Bos Sicht
Nach ein paar Wochen war ich endlich diese verdammt-dämlichen Krücken los. Die Zeit hatte sich nach endlos langen Wochen angefühlt, die niemals vergehen wollten. Jetzt ging es langsam darum, mein Training wieder aufzunehmen, egal ob ich Schmerzen hatte oder nicht. Ich wollte nur noch eins: Tanzen. Doch zu meiner Verwunderung fiel mir die Trainingsaufnahme sehr schwer, so bald ich mein Knie belastete hatte ich immer wieder Schmerzen. Deswegen aufzugeben war allerdings überhaupt nicht mein Ding. Also hieß es, die Zähne zusammen zu beißen und den inneren Schweinehund zu besiegen. Jeden Tag ging ich schwimmen, zur Massage oder trainierte die verkümmerten Muskeln. Es war so unglaublich harte Arbeit jeden Tag gegen die Schmerzen anzugehen und ich kam mir vor wie Rocky, der in Boston ständig die Treppe rauf und runter rannte. Ich trainierte unteranderem regelmäßig in Marcels Tanzstudio, auch wenn das mit Tanzen nicht wirklich viel zu tun hatte. Zumindest trainierte ich zwei Paare in Standard und Latein, die recht talentiert waren und dabei waren an den ersten Wettbewerben teilzunehmen. Es lenkte mich ab, denn Marco war sehr beschäftigt mit dem Fußballspielen. Gerade war er mit der Nationalmannschaft unterwegs, nach der vergeigten Weltmeisterschaft, trainierten sie jetzt nur noch härter. Ich vermisste ihn, aber er lebte seinen Traum - genau wie ich das tat, also würde ich niemals etwas dagegen sagen. Zudem Marco nur noch ein paar Jahre hatte, bis er seine Karriere beenden musste, da der Körper für professionellen Fußball dann zu nun ja zu alt war. Wenn ich Glück hatte, würde ich dann noch ein paar Jahre tanzen können. Das mein Knie noch lange nicht mitmachte ignorierte ich bisher weitgehend, denn aufgeben hörte nicht zu meinen Charaktereigenschaften. Marco und ich waren jetzt fast ein Jahr zusammen und mein Herz schlug immer noch schneller, wenn er in meiner Nähe war. Ich hatte noch nie einen Mann so geliebt wie ihn. Jeden Tag wurden meine Gefühle nur noch mehr und ich wollte mir gar nicht vorstellen, mein Leben jemals wieder ohne ihn zu verbringen. Was ich besonders genoss war die Freiheit die Marco mir ermöglichte. Ich konnte mich vollkommen auf meine Genesung konzentrieren und einfach nur Gesund werden. Meine beiden Tanzschüler mühten sich mit der Rumba, doch ich wurde aus meinen Gedanken gerissen. Pepe stand unangekündigten im Türrahmen. Der hübsche Spanier war gerade länger in den USA gewesen, wir hatten die Woche noch telefoniert und jetzt stand er einfach hier. Zu meiner Überraschung war Pepe aber nicht allein. Evgeny war bei ihm. Der Profitänzer lächelte mich an und zupfte etwas nervös an seinem Pullover herum. „Oh was für eine Überraschung!" Sagte ich und sprang Pepe quasi in die Arme. Wir nahmen uns fest in den Arm. Der Spanier hob mich hoch und drückte mich so fest, dass ich kurzzeitig das Gefühl hatte keine Luft mehr zu bekommen. Der Spanier setzte mich ab, ehe Evgeny und ich uns ebenfalls kurz in den Arm nahmen. „Was macht ihr hier?" Fragte ich überrascht. „Wir waren mit Robin frühstücken, da hat er verraten, dass du hier im Studio bist." Erklärte Pepe mir. Ich wusste, das Marcel und Robin mit Pepe befreundet waren. Auch Marco traf sich ab und zu wieder mit der Jungens, was mich freute. Ich konnte nicht beurteilen warum die Jungens sich zerstritten hatten, aber es war schön wenn sie zumindest wieder eine gemeinsame Basis gefunden hatten. „Reinzufällig vorbei gekommen." Grinste ich die beiden an. Evgeny stand am Fenster und der junge Russe, sah unglaublich fit und gesund aus. Der dicke Rollkragenpullover unterstrich seinen nahezu makellosen Körper und schaffte es, das ich für einen Bruchteil einer Sekunde nervös wurde. Es war bereits einige Wochen her, seit wir uns das letzte Mal gesehen hatten. „Kann ich euch etwas zu trinken anbieten?" Fragte ich. „Ich dachte ihr tanzt!" Lachte Pepe mit einer Selbstverständlichkeit, erst deutete er auf Evgeny und dann auf mich, ehe er sich fest in den Türrahmen lehnte. Meine beiden Tanzschüler fingen an zu klatschen. „Ich bin erst ein paar Wochen die Krücken los!" Ich hatte zwar angefangen zu trainieren, aber ich konnte immer noch nicht vollbelasten, ohne das mein Knie vor Schmerzen nachgab. „Komm ein paar Schritte!" Zog Pepe mich auf. Ich schaute über meine Schulter zu Evgeny hinüber. Tatsächlich war der junge Mann für meine Körpergröße der ideale Tanzpartner. Seit dem Lets Dance Finale hatte ich ihn nicht mehr gesehen und seine graublauen Augen funkelten mich forsch an. Ich hatte mir ein paar Videos von ihm angesehen und wusste was vor Stärken er hatte. „Ich brauche erst einen Kaffee!" Sagte ich. Meine Tanzschüler waren enttäuscht, aber ich wollte mich nicht vor ihnen blamieren und verabschiedete mich schließlich von ihnen bis zur nächsten Stunde. In Ruhe holte ich mir erst einen Kaffee und unterhielt mich währenddessen mit den beiden Profitänzern. Pepes Handy klingelte und er verschwand nach draußen um zu telefonieren. Evgeny sah mich an. „Wir haben dich ganz schön überfallen, das tut mir leid..." „Es ist reine Kopfsache" Murmelte ich, nippte an meinem Kaffee und fuhr fort. „Ich habe Angst, dass es nicht klappt!" Sagte ich ehrlich zu ihm, doch er lächelte mich zuversichtlich an. „Das findest du aber nicht heraus, wenn du es nicht ausprobierst!" Sagte Evgeny, er stand vor mir während ich zu ihm aufschaute. Nervös fing ich an mir durch die Haare zu streichen. Ich war nervös, nervös das Evgeny hoffte, dass ich einfach mit ihm tanzen würde. „Du meintest das ernst, bei Lets Dance oder?" Fragte ich noch einmal um meine Zweifel den Raum zu nehmen. „Nun ich wohne jetzt in Köln und viele Frauen sind nun mal leider einen Hauch zu groß für mich. Ich würde aber gerne noch ein paar Turniere tanzen, solange ich noch kann." Er war ungefähr so alt wie ich und ich verstand auf Anhieb was er mir sagen wollte. Wenn man Weltmeister werden wollte, hatten wir vielleicht noch vier Jahre, eher weniger bis der Körper nicht mehr so mitmachte und man quasi schon zu den Senioren gehörte. Evgeny sah mich an und hielt mir die Hand hin. Er lud mich ein mit ihm zu tanzen und automatisch nahm ich eine andere Körperhaltung ein. War ich wirklich wieder so weit zu tanzen? Zuerst bemerkte ich Pepe nicht, als er vom telefonieren zurück kam. Er machte Musik an und Evgeny nahm mir mutig die Entscheidung ab und berührte mich. Er nahm meine Hand und bugsierte mich in die richtige Startposition. Ich lauschte den ersten Tönen der Musik und schloß die Augen. Mein Atem verriet wie aufgeregt ich war, als der Russe seine Hand auf meinen Rücken legten und seinen Puls spürte. Er roch irgendwie vertraut, obwohl ich ihn nur ein paar Mal gesehen hatte. Evgeny schob mit dem Oberschenkel meinen Körper in die richtige Position des langsamen Walzers. Mein Herz schlug bis zum Hals, ehe ich meinen ersten Tanzschritt machte. Ich schloß meine Augen und streckte den Kopf nach hinten, um meine Halslinie zu verlängern und die nötige Eleganz zu verspüren. „Oh seht euch an!" Schwärmte Pepe und zückte augenblicklich sein Handy. Ich versuchte es irgendwie zu ignorieren, als Evgeny die Führung übernahm und mit mir die ersten Schritte übers Parkett absolvierte. Ich merkte mein Knie, als wir den ersten Seitschritt machten. Mein Tanzpartner war so innovativ, dass er meine Unsicherheit sofort spürte und mir den notwendigen Gegenhalt verschaffte. Evgeny bot mir seinen Körper an, um mir den gewissen Gegendruck zu verschafften, dabei schaute ich ihm in die Augen und signalisierte ihm, dass ich jetzt bereit war mit ihm zu tanzen. Nach ein paar Schritten, war ich wieder Feuer und Flamme. Evgeny wusste scheinbar was er tat und führte mich gekonnt durch Walzer. Als Tänzer wusste man die Abfolge der Schritte, die natürlich variieren konnte, doch beim Walzer verließ man sich auf den Partner und der junge Russe war mental deutlich mehr drauf eingestellt gewesen, als ich. Irgendwie fühlte ich mich wohl in seiner Nähe, denn ich vertraute ihm und seinen Fähigkeiten. Außerdem war es ziemlich ungewohnt, dass ich wieder tanzen konnte. Ich wollte auf gar keinen Fall übertreiben, denn ich wusste auch das eine falsche Belastung mit dem Knie in meinem Heilungsstadium zu neuen Verletzungen kommen konnte. Dennoch legte ich glücklich meine Hand auf Evgeny Oberarm. „Danke!" Lächelte ich ihn etwas verlegen an und ging zu Pepe hinüber, der sich das Video des Tanzes auf seinem Handy anschaute. „Guck hier, ihr harmoniert so gut!" Sagte der Spanier und drückte mir sein Handy eilends in die Hand. Wir guckten uns das Video zusammen an und ich sah nur die entstandene Unbeweglichkeit bei mir. Ich hatte mich mal so gut bewegen können, das Taktgefühl und der Rhythmus kamen nur von regelmäßigen Training. Doch die Jungens sahen das überhaupt nicht so. Hatte ich vielleicht wirklich eine Chance irgendwann wieder richtig tanzen zu können? Mein Herz schlug bis zum Hals, bei dem Gedanken das mein Ziel jetzt gerade ein Stück näher gerutscht war.
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Dance // Marco Reus
FanfictionIch bin Bo. Ich bin Tänzerin. Ich arbeite ziemlich viel, denn vom tanzen allein schaffe ich es nicht alle meine Rechnung zu bezahlen. Also arbeite ich noch in dieser Bar, doch als ich das Angebot für diese Fernsehsendung bekam, sagte ich sofort zu...