Kapitel 15

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Der nächste Morgen begann erst spät. Nach unserem gestrigen Tag hatten wir alle den Schlaf gebraucht und so ignorierten wir auch alle großzügig den Umstand, dass unser Frühstück eigentlich eher ein Mittagessen war.

Die Stimmung war angespannt und so recht konnte sich niemand durchringen ein Gespräch anzufangen.

Ich war jedoch gar nicht böse um die Stille. So hatte ich die Chance noch ein wenig Ruhe zu haben.

Die Träume meines Schlafes verfolgten mich noch, oder besser gesagt die Albträume.

Wenigstens hatte Felix nichts davon mitbekommen.

Er hatte gestern viel zu viel sehen müssen. Gerne hätte ich es rückgängig gemacht und Felix davor geschützt, aber das war nicht möglich… Ich konnte nur versuchen die Belastung gering zu halten. Dazu gehörte auch, so wie jetzt, den bösen Bruder zu spielen.

"Ich will heute aber noch nicht heimfahren. Ich will bei dir bleiben Mario", hatte Felix gemurrt und ich ihm widersprochen:

"Du musst aber Felix. Du hast in Augsburg Verpflichtungen", hatte ich vernünftig gemeint.

"Mir egal. Ich will bei dir bleiben und auf dich aufpassen", hatte er bockig geantwortet und mir das Herz schwer gemacht.

"Felix, du musst nicht auf mich aufpassen. Das schaffe ich selber. Fahr nach Hause und triff dich mit deiner Freundin", erklärte ich ihm.

Natürlich hätte ich meinen Bruder gerne noch bei mir, aber es wäre nicht gut für ihn und nicht gut für mich, da ich nicht wusste wie lange ich vor Felix noch stark sein konnte.

"Aber ich will nicht", bockte er weiter.

"Das ist mir egal Felix, du wirst- " , hatte ich angefangen als ich vom Klingeln eines Handys unterbrochen wurde.

Fragend blickte ich die anderen an, aber denen schien das Handy auch nicht zu gehören. Seufzend stand ich auf und fand den klingelnden Übeltäter im Wohnzimmer auf dem Boden.

Ein erster Blick verriet, dass es Marcos iPhone war. Ein zweiter auf das Display zeigte den Anrufer und dass ich wohl dringend rangehen sollte.

"Marco Reus, wo- " , erklang es wütend aus dem Telefon.

"Hey Jogi", unterbrach ich den Bundestrainer schüchtern.

"Was... Mario?", fragte er mich verblüfft.

"Ja, ich bin's", bestätigte ich.

"Wo ist Marco und warum schickt er dich vor?", wurde ich gefragt.

"Marco hat mich nicht vorgeschickt", verteidigte ich ihn sofort.

"Und wie kommt sein Handy dann zu dir?"

"Er hat es gestern Abend hier vergessen", erklärte ich.

"Schön und gut, aber wo ist er und warum ist er nicht hier", beendete Jogi die nette Runde und ich musste schluchzen. Ich sollte ab jetzt vielleicht aufpassen, was ich sagte.

"Marco tut es leid, dass er nicht da ist. Er wäre es wirklich gerne und im Normalfall hätte er dir auch bescheid gegeben", fing ich an.

"Komm auf den Punkt Mario und drucks hier nicht so rum", wies mich Jogi zurecht.

"Also, ähm, Marco hat sich gestern Abend am Knie weh getan und ist dann bei mir daheim ungeplant in Brunft gegangen", sagte ich Jogi vorsorglich gleich beide Nachrichten.

Am anderen Ende der Leitung herrschte zunächst einmal Schweigen. Ich wusste nicht, was ich dazu noch sagen sollte und schwieg ebenfalls.

"Nun gut. dza kann man nichts machen. Marco ist verletzt entschuldigt. Sag ihm sobald er wieder bei Sinnen ist, dass er mich anrufen soll. Wir brauchen ihn", meinte Jogi.

"Mach ich", antwortete ich und hoffte, dass man mir nicht anhörte, wie geknickt ich war über den Umstand, dass Marco gebraucht wurde, aber ich nicht.

Ich wurde nicht benötigt, keine Option, überflüssig. Es tat weh und half nicht wirklich bei meinem inneren Kampf, bei dem ich versuchte meinen Platz in dieser Welt für mich zu finden.

"Danke Mario und schönen Tag noch", verabschiedete sich Jogi.

"Gleichfalls", murmelte ich und schon hatte er aufgelegt.

"Was ein Mist", seufzte ich und legte das Handy auf dem Wohnzimmertisch ab. Dann kehrte ich in die Küche zurück.

"Wer hat angerufen?", fragte Felix neugierig.

"Jogi, weil Marco nicht bei der Natio aufgetaucht ist", erzählte ich ihm und genehmigte mir einen Schluck Kaffee, ehe ich noch anfügte: "Ich werde Marco so schnell wie möglich sein iPhone beim Training mitbringen und ihm vom Anruf erzählen."

"Du könntest auch mit seinem Handy diesen Flo anrufen und bescheid sagen, wo das Handy ist. Vielleicht holen sie es dann ja früher ab", schlug Ann Kathrin vor und sofort sträubte sich alles in mir gegen diese Idee.

Ich würde diesen Flo sicher nicht anrufen. Am besten wollte ich nie wieder etwas von diesem Kerl hören.

"Nein. Marco kann damit eh nichts anfangen während der Brunft und beim Training wird er dann schon direkt wieder auftauchen. Das sollte reichen", wiegelte ich kühl ab, trank meine Tasse aus und stand auf um mir eine neue Tasse aus der Maschine laufen zu lassen.

"Mario?", erklang Felix’ Stimme fiebsig fragend.

"Was?", blaffte ich.

"Deine... Deine Hose hinten ist durchnässt", murmelte Felix schüchtern und ich erstarrte.

Meine Hose war bitte was?! Sofort griff ich hinten an meine Hose und tatsächlich sie war nass. Ungläubig zog ich meine Hand wieder vor. Scheiße. In etwas Nassem hatte ich nicht gesessen...

"So sollte das nicht sein oder?", fragte Felix wieder schüchtern.

"Nein, das sollte es nicht", hauchte ich tonlos.

"Mario hast du gestern Abend deine Supps genommen?", fragte Ann Kathrin unruhig.

"Ich... Ich weiß es nicht. Gestern war alles so viel und so... So... Ich weiß es nicht", hauchte ich entsetzt und versuchte krampfhaft mich zu erinnern. Aber da war kein Moment an den ich mich erinnerte, in dem ich die Tablette nahm.

Resigniert schloss ich die Augen. Warum musste mir das alles auch ausgerechnet jetzt passieren?

Sleepless DreamerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt