzte mich in Bewegung, doch nirgends war ein Ende oder gar eine Lichtung zu sehen. Nach gefühlten Stunden des Laufens, fing ich an zu weinen, denn ich würde hier ganz sicher nicht wieder herauskommen, ich hatte ja nicht mal eine Ahnung, wo ich mich befand. Mein Blick verschwamm vor lauter Tränen und als ich mich wieder beruhigt hatte, schaute ich auf. Die riesige Tanne von vorhin stand wieder vor mir. Ich blinzelte. Wie war das möglich? Meine Beine trugen mich von dem Baum weg, doch egal wo ich hinsah, überall war die Tanne zu sehen. Sie tauchte aus wie aus dem Nichts und ich begann zu rennen. Monster. Ich rannte immer weiter, bis ich nicht mehr konnte.
Als ich zum Stehen kam, sog ich gierig Luft in meine Lunge und stützte mich mit einem Arm an einen Baum, doch als ich nach oben schaute, fing ich an zu schreien. Ich lehnte schon wieder an der Tanne. Und auf einmal war alles dunkel, meine Hand berührte etwas Weiches und keine Baumrinde, meine Beine waren entspannt und nicht wie Wackelpudding nach einem Lauf. Ich tastete um mich, dann spürte ich einen Schalter unter meinen Fingern und knipste das Licht an. Ich war in meinem Bett, das war nur ein Traum, ein simpler Traum. Mein Atem normalisierte sich und die Tür wurde aufgerissen.
"Melrose, was ist passiert?", meine Adotivmutter sah mich mit großen Augen an.
"Nur ein Alptraum", murmelte ich.
"Oh nein, brauchst du etwas? Willst du etwas trinken?"
"Nein, ich versuche weiter zu schlafen." Sie nickte, musterte mich noch kurz, als müsse sie sich davon überzeugen, dass es mir wirklich gut ging, und zog dann die Tür vorsichtig zu. Doch das mit dem Schlafen klappte nicht, denn sobald ich meine Augen schloss, sah ich die Tanne vor mir.
Als die ersten Sonnenstrahlen durch das Fenster schienen, stand ich auf und machte mich fertig. Ich beschloss, mir heute einen Zopf zu machen. Nach dem langsamen Umziehen, aß ich etwas und spielte an meinem Handy, da ich noch Zeit hatte. Neue Nachrichten waren nicht angekommen, also machte ich mich auf den Weg zur Bushaltestelle. Es war ziemlich kalt, also steckte ich meine Hände in die Jackentasche, um sie zu wärmen. Ich war die Einzige, die in dieser Gegend schon so früh aus dem Haus war und auch sonst war alles verdächtig ruhig, bis ein Auto direkt vor mir anhielt.
Das Fenster wurde heruntergefahren.
"Müssen Sie wohin?", Luke grinste mir zu.
Ich trat an das Auto und konnte mein Lächeln nicht unterdrücken: "Was machst du denn hier?"
"Pünktlich kommen, und da du schon wegen mir einen schlechten Eindruck gemacht hast, nehme ich dich gleich mit."
"Das war doch nicht deine Schuld, immerhin bin ich dir hinterher gelaufen."
"Und ich habe dich extra woanders hin gelotst, also steig ein Rose, oder ist es so gemütlich warm da draußen?", er öffnete die Autotür. Ich stieg ein, schnallte mich an und wartete darauf, dass er den Motor startete. "Hier", Luke reichte mir sein Handy.
"Soll ich das halten?"
Jetzt lachte er noch lauter: "Speicher meine Nummer ein!" Ich spürte schon wieder, wie die Hitze mir in die Wangen schoss, aber sagte nichts und speicherte seine Nummer ab.
Ich spürte seinen Blick auf mir und räusperte mich: "Willst du nicht losfahren? Oder war das mit der Pünktlichkeit nur ein Weg, mich in dein Auto zu locken?"
"Ich fahre ja schon", er wedelte mit den Händen und wir setzten uns in Bewegung.
"Wo soll ich dein Handy hinlegen?"
"Du hast jetzt die Ehre es zu halten", er grinste mich durch den Spiegel an.
Ich schüttelte nur den Kopf: "Idiot."
"Radio?"
"Hast du schon mit deinem Vater gesprochen?", fragte ich. Er zögerte nur eine Millisekunde.
"Ehrlich gesagt noch nicht, aber ich kann dir ja schreiben, wenn du mich angeschrieben hast", er deutete auf sein Handy.
"Mir würde ein Beratungstermin auch erst einmal reichen."
Er wurde ernst: "Ich hatte auch nicht vor, dich gleich in eine Therapie zu schicken."

Nightmare-Ist Angst stärker als Liebe?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt