Teil 53

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Ich starrte auf den Boden und hörte seine Schritte, die sich immer weiter entfernten. Mein Magen verkrampfte sich und ich schluckte schwer. Wie konnte Steve nur denken, Luke würde mir glauben? Da kam mir eine Idee, er musste es erfahren. "Luke!", schrie ich, doch er lief unbeirrt weiter. Jetzt setzte auch ich mich in Bewegung:"Warte, ich muss dir noch etwas sagen." Widerwillig stoppte er und ich holte ihn ein. Mit dem Rücken zu mir erklang seine Stimme viel kälter als gewöhnlich:"Ich denke, es ist alles gesagt." "Dein Vater", keuchte ich, "ist so wie ich." Augenblicklich wirbelte er herum und zeigte mit dem Zeigefinger auf mich:"Kurze Zeit habe ich dir das alles sogar abgekauft, Melrose. Aber jetzt beschmutze nicht noch den Mann, der dir helfen will und zugleich mein Vater ist!" Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und sah ihn ernst an:"Wenn du mir nicht glaubst, dann frag ihn doch! Ruf ihn auf der Stelle an und frag ihn, was er über Nightmares weiß!" Er schüttelte den Kopf:"Lass es gut sein, du und ich, wir brauchen gewaltigen Abstand." "Nein!", flüsterte ich und meine Stimme war kaum mehr als ein Windrausch. Ich sah den Schmerz in seinen Augen, als er mich ansah:"Ich bringe dich nach Hause." Er lief wieder zügig los, doch ich hielt Schritt:"Ruf deinen Vater an, bitte." Am Auto angekommen stieg er ein, ohne ein Wort zu sagen und ich ebenso. Ich versuchte mich zu beruhigen, wenn er mit Steve gesprochen hatte, würde so oder so alles besser werden.

Nun zog er wirklich sein Handy aus der Jackentasche und stellte auf Lautsprecher. "Ja?", erklang Steves Stimme am anderen Ende der Leitung. "Hey, Dad! Ich habe mal eine sehr außergewöhnliche Frage." "Was gibt es denn, ist Rose noch bei dir?" "Beantworte mir einfach die Frage, Dad." "Frag!" Mit einem letzten Blick zu mir sprach Luke weiter:"Was weißt du über Nightmares?" Es ertönte eine Art Lache:"Alpträume." "Ja, eine Art Spezies." Es wurde komplett ruhig und ich spürte, wie schnell mein Herz schlug:"Nichts, mein Junge. Wie kommst du denn auf so etwas?" Mir wich alle Farbe aus dem Gesicht und ich schnappte nach Luft, warum log er? "Hast du Melrose irgendwelche Medikamente gegeben, sie wirkt total neben der Spur." "Ja, aber ich dachte nicht, dass sie so schnell anschlagen.", sagte Steve. Mein Atem ging immer schneller und mir wurde schwindelig, dann öffnete ich die Autotür und landete auf nassem Gras. "Scheiße, ich muss auflegen.", fluchte Luke und schnallte sich ab, um mir zur Hilfe zu kommen. "Warum?", wimmerte ich und rollte mich zusammen. Luke stand unschlüssig vor mir und ich sah in seine eiskalten Augen. "Setz dich ins Auto.", befahl er und ich gehorchte. Wenn ich mir schon selbst nichts befehlen konnte, wie zum Beispiel sprechen, hörte ich wenigstens auf ihn. Ich krabbelte wie gelähmt zurück auf den Sitz, während Luke wieder um den Audi herum ging. Ich wollte sprechen, aber meine Lippen waren wie versiegelt, ich wollte mit dem Weinen aufhören, doch meine Augen gehorchten mir nicht, ich wollte das Zittern stoppen, doch mein Körper entglitt mir.

Erst als Lukes Stimme erklang, bemerkte ich, dass wir vor meinem Zuhause standen. Ich sah zu ihm hoch, doch er schaute nach draußen und trommelte auf der Armlehne herum. "Ich gehe jetzt.", flüsterte ich, in der Hoffnung, er würde noch etwas sagen, aber da war nichts. Kein tschüss, kein pass auf dich auf, kein Luke. Mit zusammengebissenen Zähnen trat ich auf den Bürgersteig und sofort nachdem ich die Tür geschlossen hatte, fuhr er los. Wieso hatte Steve gelogen? Was sollte das alles? Ich stolperte mehr zur Haustür, als aufrecht zu gehen und schloss dann endlich nach etlichen Versuchen auf. Es war niemand da und ich rannte sofort hoch in mein Zimmer. Ich musste hier weg. Konnten meine Freunde mir dabei helfen, meine Mutter zu finden? Denk nach und behalte jetzt die Übersicht, sprach ich mir zu. Aber dann hielt ich inne, weil mir etwas eingefallen war. Wenn meine Freunde, auch wenn sie sauer waren, von den königlichen Familien wussten, mussten sie dann nicht auch wissen, wer ich bin? Hatten sie mich all die Jahre lang angelogen?

Ich vergrub mein Gesicht in den Händen und ließ alles raus. Schon lange hatte ich nicht mehr so viel geweint. Konnte ich jetzt nicht mal mehr Steve vertrauen? Was war nur in ihn gefahren? Hatte er seine Meinung so schnell geändert? Du darfst im Moment einfach nicht die Kontrolle verlieren, redete ich mir ein. Auf jeden Fall musste ich erst mal schleunigst aus diesem Haus raus, bevor sie mich noch hier erwischen und in ein Waisenheim am Ende der Welt stecken. Ich rannte zu meinem Schrank und kramte nach meinem alten Rucksack, den ich früher immer für die Schule benutzt hatte und stopfte Klamotten rein. Außerdem holte ich die Bücher aus der Kiste hervor und nahm noch meinen Laptop mit. Ich sah mich im Raum um, das würde fürs Erste reichen, es musste einfach. Genau in diesem Moment ertönte ein Schlüsselgeräusch von unten und ich schnappte nach Luft.

Nightmare-Ist Angst stärker als Liebe?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt