78. Ober-Testosteron-Typ

503 54 1
                                    

Marcos Sicht

Schnellen Schrittes betrat ich die Tanzschule, ich konnte es kaum noch abwarten Bo zu sehen. Ich war ein paar Tage mit der Nationalmannschaft unterwegs gewesen, nach der desaströsen Weltmeisterschaft herrschte ein wenig dicke Luft beim DFB und wir trainierten nun öfters miteinander - freiwillig natürlich und gut bezahlt. Ich wollte nur noch zu Bo und sie unbedingt wiedersehen. Ich vermisste sie immer, wenn sie nicht bei mir war. Was ich allerdings in der Tanzschule vorfand, überraschte mich dann doch ziemlich. Meine Freundin tanzte mit einem Kerl, den ich aus dieser Fernsehserie Lets Dance kannte. In der letzten Staffel hatte er mit so einer Bachlortante getanzt. Ich wusste das Bo mir davon erzählt hatte, dass der Kerl ein guter Tanzpartner für sie wäre. Bo drehte mit dem Kerl eine elegante Runde übers Parkett. Dabei umfasste er sie unmittelbar unter der Brust mit der einen Hand, während er die andere um ihre Hüfte geschlungen hatten. Sie tanzten so eng miteinander, das es mir fast körperliche Schmerzen bereitete. Ich wollte nicht das jemand außer mir Bo so anfasste. Ich hatte gesehen wie Pepe sie angefasst hatte, aber dieser Kerl fasste sie irgendwie ganz anders an. Kurzzeitig hatte ich das Gefühl durchzudrehen, auf ihn zu zustürmen und ihm die Nase zu zertrümmern. „Hey Marco!" Begrüßte mich Pepe und beobachtete die beiden weiter beim tanzen. „Sie tanzt!" Flüsterte ich ihm dennoch begeistert zu. „Ja aber fit ist sie noch lange nicht!" Sagte er leise zu mir. Für mich sah es schon ziemlich gut aus. „Schatz!" Rief Bo mir zu und sie hörten sofort auf zu tanzen. Sie kam zu mir und schlang die Arme um mich, ehe sie mich einfach vor den anderen küsste. Ich erwiderte ihren Kuss natürlich und schaute dennoch kurz zu ihrem Tanzpartner hinüber. Sollte er ruhig sehen, dass sie zu mir gehörte. Als sie von mir abließ, küsste ich sie noch einmal und legte im Anschluß meinen Arm um ihre Schultern. „Kennt ihr euch?" Fragte sie mich und deutete auf den jungen Mann. „Evgeny Vinokourov!" Stellte er sich als erstes bei mir vor und wir schüttelten uns die Hände. „Marco Reus!" Betonte ich meinen Namen, als würde er da durch wissen wer ich bin. „Du hast getanzt!" Lächelte ich meine Freundin stolz an, als hätte ich ihrem Tanzpartner nicht mehr zu sagen. „Evgeny wohnt jetzt in Köln." Erklärte sie mir. „Ich könnte mit ihm trainieren!" Sagte sie fröhlich, als seien dass die besten Nachrichten des Tages. „Was macht dein Knie?" Fragte ich meine Freundin besorgt. „Es tut weh!" Gab sie zu. „Dann höre auf für heute!" Mahnte ich sie, außerdem wollte ich sie nicht weiter tanzen sehen mit diesem Kerl. Doch scheinbar hatten die Drei bereits beschlossen, das man zusammen tanzen wollte. Majorlein hatte mich nicht einmal gefragt und mir war sofort klar, dass ich eifersüchtig auf ihn war. Ich liebte die Frau und ich würde sie niemals teilen wollen. Natürlich hatte ich auch schon vorher Frauen geliebt, aber ich hatte noch nie eine so geliebt wie sie. Wenn mich jemand fragen würde, ob ich jemanden heiraten würde, dann würde ich Bo sofort auf der Stelle heiraten. Dachte ich gerade wirklich darüber nach? Wollte ich sie wirklich heiraten? Konnte ich mir vorstellen Kinder mit ihr zu haben? Ich konnte mir wirklich vorstellen alles das zu tun. Ja all das wollte ich je länger ich darüber nachdachte und es machte mir augenblicklich Angst. Ich war kein Typ der teilte und schon gar nicht mit diesem komischen Kerl. Meine Familie liebte sie über alles, meine Eltern waren regelrecht verrückt nach ihr. Allein deswegen konnte ich wahrscheinlich nie wieder mit einer Frau nachhause kommen. Evgeny schien gut gelaunt und das meine Freundin dafür verantwortlich war, das wollte ich mir auf gar keinen Fall weiter vorstellen oder auch nur einen weiteren Gedanken daran verschwenden. Ich war froh, als wir uns endlich von Pepe und dem Fremden verabschiedeten und Bo und ich wieder alleine waren. „Wo kommen die beiden her?" Fragte ich sie aus. „Ich hab keine Ahnung, sie waren mit Robin verabredet glaube ich." Sie sah mich fragend an. „Ich habe getanzt!" Grinste sie und hatte diesen niedlichen, freudigen Unterton. „Ich weiß!" Lächelte ich sie zuversichtlich und liebevoll an. Ich streichelte ihr über den Oberarm und strich ihr eine der langen Locken aus dem Gesicht. Die Vorstellung sie an einen gutaussehenden, beweglichen Tanzbären zu verlieren, versetzte mir einen Stich ins Herz. „Oh dieses Lächeln kenne ich, was ist los?" Fragte sie mich und rollte niedlich mit den Augenbrauen. „Er fasst dich an." Sagte ich sofort zu ihr und sie lächelte mich nun zuckersüß an. „Nun Evgeny ist ein sehr guter Tänzer, er hat die ideale Größe für mich! Du weißt, Pepe ist eigentlich zu groß für mich." Plapperte sie sich die Geschichte mit dem jungen Mann schön. „Er fasst dich anders an als Pepe!" Sagte ich klipp und klar. „Jetzt sag nicht, dass du eifersüchtig bist..." Zog sie mich sofort auf. „Nein natürlich nicht!" Schmollte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. „Oh man, du wirst wieder mit ihm tanzen oder?" Jetzt strich ich mir durchs Haar und steckte die andere Hand in die Hosentasche. „Du verstehst nicht, es ist so als könnte ich mit Messi tanzen..." Versuchte sie es mir zu erklären. „Er ist also wie Messi?" Fragte ich sie fordernd. „Ich bin vollkommen untrainiert und kann froh sein, wenn er mit mir tanzt!" Ich verstand einfach nicht was sie meinte, aber sie hätte auch von Waschpulver erzählen können und ich hätte ihr wahrscheinlich nicht geglaubt. Ich war immer noch so eifersüchtig, dass mir fast schlecht vom Adrenalin war. Wo kam auf einmal nur dieser Kerl her und machte sich an meine Freundin ran? Zwanghaft versuchte ich mich daran zu erinnern, ob ich ihn bei der Show je wahrgenommen hatte. Tatsächlich war er mir aufgefallen, denn er hatte gut mit dieser Blondine getanzt und er gedacht das er der Ober-Testosteron-Typ wäre. Stattdessen malte ich mir aus, wie er Bo durch die Gegend wirbelte und sie dabei zwischenzeitig irgendwo anfasste, wo sie es nicht wollte. Oder was noch viel schlimmer war, was ich nicht wollte. Es machte mich ganz wahnsinnig - allein bei der Vorstellung das er sie küssen würde, würde ich nahezu ausrasten. „Hörst du mir überhaupt zu?" Fragte Majorlein mich. „Ja natürlich!" Flunkerte ich sie an. „Was habe ich denn gesagt?" Fragte sie. Ich hatte keine Ahnung und blickte sie nervös an. „Oh man nicht dein Tag?" Fragte sie mich. „Ich mag ihn nicht!" Brummte ich erneut. „Du machst Witze?" Fragte sie mich und ich merkte, dass es ihr wichtig war. „Ja sicher!" Schmollte ich nun und fuhr mit ihr nachhause. Wie konnte sie es zulassen, dass jemand so nah an uns rankam ohne mit mir vorher darüber zu sprechen? Je länger ich allerdings darüber nachdachte, desto dämlicher fühlte ich mich. Ich wusste das Tanzen nun mal kein Einzelsport war. Man brauchte ein Team um zu gewinnen. Nur mit weniger Spielern, womit ich auch den Vergleich zu Messi verstand. Aber ich war zu wütend gewesen und jetzt wollte ich nicht nachgeben. Sollte sie schmollen, weil es mir nicht egal war, das sie mir wichtig war und ich sie niemals kampflos aufgeben würde?

Dance // Marco ReusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt