Kapitel 89

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Die Adventszeit und damit die auch Winterpause kamen in großen Schritten immer näher. Ich war gestern auch bei unserem Heimsieg gegen den Sportclub aus Freiburg gewesen und hatte Marco wieder von der Tribüne aus zugesehen.

Dieses Mal hatte mich Schmelles Frau Jenny begleitet und wir waren dann wieder gemeinsam mit Marco vom Stadion nach Hause gefahren.

Seit unserer Unterhaltung nach dem Bayernspiel hatte sich zumindest auf den ersten Blick nichts verändert. Marco verhielt sich wie immer. Er gab mir Raum, Platz und Freiheiten. Er hatte mich während dem Medientrubel nach Joshuas und meinem Stadionbesuch vom Schlimmsten abgeschirmt und verteidigt, sodass ich die ganze Situation nur halb so schlimm mitbekommen hatte.

Jule hatte es da nicht so einfach gehabt. Er war ins Zentrum des Interesses gerückt, weil Joshua sein Trikot getragen hatte. Alleine ein BVB-Trikot an Joshua war ja in den Medien schon der Skandal gewesen, aber dann hatte er auch noch Namen und Nummer eines Alphas getragen. Man konnte sich wage vorstellen wie die Medien sich darauf gestürzt hatten.

Einzig und allein der Gedanke an das Familienessen und die Bindung hatte mir in der letzten Zeit keine Ruhe gelassen. Wie sollte ich mich denn bitte meiner Familie, insbesondere meinem Vater stellen, wenn ich nicht mal breit war mit meinem Alpha intimer als Küsse zu gehen? Wenn mir Maier nicht im Nacken säße, hätte ich die Bindung wahrscheinlich noch bis zum Sankt Nimmerleinstag verschoben! Dabei ging es nicht mal um Marco, ich liebte ihn, aber ich fühlte mich einfach nicht bereit für die nächsten Schritte.

Am Sonntagmorgen hatte Marco wieder das obligatorische Auslaufen und zu seiner Überraschung begleitete ich ihn.

"Muss beim Arzt vorbei", erklärte ich ihm mit einem Schulterzucken locker.

Allerdings hätte ich ihm vielleicht mehr Informationen geben sollen, denn sofort wurde seine Miene besorgt und seine Blicke suchten meinen Körper nach Verletzungen ab.

"Ist alles okay? Bist du krank? Hast du dir weh getan? Brauchst du was?", sprudelten die Fragen sofort aus ihm heraus.

"Nein, nein, es geht mir gut. Ich brauch nur eine neue Packung Suppressiva. Ich hab fast keine mehr und so schaffe ich es nicht bis zur Winterpause", klärte ich ihn auf.

Das beruhigte Marco auch, denn er nickte.

"Dann besorgst du dir die neue Packung Suppressiva und wenn ich fertig bin, können wir ja schauen, was wir mit dem Sonntag noch machen", schlug er vor und ich stimmte zu.

Zum Glück machte Marco keine große Sache draus, dass ich neue Suppressiva brauchte. Aber ehrlich gesagt hatte ich das auch nicht wirklich erwartet. Immerhin war es Marco gewesen, der mir bei meinem letzten Hitzedurchbruch in der Kabine und dann auch zuhause die Suppressiva verabreicht hatte.

Gemeinsam machten wir uns also auf den Weg zum Trainingsgelände und während Marco in Richtung Kabine abbog, ging ich auf direktem Weg zum Teamarzt.

Der war sichtlich überrascht, als ich an seine Tür klopfte und sein Büro betrat.

"Mario, was kann dich für dich tun?", fragte er mich.

Wir hatten schon lange nicht mehr miteinander gesprochen. Eigentlich noch gar nicht, seitdem bekannt war, dass ich ein Omega war.

"Ich brauch eine neue Packung Suppressiva", teilte ich ihm direkt mein Anliegen mit.

Der Doc zog skeptisch die Augenbraue hoch.

"Aber Marco und du-", setzte er an.

"Marco und ich wollen uns erst in der Winterpause binden. Bis dahin brauch ich weiterhin die Suppressiva und meine letzte Packung ist fast leer", unterbrach ich ihn.

"Ich kann dir leider keine Packung aushändigen. Schau Mario, ich weiß nicht mal, ob du die Suppressiva nicht einfach hinter dem Rücken deines Alphas nimmst. Ich will nicht behaupten, dass du lügst. Aber ich hab schon ein Disziplinarverfahren am Hals, weil ich dir Suppressiva ausgehändigt habe ohne die Erlaubnis des Zentrums oder eines Alphas. Ich kann mir nicht nochmal etwas zuschulden kommen lassen. Also wenn du nicht die schriftliche Erlaubnis deines Alphas vorlegen kannst, dann kann und werde ich dir keine Suppressiva aushändigen", erklärte er mir und es kehrte betretenes Schweigen ein.

Ich musste die Information erstmal verdauen.

"Dann werd ich wohl besser wieder gehen", meinte ich bitter und schloss kurz die Augen.

Dann stand ich auf und war schon an der Tür, als der Arzt mich nochmal kurz aufhielt.

"Es tut mir leid Mario. Ich wünschte ich könnte dir helfen", meinte er, doch das war mir egal.

Seine Entschuldigung konnte er sich sonstwo hinschieben, denn von der bekam ich auch keine Suppressiva.

Ohne auf ihn einzugehen verließ ich also das Büro wieder. Marco war bestimmt noch nicht fertig und so begab ich mich in die Kabine um dort auf ihn zu warten.

Ich musste wohl ein ziemlich jämmerliches Bild abgegeben haben, denn als Marco kam, eilte er sofort zu mir, ging vor mir in die Hocke und fragte mich besorgt:

"Alles okay? Stimmt was nicht? Was hat der Arzt gesagt?"

"Er meinte, dass ich keine Suppressiva mehr bekomme ohne deine Unterschrift. Damit ich sie nicht hinter deinem Rücken nehme", fasste ich das Gespräch kurz zusammen.

"Was? Aber er kann dir doch nicht einfach die Suppressiva verweigern", fragte Marco fassungslos nach.

"Doch, kann er. Ich bin nur ein Omega. Nicht mehr", murmelte ich.

Eine der wenigen Personen, die mein Geheimnis gekannt hatten und mich durch die Suppressiva unterstützt hatte, hatte mir jetzt mehr als deutlich zu verstehen gegeben, wie wert- und machtlos ich als Omega war und das tat weh.

Marco vor mir war wütend, das verriet mir sein Griff auf meinen Oberschenkeln.

"Tut mir leid Marco", meinte ich, weil ich nicht mal mehr die einfachste Sache und Suppressiva bekommen konnte, damit wir bis zur Winterpause Zeit hätten.

"Du bist nicht Schuld. Warte hier, ich besorge dir die Suppressiva", meinte er und stand abrupt auf, um noch nicht mal umgezogen aus der Kabine zu stürmen.

Verblüfft blickte ich ihm nach. Damit hatte ich jetzt nicht gerechnet.

"Ich möchte grade nicht in der Haut von unserem Arzt stecken", erklang Schmelles Stimme neben mir und ich gab nur ein Brummen von mir.

Ich hatte gerade um ehrlich zu sein kein Mitleid mit dem Arzt.

"Marco liebt dich wirklich sehr", sprach Schmelle weiter und ich seufzte.

"Ich liebe ihn auch. Ich habe nur Angst, dass ich nicht genug für ihn bin. Was hab ich ihm schon zu bieten? Ich kann nicht mal alleine Suppressiva bekommen", meinte ich traurig.

"Ich glaub du gibst ihm genug. Du solltest mal seine Augen strahlen sehen, wenn er dich erblickt oder wenn du lachst. Du gibst ihm mehr als du glaubst. Du solltest aufhören daran zu zweifeln. Indirekt zweifelst du damit auch an seiner Liebe zu dir", meinte Marcel und die Worte trafen mich.

Vielleicht lag genau da mein Problem. Vielleicht konnte ich Marcos Liebe einfach noch nicht gut genug vertrauen, obwohl er sie mir schon so oft bewiesen hatte. Ich hatte Angst, dass er merkte wie nutzlos, wertlos und schutzlos ich als Omega war und dass er mich dann nicht mehr wollte.

"Hier", erklang Marcos Stimme plötzlich wieder und er reichte mir die Suppressiva.

"Er wird dir nie wieder irgendwelche Medikamente verweigern. Egal, was du brauchst", fügte er noch an und ich war verblüfft.

"Danke", brachte ich staunend herraus.

"Gerne. Für dich doch alles Sunny", fügte er hinzu und während er sich dem Umziehen widmete, krochen in mir wieder die Zweifel hoch.

Marco bewies mir so oft seine aufrichtige Liebe, wie konnte ich ihm nicht vertrauen? Warum musste ich immer noch so zweifeln?

Sleepless DreamerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt