Während dem Training war ich nicht voll bei der Sache. Ständig schweiften meine Gedanken zu Joshua ab. Ich konnte nur hoffen, dass es ihm gut ging. Wenn Mats Marco gegenüber ein aufgeblasenes Geheimnis erwähnen konnte, musste es jedoch fast nicht mehr zu retten sein. Aber von hier aus konnte ich nicht viel tun. Ich konnte nur hoffen. Für Joshua und auch für mich. So dämlich egoistisch es auch war, ich wollte nicht mitgerissen werden. Eigentlich wollte ich nur, dass das Training um war.
Als es dann jedoch soweit war, bereute ich es.
Ich war als einer der letzten in die Umkleide gekommen, in der es schon aufgeregt surrte wie in einem Bienenstock. Aufgeregt waren sie über ihre Smartphones geneigt und diskutierten miteinander. Ich fühlte mich sofort unwohl, wollte aber auch wissen, was los war.
Schnell eilte ich zu meinem Platz und holte mein Handy aus meiner Tasche. Schon als ich den Display entsperrte, blinkten mir sofort zahlreiche Nachrichten und Eilmeldungen entgegen.
Zögerlich öffnete ich Kicker App und erstarrte schon direkt bei der Überschrift und dem Bild darunter.
"Skandal in der Nationalmannschaft
[Bild Joshua Kimmich]
Während des Trainings der deutschen Nationalmannschaft kam es zu erschreckenden Szenen. Statt einer Präsentation geballtem Talents gerieten einige Spieler in Bedrängnis. Joshua Kimmich, bekannt als herausragendes Talent, dass unter Vertrag beim Rekordmeister FC Bayern München steht, geriet in Mitten der Mannschaft in Hitze und zog damit die Aufmerksamkeit aller Alphas auf sich. Den Verantwortlichen gelang es, das Omega aus der Gefahrenzone zu schaffen. Sofort wurden Fragen über Mitwisser laut und erste Stimmen fordern umfangreiche Untersuchungen."Schmerzerfüllt schloss ich die Augen. Es war also wirklich aufgeflogen und vorbei. Das erklärte wohl, warum Mats etwas gewusst hatte und Joshuas Anruf machte auch Sinn. Vermutlich hatte er mich warnen wollen. Wir nahmen beide die gleichen Suppressive und ich kannte Jo. Er war extrem gewissenhaft und genau. Also musste die Ursache in der Wirkung liegen. Lag Joshuas Hitze an Medikamentversagen? Hätte es dann nicht genauso gut mir passieren können? Was hatte mich gerettet? Lag es an meinem hohen Konsum? Oder war es wirklich nur Glück gewesen?
Ich wusste es nicht, aber ich wünschte ich könnte dem Jüngeren beistehen. Ich fühlte mich verantwortlich, aber ich wusste auch, dass mir die Hände gebunden waren. Ich war nicht bei der Natio und konnte da auch nicht einfach auftauchen, wenn ich nicht aufliegen wollen würde. Außerdem wusste ich nicht mal, ob man mich zu ihm lassen würde. War er überhaupt noch bei der Nationationalmannschaft oder waren die Behörden der Zentren schon so hinter Omegas her, dass sie ihn sich bereits unter den Nagel gerissen hatten? Sollte ich mich bei Mats melden und nachfragen? Was sollte ich eigentlich mit Marco machen? Würde er eins und eins zusammenzählen können? Immerhin wusste er jetzt bestimmt auch einzuordnen, zu welchem Zeitpunkt mich Joshua angerufen hatte.
"Alles okay bei dir Mario? Du wirkst etwas verstört", sprach mich Schmelle an und ich zuckte erschrocken zusammen.
"Ah, du hast es also auch gelesen", stellte er nach einem Blick auf mein Handy fest.
"Wer nicht auf dieser Welt", murmelte ich.
"Das stimmt. Es ist einfach schrecklich", stimmte Marcel zu.
"Er wollte doch nur Fußball spielen", murmelte ich und fügte in Gedanken noch ein "genau wie ich", an.
"Was Omegas nicht erlaubt ist", erinnerte mich Schmelle, wirkte dabei aber betroffen.
"Aber das ist ungerecht. Joshua ist ein so viel besserer Spieler als manch anderer auf seiner Position", beschwerte ich mich.
"Ich weiß Mario. Ich finde es auch nicht gut, aber so steht es leider in den Regeln. Kein Omega ist im Leistungssport und kein Omega unterm Radar erlaubt. Wir können für Joshua nur noch das Beste hoffen. Er wird höchstwahrscheinlich in einem dieser schwachsinnigen Zentren untergebracht werden und an irgendeinen Alpha verkauft. Das ist so abartig und sowas hat niemand verdient", meinte Marcel und ich bewunderte, wie er so ruhig bleiben konnte.
Dass er eine ziemlich liberale Einstellung zum Thema Omegas hatte war mir nicht neu, aber so deutlich hatte er sich zumindest mir gegenüber noch nicht geäußert.
"Das sehen leider nicht alle so", seufzte ich und schaute betrübt auf das Bild in dem Artikel. Joshua strahlte nach einem Spiel in die Kameras und nichts ließ das bedrückende Geheimnis erahnen.
"Aber viele Mario. Hab ein bisschen Vertrauen in die Jungs. Nicht jeder hat diese alten und verstaubten Ansichten", erwiderte Schmelle und lächelte mich mitfühlend an.
Unsicher blickte ich mich in der Kabine um und suchte nach dem Urteilen in den Gesichtern meiner Mitspieler. Was sie jetzt über Joshua dachten, würden sie immerhin auch über mich denken, falls ich jemals auffliegen sollte. Leider konnte ich aus ihren Mienen nicht das geringste lesen.
"Und wenn da noch mehr wären?", fragte ich Schmelle provokant.
"Dann bedauere ich jeden von ihnen, dass sie sich verstecken müssen und hoffe, dass sie niemals so auffliegen müssen wie Joshua es ist. Ich denke in jeder Mannschaft gibt es Menschen, die ihnen helfen würden und ihnen den Rücken freihalten würden", erklärte er mir und lächelte mich sanft an.
Irgendwie ließ mich das leise Gefühl nicht los, dass mir Marcel damit etwas sagen wollte, aber ich konnte auch einfach nur paranoid sein.
Meine Gedanken schnellten wieder zu Joshua. Er hatte versucht mich zu warnen mit seinem Anruf und das rechnete ich ihm hoch an. Er konnte ja nicht wissen, dass Marco bei mir war und das mitbekommen würde. Eigentlich blieb nur zu hoffen, dass Marco nicht die richtigen Schlüsse zog, denn er würde nicht so gelassen sein wie Schmelle erschien.
"Ich lass dich besser mal mit deinen Gedanken alleine. Pass auf dich auf Mario und falls du doch mal jemanden zum reden brauchst, dann bin ich jederzeit für dich da", verabschiedete sich Schmelle und ließ mich alleine.
Etwas planlos und verloren stand ich in der Kabine rum und wusste nicht recht, was ich mit mir selbst anfangen sollte. Ich war nur froh, dass gerade nicht so viele Spieler hier waren, als ich wie ferngesteuert die Kabine verließ und zu meinem Auto ging.
Zwar war ich nicht aufgeflogen, aber als ich nochmal einen Blick über unser Gelände schweifen ließ, war mir klar, dass ab heute alles anders sein würde.
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Sleepless Dreamer
FanfictionAuch in einer Gesellschaft in der es Alphas und Omegas gibt, Anführer und Unterwürfige hat dennoch jeder Mensch seine Träume. Manche sind erreichbarer als andere und manche Träume platzen wie eine Seifenblase. Diese Erfahrung musste auch Mario mache...