12. Ich will nicht, dass der Laden in eine Fußballpilgerstätte verkommt!

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Majorleins Sicht

Ich saß in der Sonne, hatte die Knie nah an mich gezogen. Dann hatte ich mir meine Kopfhörer aufgesetzt und lauschte dem Beat. Ich schloss die Augen und genoss diesen einen Augenblick, diesen einen Augenblick der nur mir gehörte. Ich liebte Musik, denn Musik war meine heimliche Leidenschaft. Leider reichte mein Gesangstalent nicht für eine Karriere. Mit dem Tanzen konnte ich Musik für mich zum Ausdruck bringen, wozu ich ansonsten nicht in der Lage war. Beim Tanzen konnte ich alles sein, sexy Vamp, selbstbewusste Kämpferin und zerbrechliche Ballerina. Tanzen war wie Musik "nur mit Bewegung". Doch das schlechte Gewissen holte mich aus meiner Traumwelt, ich musste arbeiten und hatte ein paar wichtige Dinge zu tun. Also riss ich mich zusammen, denn ich saß über den Verträgen zur Übernahme der Bar. Ich musste mir Gedanken darüber machen, welche Auswirkungen der Laden auf mich und das Tanzen haben würde. Ich sonnte mich ein wenig und hielt meine Nase in den Himmel um möglichst viel Sonne abzubekommen. Als eine fremde Frau auf mich zu kam. "Entschuldigung sind sie, Bo?" Fragte sie mich direkt, ich war so überrascht das ich nickte. "Ich habe sie gestern im Fernsehen gesehen. Sie haben unglaublich gut getanzt!" Lächelte die Frau mich freundlich an und ging. Ich blieb etwas verwirrt zurück. Hatte mich da wirklich gerade jemand auf offener Straße erkannt? Gedankenverloren blickte ich der Frau hinterher. Es war merkwürdig, doch ich nahm mir den Augenblick um es zu genießen. Jemand hatte mich erkannt, nach dem er mich in der Glotze gesehen hatte. Oh Gott, irgendwie war das schon ziemlich lustig und ich freute mich einen Augenblick über die Aufmerksamkeit.
Auch nach erneutem lesen des Vertrages, konnte ich keine Mängel feststellen. Dennoch würde ich meinen Anwalt in den Niederlanden einschalten, um den Vertrag noch einmal zu prüfen. Denn ich hatte keine Ahnung ob dieser Wasserdicht war oder nicht. Ich war mit meinen Gedanken beschäftigt, als sich jemand an meinen Tisch stellte. Zu meiner Überraschung war es Julian und Marco. Im Doppelpack konnte und wollte ich sie kaum ertragen. "Na wen sieht man denn im Moment 24/7 im Fernsehen?" Grinste Julian mich vergnügt an und setzte sich ungefragt zu mir. "Nehmt doch bitte Platz!" Sagte ich einen Hauch sarkastisch. Marcos Augen huschten über die Papiere, die ich schließlich umdrehte. "Die kenne ich!" Sagte er zu mir und rollte niedlich mit den Augenbrauen. "Gibt es Probleme?" Fragte er mich. "Nein, aber du verstehst sicherlich, dass ich sie noch mal meinen Anwalt geben will." Sagte ich ihm. "Sicherlich!" Sagte er verständnisvoll und setzte sich dann erst zu mir. Meinen Spruch verkniff ich mir, immerhin war er mein Boss. Erst da schaute ich ihn mir noch einmal genauer an. Er trug ein einfaches Hemd, das ihn durchaus schlank erscheinen ließ. Erde an Bo, Marco war schlank, fast schmächtig, das musste ich auch nicht schön reden. In seinen Ohren blitzten schwarze Ohrringe hervor und sein blondes Haar hatte er streng nach hinten gekämmt. Julian sah mich mit großen Augen an. Er hatte immer noch nicht verstanden, dass ich nicht mit ihm ausgehen wollte. Es war ganz einfach zu erkennen, ich konnte es ihm quasi von der Nasenspitze ablesen. Julian wartete also quasi nur darauf, mich zu erneut zu fragen ob ich mit ihm ausging. Marco blickte mich mitleidig an. "Ich habe Durst!" Sagte der junge Mann mit dem dunklen Haar etwas hilflos. "Ich bin in meiner Freizeit hier!" Sagte ich scharf, denn ich hatte wirklich keine Lust, ihm etwas zu holen. "Nein so war das nicht gemeint, willst du was trinken?" Fragte Julian mich. "Ja Kaffee, bitte!" Lächelte ich ihn an. "Bringst du mir ein Ingwerwasser mit?" Fragte Marco ihn. Julian stand auf und ging hinein. Damit waren Marco und ich allein. "Wie geht es deiner Hüfte?" Fragte er mich. Ich war überrascht über seine Frage. "Nur eine Prellung." Lächelte ich ihn an, allerdings hatte ich heute Morgen ziemliche Schmerzen gehabt. Doch das Training musste weitergehen. In jeder Stunde die ich zur Zeit mit Pepe tanzte wurden wir besser und besser. Uns gelangen Hebeübungen und Sprünge, die normalerweise nur nach jahrelangem Training gelangen. Pepe holte gerade alles aus mir raus und nutzte die Bühne vollkommen aus. "Wie läuft es?" Fragte Marco mich und ich versuchte wirklich freundlich zu bleiben. Ich wollte nicht alles aus meinem Leben preisgeben, auch nicht für Herr Reus. "Jetzt sind es keine zwei Wochen mehr." Sagte ich ehrlich zu ihm, es war das harmloseste was mir durch den Kopf ging. "Wenn du mehr Zeit brauchst, dann..." Fing er an und ich wusste was er mir sagen wollte. Doch ich wollte auf keinen Fall eine Extra-Behandlung. "Ich kriege das schon hin!" Versicherte ich ihm. Er legte dieses Lächeln auf die Lippen, das mich verwunderte. Es war so unglaublich niedlich, das ich für einen Moment das Atmen vergaß. Mein Herz sprang mir fast aus der Brust. Dieses niedliche schiefe Grinsen, machte mich doch wirklich für einen Augenblick nervös. Und glaubt mir, Marco war der letzte Mensch auf der Welt, bei dem ich in irgendeiner Weise nervös  werden wollte. Er legte den Kopf schräg und wir blickten uns gedankenverloren an. Das sollte er wirklich nicht tun, denn ich traute ihm nicht und Ich konnte ihn einfach immer noch nicht einschätzen. Etwas ungeschickt stellte Julian mir meinen Kaffee hin und unterbrach Marco und mich. "Was treibt euch nach Köln?" Fragte ich um das Gespräch ans Laufen zu kriegen. "Wir haben morgen hier - in Köln - ein Spiel." Erklärte Julian mir. "Und ist das wichtig?" Fragte ich etwas naiv. "Nicht so wirklich!" Lächelte Marco mich an. "Warst du schon mal beim Fußball?" Fragte Julian. "Nein!" Sagte ich etwas peinlich berührt. "Komm doch vorbei!" Lächelte er mich an. "Ich habe morgen Training!" Sagte ich, zum einen war es nicht gelogen und ich hatte keine Lust alleine ins Stadion zu gehen. "Du könntest den Kopf freibekommen!" Lächelte Marco mich zuversichtlich an.  "Ich habe auch noch Schicht im Link!" Suchte ich nach weiteren Ausreden. "Echt Schade!" Lächelte Julian mich an. Doch mein Blick huschte über Marcos unbeteiligtes Gesicht. Ich war immer noch irritiert von ihm, denn ich hatte nicht vergessen wie wir uns kennengelernt hatten. Seinen Ausraster wegen diesem dämlichen Pullover konnte ich nur schwer vergessen, obwohl er mir seitdem nicht einmal mehr den Anschein erweckt hatte, das er sauer auf mich war. Außerdem musste ich ihm wahrscheinlich auch noch dankbar sein, immerhin hatte er mir quasi den Laden verschafft und in Dortmund hatte er mich nicht über den Haufen gefahren. Das war doch schon mal ein Anfang - Zumindest ein kleiner. Ich nippte gedankenverloren an meinem Kaffee. Also rang ich mich schließlich durch. "Kommt doch nach dem Spiel hier vorbei, wenn ihr wollt?" "Oh das ist eine gute Idee!" Grinste Julian. "Wir könnten mal wieder zusammen feiern!" Schlug er Marco vor. Doch Marco war eher zurückhaltend. "Von mir aus, aber ich will nur nicht, dass der Laden in eine Fußballpilgerstätte verkommt!" Gab er zu. Mein Deutsch war zwar wirklich gut, aber über das Wort musste ich nachdenken. Ich schmunzelte, als ich verstand was er damit sagen wollte. "Hast du denn alleine Dienst?" Fragte Marco mich. "Nein, Johannes und Chris haben Dienst. Ich bin nur die nette Unterstützung!" Erklärte ich ihm. Julian grinste, doch was mir durchaus besser gefiel, war diese kleine verschmitzte Grinsen auf Marcos Lippen. Die Wut die ich über das Benehmen von ihm gehabt hatte, ließ nach und das verunsicherte mich. Es war nicht an der Zeit neue Freundschaften aufzubauen. Anderseits, wenn ich den Vertrag für die Bar unterschreiben würde, würden sich unsere Wege so oder so andauernd kreuzen. Nur dann hatte ich Verpflichtungen, dann würde der Weg nicht mehr so einfach werden, vielleicht in die USA abzuhauen, um da zu tanzen. War es die richtige Entscheidung? Das konnte ich doch heute noch nicht sagen. Julian quasselte weiter doch ich war schon wieder in meinem Tagtraum vom Broadway gefangen.

Dance // Marco ReusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt