84. Alles nur in deinem Kopf!

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Bos Sicht

In Köln regnete es wie verrückt, während ich parkte und meine Tasche vom Rücksitz einsammelte, eilte ich mich ins Tanzstudio zu kommen. Die paar Meter reichten allerdings aus, damit ich vollkommen durchnässt vom Regen war. Zu meiner Überraschung war Evgeny nicht allein im Spiegelsaal. Pepe war da und er hatte eine strengblickende Frau bei sich. „Bo das ist Alina!" Stellte uns der Spanier augenblicklich vor. „Alina wollte euch mal tanzen sehen!" Erklärte er mir beiläufig. „Ich bin nass!" Lächelte ich etwas peinlich berührt und begrüßte kurz meinen Tanzpartner. Evgeny strahlte mich an. „Also du weißt wer sie ist, oder?" Flüsterte er mir zu. „Wer?" Fragte ich irritiert. „Alina ist Weltmeisterin, sie wollte dich unbedingt sehen!" Grinste Evgeny und wärmte sich auf. „Du machst Witze?" Fragte ich ein wenig panisch, denn ich war für so etwas nicht vorbereitet. „Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass uns die Zeit weg lief bis zum Turnier." Gab mein Tanzpartner zu. Normalerweise war da Evgeny um einiges entspannter als ich. „Ich geh mich eben umziehen!" Lachte ich über meine Unsicherheit hinweg und verschwand für ein paar Minuten in der Umkleide. Ich zog mich um, dabei war ich froh, dass ich noch ein wirkliches Tanzkleid eingepackt hatte. Der kurze Fummel war genau nach meinem Geschmack und das zog ich eben über. Geduldig warteten die anderen auf mich. Ich begann sofort mich aufzuwärmen, als eine weitere junge Frau kam. Ich war überrascht sie zu sehen, Christina hatte ebenfalls bei Lets Dance getanzt und wusste, dass Evgeny und sie lange Jahre zusammen getanzt und noch vor ein paar Monaten ein Liebespaar gewesen waren. Ich war ziemlich überrascht, doch noch überraschter schien Evgeny über ihren Besuch zu sein. „Was ein lustiger Tag!" Gab er zu, während ich ihn anblickte. „Hast du mir was zu erzählen?" Zog ich ihn auf. „Nein eigentlich nicht. Ich weiß nicht, was sie hier macht!" Flüsterte er mir leise in mein Ohr. „Ignorieren!" Gab ich ihm den Tipp, während er mir die Hand reichte. „Dann wollen wir mal loslegen!" Sagte er und Evgeny hatte das erste Mal dieses Feuer in den Augen. Er wollte es seiner Ex zeigen und da wir mehr und mehr ein Team wurden, wollte ich ihm diesen Gefallen tun. Ich hatte nur Panik vor der Weltmeisterin. „Weißt du eigentlich, dass ich gerne mit dir tanze?" Lächelte ich ihn an, als wir unsere Position einnahmen um mich von den negativen Gedanken zu befreien. Der Cha-Cha-Cha wird klein und ohne ausladende Bewegungen getanzt, das heißt die Schritte werden stets auf dem ganzen Fuß angesetzt und die Füße kaum vom Boden gehoben. Beim Chassé schleifen die Füße über das Parkett, als wollte man ein Blatt Papier über den Boden schieben. Die Hüftbewegung beim Chassé entsteht dadurch, dass die Schritte mit gebeugtem Knie angesetzt werden, wodurch sich die Hüfte wechselseitig absenkt. Der Grundschritt zeichnet sich durch eine leichte Vorwärts-Rückwärts-Bewegung aus. Der Tanz war Gift für mein Knie, aber ich liebte es. Evgeny hatte diese Attitüde an sich, die ich so an einem Mann bewunderte. Marco hatte auch diese Gehabe, nur das er auf mich hundert Mal anziehender wirkte. Wenn Marco tanzen würde, dann würde ich alles dafür geben seine Tanz-Partnerin zu sein. Ich war überwältigt von ihm - immer noch. „Yalla, yalla!" Mahnte mich mein Tanzpartner und ich konzentrierte mich wieder vollkommen auf ihn. Ich setzte die Schritte präziser, fokussierte mich mehr und mehr auf den Augenblick und konzentrierte mich noch stärker. Nach dem Cha-Cha-Cha wechselten wir in die Rumba und die Rumba war definitiv eins unser Steckpferde. Rumba war so unglaublich weiblich, ich liebte es mich so zu fühlen und ich liebte diesen Tanz. Allerdings hatte ich immer noch bei ein paar Bewegungsabläufe mit meinem Knie Schwierigkeiten. Mein Knie machte an manchen Stellen und Bewegungsabläufen nicht so mit wie ich es wollte. Evgeny wusste instinktiv, wann ich Schmerzen hatte und unterstützte mich so gut er konnte, aber die Angst mich erneut zur Verletzen war allgegenwärtig und auch Evgeny konnte mir diese nicht nehmen. Als Tanzpaar ignorierten wir die Anwesenden, doch ich spürte die Blick der Anwesenden. Evgeny wirbelte mitkriegen über die Tanzfläche, links, rechts, links, nach vorne, Drehung... Waren wir wirklich so gut, wie ich es dachte? Waren wir wirklich so gut, wie es sich anfühlte? Wir machten nach den beiden Tänzen eine Pause. Pepes Blick verriet mir augenblicklich die Realität und ich entspannte mich, bei seinem zustimmenden Nicken. Pepe war immer unglaublich kritisch gewesen und ich vertraute seinem Urteil. Ich tupfte mir den Schweiß von der Stirn und nahm einen großen Schluck Wasser. „Und, ist es so schlimm?" Fragte ich in die Runde. Pepe begann: „Nun Kleinigkeiten, du hast Probleme wenn es in die Linksbewegungen geht. Dass ist logisch aufgrund deines Knies." Begann er, während Alina mich anlächelte. „Ihr harmoniert gut, ihr könntet noch ein wenig mehr am Takt arbeiten. Ihr könnt variieren und präzise vor oder mit dem Takt agieren." Ich wusste, dass ich immer noch nicht auf dem höchsten Punkt meines Leistungsniveau war und das Alina Recht hatte. „Mein Knie macht manchmal immer noch Probleme!" Gab ich ehrlich zu. „Es ist nur dein Kopf!" Beschwerte sich Evgeny ein klein wenig. Genervt knuffte ich ihm in die Seite. Pepe legte seinen Arm um meine Schulter und küsste meine Schläfe. „Ihr seit jetzt schon, besser wie ich es je wahr." Zog er mich auf. Es tröstete mich nicht, aber ich vertraute ihrem Urteil. Evgeny ging und redete mit Christina. Ich fachsimpelte mit den anderen. Alina korrigierte meine Körperhaltung und langsam leckte ich Blut, denn es ging immer noch nur um eins ums Tanzen. Allerdings verlief das Gespräch zwischen den beiden nicht so, wie ich es gehofft hatte. Denn Christina verschwand und Evgeny war danach deutlich angespannter als zuvor. „Ist alles in Ordnung bei dir?" Fragte ich ihn. „Wie wäre es mit Jive?" Fragte er mich. Ich hatte immer noch den größten Respekt vor dem schnellen Tanz. Doch ich fühlte mich fit und scheinbar brauchte Evgeny ein Ventil zum Druck ablassen. Also tanzten wir, zuerst Jive, dann Samba, Paso Double um dann von Lateinamerikanischen Tänzen zum Standard zu wechseln. Beim Standard, geriet Alina ins Schwärmen. Egal ob Quick Step oder Foxtrott. Mein Herz hing so oder so am Tango. Allerdings war ich nach einer Stunde fix und fertig. Ich schwitzte und mein Knie schmerzte, also setzte ich mich einfach nur noch auf den Boden. Pepe korrigierte ein wenig was an der Körperhaltung von Evgeny, während Alina auf mich einträllerte. „Wollen wir noch ins Link?" Fragte ich in die Runde. Ein alkoholfreier Cocktail war jetzt genau das was ich brauchte. „Auf jeden Fall!" Grinste Pepe und nach ein paar Minuten frisch machen, gingen wir noch in die Bar und genehmigten uns ein paar Cocktails. Evgeny war unglaublich witzig, Pepe und er waren mittlerweile richtig gut befreundet. Wenn er in Deutschland war, trafen sie sich eigentlich immer. Ich sah die beiden gerne zusammen. Ich war näher dran wieder tanzen zu können als je zuvor...

Dance // Marco ReusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt