85. Lets Dance!

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Bos Sicht

Mir war schlecht vor Aufregung. Chantal blickte mich besorgt an. „Geht es dir gut?" Fragte sie mich und legte meine Haare in eine aufwendige Steckfrisur mit duzenden Federteilen, die mit brutal vielen Haarnadeln in meine Locken stecken musste. Die Federn bildeten einen ganzen Schwarm über meinem Haupt und ich fragte mich wirklich wie ich gleich damit tanzen sollte. Evgeny hatte mich vor ein paar Tagen überredet mit ihm bei Lets Dance zu tanzen. Mit seiner Promi-Tanzpartnerin war er immer noch im Rennen, auch wenn ich mir wünschte das es langsam eine Ende hatte. Unser Training litt darunter und Evgeny war oft zu müde um auf High-Level zu tanzen. Außerdem hatte ich keine Lust ständig Tanzlehrerin für die Bachlorette zu spielen, wenn ich mit ihm Tanzstunde hatte. Immerhin fuhr auch ich jeden Tag von Dortmund nach Köln, während Sie im Hyatt übernachtete. Da es aber nur noch zwei Folgen bis zum Finale waren, wollte ich jetzt auch kein Drama mehr daraus machen. Ich freute mich aber umso mehr, wenn Evgeny und ich endlich alleine trainieren würden. In den letzten Tagen hatten wir zusätzlich mit Alina trainiert. Die Weltmeisterin hatte mich weit über meine eigene Schmerzgrenze gebracht. Chantal steckte mir immer noch mehr Federn ins Haar und ich fühlte mich langsam wie eine brasilianische Sambakönigin. „Ich bin nervös!" Gab ich zu und blickte meine liebste Schminkfee an. „Musst du nicht, du siehst aus wie eine Göttin!" Lächelte meine Maskenbildnerin und klebte mir ein paar jetzt noch ausgefallene Strass-Steine ins Gesicht. Es war ein wenig abgedreht. Meine Augenpartie glitzerte in Silber, Grün und blau. Chantal hatte unglaublich viel Arbeit in den Look investiert. Erst nach dem Schminken, schlüpfte ich in mein silbernen Zweiteiler. Das Bustier war eine Massarbeit, es zeigte keinen Zentimeter zu viel und der kurze Fransenrock war eher ein Hauch von Nichts. Noch ein paar Armmanschetten mit Federn an den Oberarmen und ich bewunderte mich im Spiegel. Ich war gut in Form und fühlte mich sexy, obwohl ich gefühlt viel zu nackt war. Chantal sah mich begeistert an. „Gott du bist eine Göttin!" Trällerte sie und machte duzende Fotos mit ihrem Handy. „Eine Göttin mit Selbstzweifeln!" Lachte ich und prüfte ob sich eine Speckrolle an meiner Hüfte gebildet hatte. Was natürlich nicht der Fall war. Die Erinnerung an Marcos Ex und das Martyrium mit meinem Knie waren für mich allgegenwärtig, aber die Angst, dass so etwas erneut passieren konnte, musste ich jetzt beiseite schieben und zwar ganz weit weg von mir. „Fünfzehn Minuten!" Rief jemand. Allerhöchste Zeit das ich mich endgültig aufwärmte. Chantal begutachtete mich ein letztes Mal. „Du machst das schon!" Lächelte sie, ich drückte ihr einen Kuss auf die Wange und verschwand im Bereich zum Aufwärmen. Dort sah ich auch Evgeny das erste Mal an diesem Abend. Als er mich sah grinste er mich Augenbrauenrollend an. „Ich fliege heute Abend raus!" Lachte er amüsiert zur Begrüßung und umarmte mich überschwänglich. „Geht es dir gut?" Fragte er mich, während er sich vor mir umzog. Er trug einen durchsichtigen und groben silbernen Rollkragenpullover. Sein Haar war streng nach hinten gegelt und er war außerordentlich gut in Form „Du siehst in Shape aus!" Lächelte ich ihn an. „War das ein Kompliment?" Zog er mich auf und ließ seine Muskeln vor mir spielen. „Als würde ich dir nie Komplimente machen!" Lachte ich und klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. „Ich tanze unglaublich gerne mit dir!" Versicherte er mir und strahlte mich an. „Das da draußen ist wichtig für mich!" Gab ich zu und deutete aufs Studio. „Nun ich fliege gleich raus, also ist es umso wichtiger..." Grinste Evgeny mich an. Wir stachelten uns Gegenseitig an, wärmten uns final auf und gingen ins Studio. Mein Puls schlug bis zum Hals und mir war ebenso schlecht, wie das erste Mal als ich mit Pepe hier getanzt hatte. Ohne Lets Dance hätte ich nie Marco kennen gelernt. Ohne ihn machte nichts Sinn im Moment. Ich wünschte mir, dass er hier war, doch Marco war mit der Nationalmannschaft unterwegs. Ich vermisste ihn - immer. „Noch zwei Minuten!" Rief uns jemand zu und riss mit damit aus meinen Gedanken. Evgeny blickte mich an und grinste: „Startklar?" Ich nickte kurz. „Ich bin froh, dass wir das miteinander tun!" Stammelte ich vor lauter Aufregung. Er grinste übers ganze Gesicht. „Lass das nicht Marco hören!" Zog er mich auf, während ich die Augen verdrehte. „Er hat mich zu einem besseren Menschen gemacht!" Gab ich zu. „Das solltest du vor ihm nie zugeben!" Grinste Evgeny und blickte mich auf diese Art und Weise an, die ich sonst nicht zu ließ. „Marco sollte sehr glücklich mit dir sein..." Fuhr er fort. Evgeny war ein guter Freund geworden und ich verbrachte unglaublich gerne Zeit mit ihm. Wir waren wie Geschwister, zumindest stellte ich mir so das Verhältnis zwischen Geschwistern vor. „Geht es dir gut?" Fragte er mich. „Ich bin nervös!" Gab ich zu. „Gut dann sind wir schon zu zweit." Lächelte er mich an und legte seinen Finger unter mein Kinn. „Und jetzt Kopf hoch!" Tatsächlich war jetzt keine Zeit mehr sich verrückt vor Aufregung zu machen. Jetzt konnten wir beide nicht mehr zurück, jetzt hieß es Augen zu und durch. Als wir das Signal bekamen, hatte ich zwischenzeitlich das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen. Doch auch dieses Gefühl war kein Unbekanntes. Ganz im Gegenteil, ich stellte den Schalter um und begann den Augenblick zu genießen. „Samba!" Strahlte ich. Wie konnte ich auch nicht? Vor ein paar Monaten war unklar gewesen, ob ich je wieder Tanzen konnte und jetzt tanzte ich Samba auf Meisterniveau. Wir liefen hinter die Bühne und als die ersten Takte von dem Klassiker hörte, war ich vollkommen angeknipst. Ich liebte Musik, Bewegung und genau diese Momente. Ich spürte wie Evgenys Körperhaltung eine andere wurde und er zum Macho mutierte. Doch genau das erwartete ich von meinem Tanzpartner. Ich wollte das er den Kerl raushingen ließ und mir den Weg zeigte. Ich atmete tief durch, Einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen - Jetzt gab es keinen Weg zurück. Ich spürte wie sich meine Härchen aufstellten, als ich dann erst die Zuschauer im Saal bemerkte. „Jetzt kannst du es allen beweisen!" Lächelte mich Evgeny an, ehe wir den ersten Schritt aufs Parkett absolvierten. Jetzt war alles egal, denn es gab kein Weg zurück, nur nach vorne und wir legten los. Die Nummer dauerte etwas über zwei Minuten die nun vor mir lagen. Meine Gedanken huschten einen Bruchteil einer Sekunde zu Marco, wie konnte ich auch nicht jetzt gerade an ihn denken? Ohne ihn wäre ich nicht hier. Nie zuvor hatte ich einen Mann so geliebt wie ihn. Ich war verrückt nach ihm, immer noch. Wenn ich mir ein Leben ohne ihn vorstellen musste, dann bekam ich Panik. Panik davor ihn zu verlieren. Ich hoffte wirklich, dass er sich den Tanz mit der Nationalmannschaft anschauen konnte. „Bo!" Zupfte Evgeny wachrüttelnd an meinem Finger. Ich zuckte zusammen, atmete noch einmal tief durch, lächelte und als wäre aller Druck von mir gewichen, starteten wir. Mein Tanzpartner nickte und übernahm in Bruchteil einer Sekunde die Führung. Das machte eben einen Profi aus, Evgeny schob mich energisch übers Parkett, wir strahlten und es gab nichts mehr außer uns beide. Es war kitschig und dennoch alles was ich wollte. Ich liebte das tanzen, so sehr und nichts auf der Welt würde das ändern können. 

Dance // Marco ReusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt