Teil 43

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Der Weg schien sich ewig lange hinzuziehen und trotzdem blieb ich voller Tatendrang. Ich musste mit Steve sprechen, das spürte ich, er wird der Einzige sein, der mich verstehen kann. Endlich erblickte ich den verkehrsberuhigten Bereich und sah das weiße Gebäude mit den Buchsbäumen im Steingarten. Ich lief direkt auf den Eingang der Praxis zu und versuchte die Tür zu öffnen, doch nichts geschah. "Was zur Hölle?", murmelte ich. Dann fiel mein Blick auf die Öffnungszeiten, montags und freitags Ruhetag. Ich starrte auf die schwarzen Buchstaben, die so harmlos schienen. Das bildete ich mir doch nur ein, oder? Ich ging auf und ab, was sollte ich jetzt tun? Ich strengte mein Hirn an und erinnerte mich daran, dass Luke hier ganz in der Nähe wohnte, nur wo?

Er wollte mir damals sein Zuhause zeigen, warum hatte ich nur abgelehnt? Ich könnte ihr Haus suchen, aber dann wäre da noch die Gefahr, dass Luke Zuhause war, und das würde dann wirklich nicht zu dem aus dem Weg Gehen beitragen. Nur was blieb mir anderes übrig? Mit schnellen Schritten bewegte ich mich vorwärts und hielt nach einem bestimmten Audi Ausschau. Ich ging zu jedem Haus und sah auf die Klingel, um den Nachnamen Wilson zu finden, doch keiner hieß auch nur annähernd so. Nachdem ich mehrere Straßen abgeklappert hatte, wollte ich schon aufgeben, weil ich mir total dämlich vorkam, doch dann erreichte ich ein anderes Viertel, in dem nur Villen standen. Natürlich waren sie reich, ich schüttelte den Kopf über mich selbst und fand das riesige Grundstück auch relativ schnell, da ein modernes Schild mir die Besitzer anzeigte. Ein hohes Tor erstreckte sich vor mir und ich konnte einen Springbrunnen ausmachen, der in einem mit wunderschönen Blumen angelegten Garten stand.

Ich sah mich zögernd um, war das der normale Eingang? Ich entdeckte eine goldene Klingel neben der Tür und ich drückte schnell darauf, bevor ich es mir anders überlegen konnte. Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken, als ich ein leises Summen hörte, wie wenn sich eine Kamera auf mich fokussierte und dann sah ich sie, die Überwachungskamera. Die eine Hälfte des Tores öffnete sich ohne jedes Geräusch und ich hatte auf einmal das dringende Bedürfnis wegzurennen, aber stattdessen nahm ich meinen Mut zusammen und ging auf dem Weg entlang zum Eingang, wo zwei riesige Säulen standen. Das ganze Gebäude bestand aus Marmor und erinnerte mich glatt an einen alten griechischen Film. Dann wurde die dunkle Holztür geöffnet und ich redete mir ein, dass ich auch später noch staunen könnte.

"Was willst du?", Luke sah mich mit einem herablassendem Blick an, den ich noch nie vorher bei ihm gesehen hatte, vielleicht hatte Zoe ja recht und er hasste mich wirklich. Ich schluckte:"Ist dein Vater da?" Er wirkte ein wenig überrascht:"Ist es dringend?" "Ja." Ich bemerkte wie sehr er mit sich rang, ob er mir helfen sollte, doch dann tat er es:"Ich werde ihm Bescheid geben, dass du hier bist." Luke drehte sich um und erst jetzt bemerkte ich, dass er vollkommen verschlafen aussah, seine braunen Haare waren verwuschelt und er trug nur ein dünnes Tshirt und eine graue Jogginghose. "Danke.", murmelte ich. Er ging links von mir eine Treppe hoch und ich sah mir die Einrichtung an, um nicht über ihn nachdenken zu müssen. Der Boden bestand aus Fließen und der Gang erschien endlos mit etlichen Zimmern und Abzweigungen. Am Ende erstreckte sich eine Glaswand und dahinter sah ich einen großen Pool. Luke kam wieder runter und sah mich nur kurz an:"Er kommt sofort und ist dann für dich da." Ich nickte und er setzte sich schon wieder in Bewegung, doch ich konnte ihn nicht so verabschieden:"Luke, es tut mir leid." "Was genau? Die Lügen, oder die Tatsache, dass ich es selbst herausgefunden habe?"

"Ich bin nicht mit Tobias zusammen.", platzte es aus mir heraus. Er nickte:"Aber anfassen kann er dich, ich verstehe schon, Rose, wirklich." Ich öffnete den Mund, um zu antworten, doch er würde es nicht verstehen, egal was ich sagte und wenn ich mit der Wahrheit herausrücken würde, würde er mich für verrückt erklären. In seinem Blick lag Schmerz:"War es das jetzt?" "Ich werde es dir irgendwann erklären.", sagte ich, doch er hatte sich schon abgewandt. "Irgendwann ist nur ein anderes Wort für niemals, Melrose.", damit verschwand her. Ich schrie innerlich, alles in mir tobte, doch äußerlich schien ich die Ruhe selbst zu sein. "Melrose, ich hoffe es ist wichtig, ansonsten verstehe ich nicht, warum es nicht bis morgen hätte warten können.", Doktor Wilson kam die Treppe herunter. In seinem schlichten blauen Hemd wirkte er viel entspannter, als in seinen Arbeitsklamotten. Ich sah ihn ernst an:"Es kann nicht bis morgen warten, weil ich nicht mal weiß, ob ich morgen noch hier sein werde."

Er sah mich ernst an und führte mich dann in eine Art Arbeitszimmer mit einem Schreibtisch und hohen Bücherregalen. Als er mir den einen Schreibtischstuhl anbot, nahm ich Platz und er setzte sich auf die gegenüberliegende Seite. Ich holte tief Luft:"Ich habe meinen Adoptivvater verletzt."

Nightmare-Ist Angst stärker als Liebe?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt