20. Ja, ich beschwere mich bei dir!

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Majorleins Sicht

Am frühen Morgen fuhr ich mit dem Zug nach Amsterdam. Bereits um kurz nach acht, kam ich am Hauptbahnhof an. Ich war wirklich froh für ein paar Stunden aus Köln rauszukommen. Zum Glück kam ich gut durch und holte mir auf den Weg zu meiner Wohnung, etwas zum Frühstücken. Ich lief die Gracht entlang, ehe ich endlich zuhause ankam und nach oben in die Wohnung ging. Es war still, doch das war es seit Jahren. Manchmal fühlte ich mich gefangen in der Vergangenheit. Mir fiel auf, das ich dringend renovieren musste. Mit dem Geld aus der Bar, konnte ich es mir vielleicht das erste Mal erlauben, in meinem Elternhaus, etwas verändern zu lassen. Es musste gestrichen werden, die Türrahmen mussten überholt werden und ich hätte gerne eine Wand entfernt. Ich machte mir einen Kaffee, setzte mich auf meinem Lieblingsplatz und schaute aus dem Fenster. Unten auf der Straße herrschte reges Treiben. Ich saß einfach nur da und genoss die Ruhe. Um ehrlich zu sein, saß ich meine Probleme gerade einfach aus. Im Haus musste viel gemacht werden, doch an einem Tag würde ich das nicht schaffen und das wusste ich. Naja manchmal ist es eben einfacher nichts zu tun als seinen Problemen ins Gesicht zu schauen. Wirklich lange hielt ich die Stille aber nicht aus und rief schließlich meine Freundinnen an, um mich mit ihnen zu verabreden. Tatsächlich hatte ich Lust auszugehen, vielleicht hatte ich auch mal wieder Lust auf ein zwangloses Abenteuer. Gott dachte ich wirklich daran? Ich brauchte Ablenkung von dem Kölner Chaos und das mit allen Konsequenzen. In Köln müsste ich nur mit dem Fingern schnippen und dann hätte ich Abenteuer genug. Pepe, Roman, Julian, die Kerle gaben sich die Klinke in die Hand. Man ich war wirklich nicht bei der Sache, also ging ich in die zweite Etage, dort hatte ich ein Zimmer, wo nur ein Laufband und ein paar Fitnessgeräte standen. Wenn es regnete, verbrachte ich hier oft meine Trainingseinheiten. Zuerst setzte ich meinen Beats-Kopfhörer auf und machte laut Musik an, so laut das ich nichts anderes hören konnte, keine Klingel, kein Telefon, rein gar nichts. Der Beat gab meinen Herzschlag vor, als ich anfing zu joggen. Ich wollte laufen, bis ich keine Luft mehr bekam. Laufen bis ich den Kopf frei bekam. Ab und zu lief ich ganz gerne, obwohl es manchmal ein wenig stupide war, einen Fuß vor den anderen zu setzten. Doch so hielt ich mich fit. Immerhin waren es nur noch drei Tage bis zu meinem nächsten Auftritt. Allerdings war ich deutlich entspannter wie bei der ersten Show. Viel peinlicher konnte es unmöglich werden. Nach dem ich mich abgeregt hatte, ging ich duschen. Während ich mich fertig machte, kümmerte ich mich noch mal intensiv um meine Hüfte. Die Prellung bereitete mir immer noch Schwierigkeiten. Trotz Schmerzsalben und Tabletten half es nicht wirklich. Es brauchte Zeit und mit dem ganzen harten Training würde es nur noch länger dauern. Nach dem ich meine Tasche zusammengeklaubt hatte, machte ich mich also auf den Weg zu meinen Freunden. Sie saßen bereits in einer Bar und tranken die ersten Drinks. "Oh mein Gott, da ist ja der Superstar!" Lachte meine beste Freundin Yolanda. "Ach ihr spinnt doch!" Kicherte ich und setzte mich zu ihnen. Ich war gerne bei ihnen und verbrachte gerne Zeit mit ihnen. Es war wie früher, als wir noch zusammen zur Schule gingen. Auch wenn ich die Gruppe früh fürs Tanzen verlassen hatte, war ich immer ein Teil von ihnen gewesen. Im Gegensatz zu ihnen hatte ich meinen Abschluss immerhin in London gemacht. "Was machst du hier? Du solltest doch sicherlich trainieren!" Fragte sie mich. "Ich muss morgen Mittag bereits zurück!" Sagte ich gedankenverloren. "Wie willst du das denn machen? Morgen wird gestreikt!" Erklärte mir Adam. "Wie gestreikt?"  Fragte ich kopfschüttelnd. "Hast du es nicht mitbekommen, die wollen mehr Geld!" Grinste er amüsiert. "Verdammt, wie komme ich zurück? Pepe wird mich umbringen, wenn ich nicht pünktlich in Köln bin!" Dachte ich laut. "Jetzt trink erst mal was, uns fällt schon eine Lösung ein!" Ich setzte den Drink an und kippte ihn in einem Zug hinunter. "Noch eine Runde!" Lachte ich, denn ich wollte mich betrinken und meine Sorgen vergessen. Wenigstens heute wollte ich alles um einfach nur vergessen und einfach mal aufhören zu denken. Doch die Trink-Taktik hielt nicht wirklich lange. Nach vier Drinks, war ich bereits reichlich angetrunken und das alles noch bevor wir überhaupt in irgendeinen Club zum Tanzen gingen. Eigentlich wäre dass der perfekte Zeitpunkt gewesen, um wieder nachhause zu fahren, doch stattdessen ließ ich mich überreden mit in diesen Club zu gehen. So war das mit dem Alkohol, man ließ sich auf Dinge ein die man im nüchternen Kopf wahrscheinlich nicht getan hätte. Ich harkte mich bei Smity unter und ließ mich von ihm führen. Smity war in der der Schulzeit furchtbar in mich verliebt gewesen, aber wie das manchmal so ist, war ich es nicht gewesen. Irgendwann hatte er sich damit abgefunden und seitdem waren wir ziemlich gut befreundet. "Wie läuft es in der Liebe?" Fragte er mich neugierig. "Oh die Liebe, die Liebe ist gut!" Lachte ich und fuhr fort. "Nur nicht für mich." Sagte ich achselzuckend und wild gestikulierend. "Was geht denn mit deinem Tanzpartner?" Fragte er mich neugierig. "Man liest ziemlich viel auf diesen Regenbogenseiten!" Fügte er amüsiert hinzu. "Nichts geht da!" Sagte ich sofort und lächelte ihn an. "Aber Pepe bringt mich um, wenn ich morgen um 17 Uhr nicht in Köln bin!" "Warum hast du denn auch keinen Führerschein?" Lachte er und ich schlug ihm gegen den Oberarm. "Ich habe einen, aber ich bin seit London nicht mehr auf der richtigen Seite gefahren und hier fährt man eben verkehrt herum!"  Grinste ich und genoss den Hauch von Schwindel. "Du hast doch bestimmt eine Menge Verehrer?" Fragte er mich. "Nein, aber man hat mir letztens Blumen geschenkt!" Platzte es aus mir hinaus, als wäre es die einzige Sorge. "Blumen?" Grinste er, als wäre das etwas besonderes. "Ja tolle Blumen!" Schwärmte ich viel zu angetrunken. "Du bekommst doch sicherlich ständig Blumen oder?" "Ja ich meine Nein!" Sagte ich und sah zu ihm auf. "Und wer ist der Glückliche?" Fragte Smity mich amüsiert. "Er ist Fußballer!" Gab ich wildgestikulierend zu. "Du und ein Fußballer?" Lachte er nun. "Da ist doch gar nichts!" Beschwerte ich mich bei ihm, als würde Smity etwas dafür können. Wir gingen in den Club, der Türsteher lächelte mich freundlich an. "Guten Abend hübsche Frau!" "Guten Abend Fremder!" Sagte ich und bohrte überschwänglich meinen Zeigefinger gegen seine Brust. Smity hielt mich ab. Doch der Türsteher grinste mich an, als Smity mich an sich zog. "Du kleines freches Ding!" Grinste der Türsteher mich an und machte mir galant die Türe auf. "Das ist alles Marco schuld!" Beschwerte ich mich bei Smity, als wir zur Bar gingen. "Dafür das dazwischen euch nichts ist, redest du die ganze Zeit von ihm!" Bemerkte er und schenkte mir ein mitleidiges Lächeln. "Nein, tue ich nicht! Er meldet sich ja nicht mehr bei mir und das mit dem Laden, habe ich dir noch gar nicht erzählt." Smity reichte mir einen Drink, doch meine Laune war im Keller und das Getränk hätte ich lieber stehen lassen sollen. Denn danach kam ich auf die glorreiche Idee Marco anzurufen. Egal wie sehr auch Smity versuchte mich davon abzubringen, das klappte nicht. Ich verließ den Club vorbei am Türsteher und fischte nach meinem Handy. Ich tippte die Nummer an und rief Marco an. Es war mir egal, das wir weit nach zwölf Uhr hatten, denn zu meiner Überraschung ging er gleich ran. "Ja?" Fragte er mich einen Hauch verwundert. "Du lebst ja noch!" Brummte ich einfallslos. "Bo?" Fragte er irritiert. "Nee der Weihnachtsmann!" Sagte ich viel zu theatralisch. "Weißt du wie viel Uhr wir haben?" Fragte er mich ruhig. "Keine Ahnung, weißt du das es nicht höflich ist, einer Frau Blumen zu schicken, sich dann nicht mehr zu melden und ihr dann aus dem Weg zu gehen?" Meine innere Göttin tanzte Lambada, weil ich ihm gesagt hatte was mich beschäftigt. "Bist du betrunken?" Fragte er mich einen Hauch amüsiert und das Hochgefühl meiner innerer Göttin war augenblicklich verschwunden. "Ja ich glaube schon, das ich betrunken bin!" Gab ich zu und kratzte mich verlegen am Hinterkopf. Erst da wurde mir klar, was ich da gerade getan hatte. Ich rief ihn betrunken mitten in der Nacht an. Hey das hatte ich ja mal wieder richtig toll hingekriegt. "Also du bist betrunken und rufst mich an?" Fragte er mich noch einmal. "Na warum denn nicht? Ich habe mich gemeldet, im Gegensatz zu dir!" Zischte ich mit einem Hauch einer viel zu piepsigen Stimme. "Du rufst mich also mitten in der Nacht an um dich bei mir zu beschweren?" Fragte er mich noch einmal. Jetzt fiel mir kein Grund mehr  ein und ich verfluchte den Alkohol. "Ja ich beschwere mich bei dir!" Warf ich ein, während er anfing zu lachen. "Und was ist der Grund deiner Beschwerde?" Fragte er mich, während ich mich in den hohen Hacken gegen die nächste Wand lehnte. "Du hast dich nicht bei mir gemeldet!" Sagte ich noch einmal. "Ich habe gedacht du wärest beschäftigt..." Sagte er mir einen Hauch zu schnell. Ich legte die Stirn in Falten. "Beschäftigt?" Fragte ich noch einmal und versuchte eine bequeme Position an der schiefen Hauswand zubekommen. "Ja, beschäftigt mit deinem Tanzpartner!" Sagte er kurzum. "Wir sind nur befreundet!" Murmelte ich, während ich über seinen Satz nachdachte und fuhr fort. "Warum rechtfertige ich mich eigentlich bei dir? Du hast dich nicht bei mir gemeldet! Du bist Schuld - Basta." Ein paar Leute gingen an mir vorbei und lachten laut. "Wo bist du?" Fragte Marco ruhig. "In Amsterdam!" Sagte ich so beiläufig wie ich konnte. "Ich komme zwar nie wieder zurück, bekomme riesigen Ärger, weil ich die nächste Fernsehsendung verpasse, aber ja, ich bin Zuhause!" "Wie du kommst nicht zurück?" Unterbrach er mich irritiert. "Die Bahn streikt und ich hänge hier fest und ich muss morgen um 17 Uhr bei der Probe sein. Wenn ich nicht..." "Hey Puppe!" Unterbrach mich ein junger Mann. "Wie viel kostest du denn die Stunde? Also nicht das ich eine ganze mit dir verbringen will, mir reichen schon ein paar Minuten." "Was fällt dir ein?" Zischte ich den Fremden unfreundlich an. "Stell dich nicht so an!" Sagte der Fremde, während ich das Telefon hinunter nahm. "Lass mich in Ruhe! Verpiss dich." Sagte ich nun deutlich lauter. Ich hörte wie Marco mit mir sprach, allerdings bekam ich irgendwie Angst vor meinem fremden Gegenüber. "So ein schönes Ding!" Sagte er gruselig zu mir und kam mir immer näher. "Alles okay?" Rief der Türsteher des Clubs zu mir hinüber. Ich lief schnellen Schrittes zu ihm hinüber. "Er hält mich für eine Boardsteinschwalbe!" Sagte ich und deutete auf den Fremden. "Geh rein!" Bat er mich und schob mich wieder in den Club. Erst da nahm ich wieder mein Handy ans Ohr. "Ist alles okay?" Fragte Marco mich ein wenig aufgelöst. "Ja nur so ein komischer Kerl!" "Ich hol dich morgen früh ab!" Sagte er ruhig zu mir. Erst verstand ich nicht was er meinte.  "Ich will ja nicht schuld sein, wenn du Ärger kriegst..." Fuhr Marco fort. Ich hörte ihn kaum, die Musik war laut und mir wurde klar das ich ihn nicht hätte anrufen sollen. "Ich hätte dich nicht anrufen sollen!" Sagte ich ihm. "Nun du hast mich aber angerufen und mich um Hilfe gebeten. Jetzt komme ich um dir zu helfen." Sagte er laut. "Okay!" Rief ich. "Trink nicht mehr so viel und nimm dir ein Taxi nachhause!" Sagte er milde. "Tut mir leid, ich hör dich schlecht." Ich suchte mir eine ruhigere Ecke. Dort war es nicht ganz so laut. Marco und ich sprachen nicht weiter, aber ich hörte seinen Atem. "Kommst du sicher nachhause?" Fragte er mich noch einmal. "Ja Yolanda und Smity sind hier!" "Okay, mach keinen Unsinn!" "Mach ich nicht!" Versicherte ich ihm und wir schwiegen noch einmal. "Gute Nacht!" Sagte er schließlich leise. "Gute Nacht!" Wiederholte ich und legte auf. Oh mein Gott was hatte ich nur getan? Warum hatte ich ihn nur angerufen? Warum war er nur dran gegangen? Was zum Teufel hatte ich mir nur dabei gedacht? Was musste er denn von mir denken? Oh mein Gott war das Peinlich. Vor lauter Panik ging ich erneut an die Bar und holte mir einen weiteren Drink und suchte nach Smity und Yolanda. Doch das Telefonat ging mir einfach nicht aus dem Kopf. Wie konnte ich ihn nur mitten in der Nacht anrufen?

Dance // Marco ReusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt