Teil 30

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"Freut mich, ich bin Clara.", sagte sie. Ich kam mir total fehl am Platz vor:"Hallo." "Ich könnte dir so viel erzählen.", Clara wandte sich wieder Luke zu. "Vielleicht wann anders, wir müssen zu meinem Vater." "Ihr?", sie blickte zwischen mir und ihm hin und her. "Ich.", stellte ich fest. Luke sah mich an. "Ich kann auch alleine warten und außerdem werde ich das Gespräch sowieso alleine führen.", meine Stimme klang bestimmter, als dass ich es wollte. "Wo sie Recht hat, hat sie Recht.", meinte Clara. "Bist du dir sicher?", Luke sah mich besorgt an. "Bin ich.", ich versuchte zu lächeln. "Na schön, ich zeige dir aber noch wo das Wartezimmer ist.", er führte mich zu einer Tür und blieb dann davor stehen. Er atmete tief durch:"Lass dich nicht dumm anmachen." Ich runzelte die Stirn und daraufhin fügte er noch hinzu:"Manche sind ein wenig durchgeknallt, aber harmlos." "Damit komme ich schon klar." "Ich warte im Eingangsbereich auf dich." Ich nickte und drückte die Türklinke nach unten, als Luke außer Sichtweite war.

Alle Augenpaare waren auf mich gerichtet, genau genommen waren es vier und mir stockte der Atem. Dort saß Sarah, das kleine Mädchen aus dem Wald und spielte mit zwei Puppen. Neben ihr saß ein großer Mann, der wahrscheinlich ihr Vater war und eine ältere Frau starrte mich durchgehend an. Ein Junge in meinem Alter lächelte mich aufrichtig an und da nur neben ihm oder Sarah ein Platz frei war, setzte ich mich zu ihm. Der Raum war ziemlich schlicht gehalten, Stühle, ein Tisch mit Zeitschriften und ein paar Pflanzen standen da. Anscheinend hatte Sarah mich nicht erkannt, oder tat sie nur so? Auch die ältere Frau hatte den Blick von mir abgewandt und starrte stattdessen an die Decke. "Bist du neu hier?", flüsterte der Junge neben mir.

Ich nickte. "Ich bin Tom.", er streckte mir die Hand entgegen. "Berührungsängste.", platzte es aus mir heraus und ich war selbst geschockt, wie leicht mir das Lügen mitlerweile fiel. "Oh, verstehe.", er zog seine Hand wieder zurück. "Ich bin Melrose, aber nenn mich lieber Rose." "Sehr erfreut, Rose." Die Tür wurde aufgerissen und eine Frau sah auf ihre Liste:"Melrose." Dieser Ausruf versetzte mich wieder in die Realität. Ich würde jetzt ein Gespräch führen, mein Herz schlug automatisch schneller. Wie gelähmt stand ich auf. "Viel Glück, Rose.", rief Tom noch, dann wurde die Tür geschlossen. Ich lief der Frau schweigend hinterher, die mich in ein Zimmer mit einer Couch und einem Tisch führte. In dem Sessel saß ein großer Mann mit dunkelbraunen Haaren, eindeutig Steve. Er nickte seiner Mitarbeiterin kurz zu und sie verließ dann den Raum.

"Guten Morgen, Melrose. Ich bin Doktor Wilson.", er stand auf und forderte mich mit einer Handbewegung dazu auf, mich auf die Couch zu setzen. Ich stand wie angewurzelt da, denk an den Plan, erinnerte ich mich. Ich trat zu ihm und reichte ihm meine Hand, die ein wenig zitterte. Wenn er ein Mensch ist, würde ich ihn verletzen, aber dieses Risiko musste ich wohl oder übel eingehen. "Es ist alles gut, Melrose. Du musst mir nicht die Hand geben, ich verstehe deine Ängste." "Ich will aber.", ich konzentrierte mich darauf, das Zittern unter Kontrolle zu bringen. Dann schüttelte er meine Hand. Es war ein fester Handdruck, allerdings nicht zu fest.

Nicht passierte.
Ich atmete erleichtert aus und setzte mich dann auf die Couch. Ich musste mein Grinsen unterdrücken, er war es wirklich, er war ein Nightmare und er lebte unter Menschen, er hatte eine Familie. Hoffnung machte sich in mir breit und ich fühlte, wie die Zweifel von mir abfielen. "Wie heißt du denn mit ganzem Namen, Melrose?" "Melrose Morgen." Nachdem ich das gesagt hatte, suchte er meinen Blick, und für einen Moment flackerte etwas Undefinierbares in seinen Augen auf, doch dann hatte er sich wieder gefasst. Ich tat so, als hätte ich nichts bemerkt. "Luke hat mir gesagt, dass deine Eltern nichts von unserem Termin wissen, stimmt das?" "Ja, meine Adoptiveltern." Er nickte langsam:" Willst du näher über sie reden?" Er machte sich Notizen auf einem Papier. Ich kam mir vor wie bei einem Verhör:"Es gibt nicht viel zu sagen, ich komme gut mit ihnen aus." Wieder eine Lüge.

Er notierte sich noch etwas auf seinem Block. "Doktor Wilson?" "Ja, Melrose." "Ich habe keine Berührungsängste, also nicht so wie Sie denken." "Ich habe nicht geglaubt, dass bei dir eine solche psychische Störung vorliegt." "Sie wissen doch mehr, oder?", ich biss mir auf die Unterlippe, hätte ich das sagen sollen? "Was meinst du, Melrose?", er ließ mich nicht aus den Augen und hatte den Stift beiseite gelegt. Ich überlegte kurz, aber warum sollte ich um den heißen Brei reden:"Entweder Sie verstehen mich, oder sie halten mich für verrückt, wenn ich Ihnen das jetzt erzähle." "Ich werde dich nicht für verrückt erklären, was in diesem Zimmer besprochen wird, bleibt in diesem Zimmer." "Ich habe Kräfte." Er schwieg und ich konnte aus seinem Blick nicht ablesen, was er dachte.

"Ich kann Menschen durch eine einzige Berührung Schaden zufügen." Er sah mir tief in die Augen und ich befürchtete schon, dass er mich wegschickte, aber dem war nicht so:"Ich verstehe dich, Melrose." "Nur Rose, bitte.", ich sah ihn hoffnungsvoll an und wartete auf das Wort, das wie eine Mauer zwischen uns im Raum stand. "Du bist nicht verrückt, Rose." Ging er etwa davon aus, dass ich nicht wusste, wer ich, oder besser gesagt, was ich war?
"Ich bin ein Nightmare, ich weiß.", jetzt war es endlich raus.

Nightmare-Ist Angst stärker als Liebe?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt