22. Lass es uns Tod schweigen!

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Majorleins Sicht

Ich hielt schließlich an und stieg vom Fahrrad. "Was hast du vor?" Fragte Marco mich und tat es mir gleich. "Kaffee!" Lächelte ich gespielt erschöpft und stellte mein Fahrrad ab. Zielstrebig ging ich in das kleine Café, denn ich brauchte etwas zu essen. Neben einer Süßspeise entschied ich mich für Rührei und Toast und natürlich für frischen Kaffee. Marco stand neben mir. "Kannst du mir auch Rührei bestellen?" Fragte er mich. Er stand nur ein paar Zentimeter von mir entfernt und jagte mir einen kleinen Schauer über den Rücken. "Ja sicher!" Lächelte ich. Er schaute zu mir hinab und sein Geruch stieg mir in die Nase. Vertraut und anziehend zu gleich, vernebelte es mir leicht die Sinne. Etwas verlegen blickte ich zu ihm auf. "Danke dass du gekommen bist!" Lächelte ich ihn ernstgemeint an. Ich hatte Spaß mit ihm und fühlte mich wohl in seiner Gegenwart. "Schon gut!" Sagte er leise und legte einen Augenblick seine Hand auf meinen Rücken. Ich schaute zu ihm auf und die Peinlichkeit, dass ich ihn angerufen hatte, ließ langsam bei mir nach. Dann setzte ich mich an einen leeren Tisch. Marco reichte mir einen Minztee. "Minztee?" Fragte ich ihn, denn ich hätte gerne Kaffee getrunken. "Ja das entgiftet, du kannst ja nicht die ganze Zeit Kaffee trinken!" Lächelte er mich liebevoll an und setzte sich zu mir. Gedankenverloren strich er sich durch die Haare. Er hatte diesen engen, cremefarbenen Pullover an, der durch rote breite Nähte zu etwas besonderem wurde. Irgendwie betonte dieser seine gutdefinierten Oberkörper. Ich fragte mich warum ich mir überhaupt da drüber Gedanken machte? Interessierte ich mich wirklich dafür, ob der Pullover gut an ihm aussah oder nicht? Oder interessierte es mich das er hier bei mir war? Ich war verwirrt, doch die Kellnerin die zu uns kam und uns das Frühstück brachte holte mich in die Realität zurück. Sie strahlte, als sie Marco sah und lächelte ihn so an, als wäre ich Luft. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie es war überall auf der Welt erkannt zu werden. "Kann ich euch noch etwas bringen?" Fragte sie auf Holländisch. "Nein Danke!" Sagte ich auf Deutsch und nippte an meinem Tee. Die Kellnerin verschwand mies gelaunt, doch das war mir gerade ziemlich egal. Mit einem Lächeln lehnte ich mich zurück. "Reagieren Frauen immer so auf dich?" Fragte Marco mich amüsiert. "Was meinst du?" Fragte ich irritiert. "Na so..." Grinste er wie ein Honigkuchenpferd und deutete mit dem Zeigefinger in ihre Richtung. "Frauen mögen mich nicht sonderlich!" Gab ich ehrlich zu. Er lächelte ebenfalls. "Warum nur?" Fing er anzulachen und spielte mit dem Löffel seines Tees herum. Ich sah ihn gerne so, denn er schien sehr entspannt, ja fast relaxt. Entspannter wie ich ihn sonst kannte oder wie ich ihn bisher erlebt hatte. Er war hier bei mir, der Fußballsuperstar, aber jetzt gerade er war einfach nur Marco, beim Frühstücken in Amsterdam.
Wir frühstückten, ehe wir uns auf den Weg zu mir nachhause machten. Es war mir ein wenig unangenehm ihn dort mit hinzunehmen. Im Haus musste einiges gemacht werden, ich wollte zum Beispiel neu streichen lassen, wenn ich das Geld hätte, hätte ich vielleicht auch ein paar Wände weggenommen um es alles luftiger und größer werden zu lassen. Mein Elternhaus war wie alle Häuser in Amsterdam recht schmal. Das gesamte Baumaterial musste über einen Lastenaufzug angeliefert werden, was eine Sanierung für mich noch teurer machte. Mir war es auch unangenehm, weil ich wusste, das Marco in einer Villa wohnte und sich nie Gedanken um Geld für eine Renovierung machen musste. Ich bin ehrlich, in dem Moment war es für mich totale Überforderung. "Hier wohnst du also?" Fragte er mich neugierig. "Es ist mein Elternhaus!" Gab ich leise zu. "Und wo sind deine Eltern?" Fragte er mich ohne Hintergedanken. Ich sah ihn an. Das war ein Grund warum ich ungern Menschen so nah an mich ranließ. Da erwartete man Ehrlichkeit und über meine Eltern sprach ich nie gerne. "Sie sind Tod!" Sagte ich leise und kramte nach meinem Haustürschlüssel. Ich wusste welche Reaktion jetzt kommen würde und ich hielt das nur schwer aus. "Tut mir leid!" Sagte er fast tonlos. "Naja es ist wie es ist!" Sagte ich berührt und redete mir Mut zu weiter zu sprechen. "Meine Mutter starb bereits kurz nach meiner Geburt, mein Vater ist bei einem Motorradunfall vor drei Jahren gestorben!" Erklärte ich ihm kurz, um keine weiteren Fragen zu zulassen. Denn ich hatte beim besten Willen keine Lust noch mal auf diesen Thema einzugehen. Als er nichts sagte, fuhr ich fort: "Du solltest das eigentlich gar nicht wissen..." Rutschte es kopfschüttelnd aus mir heraus. "Keine Sorge, ich behalte es für mich!" Versicherte er mir, als ich die Hautüre aufschloss. "Ein tolles Haus!" Sagte er und schaute sich um. "Hier muss ziemlich viel gemacht werden!" Gab ich zu und fuhr fort. "Aber ich bin froh, dass ich es bisher behalten konnte!" Sagte ich ihm und so war es auch. Alles Geld was ich mit meinen diversen Jobs verdiente landete hier. "Du kannst stolz auf dich sein!" Sagte er mir. "Lass es uns einfach Tod schweigen!" Bat ich ihn und holte meine Sachen. Er musste Grinsen. "Ich meine Schweigen, nicht Tod!" Stotterte ich fast, als mir klar wurde, welche Wörter ich gewählt hatte. Marco schmunzelte niedlich, als hätte er es gekonnt überhört. "Guck dich ruhig um." Bot ich ihm an, denn ich brauchte ein paar Minuten um meine Sachen für Köln zusammen zu packen. Als ich meine Sachen gepackt hatte, ging ich wieder zu ihm. "Ich bin startklar!" Sagte ich beruhigt, dass ich rechtzeitig wieder in Köln sein würde. Marco stand vor einem Foto und schaute es sich genau an. Es war ein altes Kinder-Foto von mir. Ich war vielleicht vier Jahre alt und tanzte zwischen den Gräsern einer blühenden Sommerwiese. Mein Vater hatte es in einem Schwedenurlaub von mir gemacht und vergrößern lassen. "Bist du das?" Fragte er mich neugierig. "Ja!" Lächelte ich ihn verlegen an. "Es ist toll. Man erkennt direkt das du das bist." Lächelte er vergnügt. "Wolltest du immer schon Tänzerin werden?" Fragte er mich und lehnte sich gegen den Türrahmen, um an mir hinab zu blickten. Er schaute mich einfach an, während er seine Hände gegen das Holz stützte. Mit seinem Oberkörper kippelte er dabei hin und her. "Nein eigentlich wollte ich mal Urologe werden!" Rutschte es mir hinaus. Marco schaute mich an und fing schallend anzulachen. "Du bist mir ein Früchtchen." Sagte er ruhig. Da stand er, in gutsitzenden Jeans, schweren Boots und diesem umwerfenden hautengen Pullover. Er war sehr schlank, und sein Haar war akkurat geschnitten. Marco trug ein paar runde Brillanten als Ohrstecker und hatte eine teure silberne Uhr ums Handgelenk gebunden. Ich fragte mich einen Augenblick wie lange er brauchte um seine Haare zu machen, geschweige denn wie diese morgens nach dem Aufstehen aussahen. Ich mochte es, wenn er lachte und ich mochte es ihn so entspannt zu sehen. Er stand nur ein paar Zentimeter von mir entfernt und schaute immer noch auf das Kinderbild.
Schließlich nahm er mir meine Tasche ab. "Hast du alles?" Fragte er mich. Es war Zeit wieder in den Alltag abzutauchen. "Ja ich denke schon!" Murmelte ich, nahm meinen Schlüssel und wir machten schließlich auf den Weg zu seinem Wagen. Vor mir stand ein dickes Mercedes Coupé. "Du fährst Mercedes?" Fragte ich ihn überrascht. Letztens hatte er doch noch ein anderes Auto. "Ich habe ein paar Autos!" Gab er grinsend zu, öffnete den Kofferraum und packte meine Tasche hinein. "Steig ein!" Lächelte er mich an. Die Türen gingen nicht normal auf, sondern es waren Flügeltüren. Die Tür ging also nach oben auf und überforderten mich maßlos. Als er sah das ich meine Schwierigkeiten damit hatte, kam er zu mir hinüber, öffnet sie, wartete bis ich eingestiegen war und schloss die Tür hinter mir. "Ich hätte den anderen Wagen nehmen sollen..." Begann er, als würde er sich entschuldigen. "Es ist ein tolles Auto!" Versicherte ich ihm, als er zu mir einstieg. Als er losfuhr, ging die Musik laut an und der Bass dröhnte. Er hörte amerikanischen Rap und machte gleich leiser. "Du hörst Rap?" Fragte ich ihn überrascht. "Ja warum denn nicht?" Lächelte er belustigt. "Keine Ahnung, ich dachte du hörst Schlager!" Zog ich ihn auf und machte es mir neben ihm gemütlich. Er schwieg einen Moment, doch das Lächeln auf seinen Lippen verriet, dass er mir nicht sonderlich böse war. "Danke dass du gekommen bist!" Sagte ich zu ihm. "Wenn du dich noch einmal bedankst, dann..." "Was dann?" Grinste ich und drehte die Musik wieder lauter. Sollte er doch reden, ich hörte ihm einfach nicht mehr zu. Ich schaute aus dem Fenster und mein Kopf bewegte sich automatisch zum Beat. Es war ein guter Moment, denn es fühlte sich Vertraut an. Und ich vertraute eigentlich niemanden. Doch Marco gab mir überhaupt keinen Grund warum ich ihm nicht trauen sollte. Außer er meldete sich für vier Tage nicht, dann würde ich ihn wahrscheinlich mitten in der Nacht wieder anrufen.


Dance // Marco ReusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt