7. Amsterda, Olé!

806 28 3
                                    

Majorleins Sicht

Kurz um - Ich liebe Amsterdam.
Schon beim reinfahren in den Hauptbahnhof, fühlte ich mich augenblicklich zuhause. Dann eilte ich mich vom Centraal mit der Straßenbahn nachhause zu kommen. Das letzte Stück lief ich zu Fuß, denn der Weg führte zwischen zwei Grachten entlang über einen kleinen Pfad. Ganz früher war es ein Steg gewesen, der zum Eingang meiner Wohnung im Hinterhof führte. Heute war der Weg gepflastert, dennoch war es eng. Am Ende des Pfades musste ich nur nach links und stand vor dem Haus meiner Eltern. Geübt schloss ich die Wohnung mit der windschiefen Türen auf. Ich war schon eine ganze Weile nicht zuhause gewesen und das Gefühl nachhause zu kommen war unbezahlbar und unbeschreiblich zugleich. Dann stellte ich meine Tasche ab und schaute mich um. Mittlerweile war es so still, dass es schon ein wenig unheimlich war. Überall war es einen Hauch staubig, doch der traumhafte Ausblick auf die Gracht zeigte mir wieder wo ich eigentlich zuhause war. Es war eng, die Wände waren krumm und schief. Ich musste ganz dringend mal renovieren. Dennoch war es mein Zuhause und hier fühlte ich mich beschützt. Es war der letzte Rückzugsort, den ich für mich behielt. Denn meine Mutter war bereits kurz nach meiner Geburt gestorben. Vor drei Jahren war mein Vater bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen.
Das Haus und die Wohnung waren nach dem Tod meines Vaters, dass einzige was mir von meiner Familie geblieben war. Es war meine Wohnung und da ich es geerbt hatte, musste ich zum Glück keine Miete zahlen. Denn Miete war in Amsterdam Mitte mittlerweile fast unbezahlbar. Ich machte die Kaffeemaschine an und nahm meinen Lieblingsplatz am Fenster ein. Draußen herrschte reges Treiben und ich genoss den Anblick von umher hetzenden Touristen und entspannten Einheimischen. Nach meinem Kaffee, schnappte ich mir mein Handy und rief meine beste Freundin an. Auf Niederländisch begrüßte ich sie freudig. "Wo bist du?" Fragte sie mich sofort. "Zuhause?" Fragte ich sie irritiert, denn wo sollte ich sonst sein. "Zuhause?" Fragte Yolanda. "Ja, weißt du noch wo ich wohne - Kaizergracht!" Lachte ich, als würde ich einen anderen Ort mein zuhause nennen. "Oh mein Gott, ich will dich sofort sehen. Zieh dich an, schwing dich auf dein Fahrrad und komm rüber! Wir sitzen hier alle zusammen." "Ich mach mich in zehn Minuten auf den Weg!" Versprach ich und legte schließlich auf. Ich sprang kurz unter die Dusche, wusch mir die Haare aber nicht, zog mir ein Rock und Bluse über und schminkte mich kurz nach. Im Anschluß schlüpfte ich in meine Boots, schnappte mir meine Tasche und holte mein Fahrrad aus dem Verschlag. Denn in meiner Heimatstadt geht nichts ohne ein Fahrrad. Man bewegt sich oft aus eigenem Antrieb fort, was das Leben deutlich entspannter machte. Die Leute verzichteten oft auf das Auto, denn alleine Parken war unglaublich teuer. Mit dem Fahrrad fuhr ich ein paar Minuten zu meinen Freunden.
Dort wurde ich bereits sehnsüchtig erwartet. Yolanda sprang mir als erstes in die Arme. "Oh mein Gott, du hübsches, dünnes, atemberaubendes Ding!" Kreischte sie und ich musste sofort lachen. Dabei umarmte ich ebenso meine Freundin, wie sie mich. Dann hüpften wir wie zwei Irre im Kreis und wir brauchten einen Moment um uns zu beruhigen. Erst dann setzten wir uns zu den anderen und bestellten uns etwas zu trinken. Nur langsam entspannte ich mich, aber genau das war es was ich gebraucht hatte. Deswegen hatte ich nach Amsterdam gewollt. Einfach raus, einfach nachhause und den Kopf freibekommen. Keinen Moment wollte ich an Grenzen und an Pepe denken, geschweige denn an meine Probleme mit diesem Marco. "Was macht dein Liebesleben?" Fragte Yolanda mich, nach dem ich mir meinen ersten Drink bestellt hatte. Ich erzählte ihr von Pepe und dem Unbekannten, der die Bar kaufen wollte. Ich wusste nicht warum ich Marco erwähnte. Doch irgendwie ging mir die Arschgeige nicht aus dem Kopf. Ich war ein Träumer, Gott war ich ein Träumer. Ich war immer schon ein Träumer gewesen, es war auch das was mich am Leben und Lieben hielt. Ja ich liebte es sogar ab und zu mich der Träumerei hinzugeben. Doch wenn es um Marco ging, war ich einfach nur wütend. Und wütend war ich absolut nicht gerne. Ich erzählte als meinen Freunden von dem was mir in den letzten Tagen passiert war und übertrieb masslos, bis der gesamte Tisch lachte. Gegenüber saß ein hübscher Mann, der mich dabei beobachtete wie ich von dem Drama mit dem Pullover erzählte. Der Fremde am Nachbartisch hob schließlich sein Glas und nickte mir zu. Warum zum Teufel konnte ich denn nicht einfach mal hier sitzen, ohne gleich angebaggert zu werden. Der Fremde schenkte mir ein hübsches Lächeln und ich fragte mich ernsthaft, ob ich Lust auf ein einmaliges Abenteuer hatte? In zwei Tagen würde ich so oder so wieder in Köln sein und ich würde ihn nie wieder sehen. Wenn ich ehrlich bin, war ich aber noch nie ein Typ für einmalige Abenteuer. Ich hatte es zwar ausprobiert, aber in so einem Flirt sah ich wirklich keinen Sinn. Gott war ich wirklich so allein? Wollte ich denn unbedingt einen Freund haben? Wollte ich das wirklich oder wollte ich nicht nur eine Ablenkung von der Zurückweisung von Pepe? Hatte ich nicht genug zu tun mit dem Tanzen und meinem Job? Was suchte ich also? Was brauchte ich? Warum hatte ich denn verdammt nochmal keine Antwort auf meine Fragen. Diese verdammte Emotions-Kacke ging mir wirklich auf den Sack. Könnte ich nicht einfach mal Frei sein, Spaß haben und vor allen Dingen unabhängig sein? Als ich noch in London studierte hatte, hatte ich diesen einen Freund gehabt. Seinen Namen hatte ich seit unserer Trennung nicht mehr ausgesprochen. Also nenne ich ihn immer Den-Mann-ohne-Namen und nein damit meine ich nicht Voldemort. Er hatte mich mit zwei anderen Tänzerinnen betrogen und daraufhin verlassen. Und ich war so dämlich gewesen und war ihm immer noch hinterher gelaufen. Ich hatte damals nicht verstehen wollen, warum er mich nicht mehr gewollt hatte. Als ich ihn mit einer anderen Tänzerin beim Liebe-machen, bemalt auf einem Betttuch erwischt hatte, war die Liebe bei mir im Bruchteil einer Sekunde gewichen und trotzdem war ich noch fast ein Jahr bei ihm geblieben.
Die Zeit war vorbei und ein Zwei-Tägiges-Abenteuer würde diese Lücke und diesen Vertrauensmissbrauch in meinem Leben nicht heilen können. Also nippte ich an meinem Drink und lauschte dem Gespräch meiner Freunde. Yolanda redete ohne Punkt und Komma aber genau das hatte ich unglaublich vermisst. Denn Ablenkung war genau das was ich wollte.


Dance // Marco ReusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt