Kapitel 8

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Als ich vom Einkaufen nach Hause kam, hatte ich das Erlebnis immer noch nicht verdaut. Mir ging einfach der resignierte Blick des Jungen nicht aus dem Kopf. Er hatte besseres verdient als das, was die Gesellschaft ihm antat. Aber es stimmte schon, als Omega hatte man keine Chance. Die meisten Eltern oder zentren schickten ihr Kinder wenn sie sich als Omega präsentierten nicht mal auf ein Gymnasium. Das wäre unnötige Belastung der Schulen. Eine Realschule reicht den meisten völlig aus. Ans Gymnasium kam man eigentlich nur, wenn die Eltern Unternehmer, Politiker waren oder irgendwelche anderen sehr reichen Persönlichkeiten waren. Das dann aber auch nicht um des Kindes willen, sondern um einen geeigneten Alpha auch ein verhältnismäßig gebildetes Omega bieten zu können.
Ich konnte nur für den jungen hoffen, dass er einen netten Alpha bekommen würde, der ihn schätzen und gut behandeln würde. Leider meldete die Presse viel zu häufig Fälle, wo die Omegas von ihren Alphas missbraucht und als boxsack genutzt wurden. Aber was sollten sie schon tun? Die Omega Rechte waren dermaßen alt, dass man keine Chance hatte in der Gesellschaft. Man konnte nur auf einen gültigen Alpha hoffen. Oder sich dem System entziehen. Ich war davon überzeugt, dass es viele Omegas geheim in dieser Welt lebten und auch wenn ich selber nur einen kannte, war meiner Meinung auch der Profisport davon nicht befreit.

Manchmal hatte ich das Gefühl alleine zu sein. Vor allem jetzt wieder in Dortmund und wo ich nicht mal mehr zur Natio eingeladen wurde. Klar, konnte ich mit dem einzigen anderen Omega, dass ich aus Bayern Zeiten und von der Natio kannte noch WhatsApp schreiben oder Skypen, aber das war einfach nicht das gleiche, wie wenn man persönlich miteinander reden konnte. Jemandem, dem es noch genauso ging, lies die Last deutlich leichter erscheinen. Aber so bleibe es beim allein sein. Gerüchten zu Folge gab es einen geheimen Club, wo sich alle Omegas wie ich treffen konnten. Allerdings kam man da nur rein, wenn man jemanden kannte der drin war und zum anderen konnte ich da ja nicht so auftauchen. Wenn Mario Götze, der Fußballer da auftauchen würde, wäre es mit meiner Geheimhaltung und damit bald auch mit meinem Leben vorbei. Also blieb ich wohl oder übel alleine.

Ann Kathrin erkannte zuhause natürlich sofort, dass etwas nicht stimmte. Besorgt hatte sie mich sofort in eine Umarmung geschlossen.
"Was ist passiert?", fragte sie sanft.
"Ich hab einen jungen Omega getroffen", murmelte ich und brauchte es zum Glück nicht weiter ausführen. Sie würde mich verstehen.
"Nicht jeder hat so viel Glück wie du", meinte sie vorsichtig.
"Glück", murmelte ich und schnaubte. "Als ob das was ich habe wirklich Glück wäre. Glück wäre es wenn Jungen wie er eine Wahl hätten! Wenn man sich nicht verstecken oder unterordnen müsste. Glück ist etwas, das dieses Land uns Omegas nicht erlaubt!", regte ich mich auf und halte mich von ihr gelöst.
"Ich weiß Mario und es tut mir leid. Ich hätte es nicht so ausdrücken sollen", entschuldigte sie sich. Aber für Besänftigung war es etwas zu spät.
"Ich hasse dieses System, dieses Land, diese Gesetze! Es ist einfach widerwärtig! Wir leben doch nicht mehr im Mittelalter! Aber diese dämlichen, einfach zu alten Alphas denken ja nicht mal dran etwas zu ändern! Ich hasse es einfach! Ich will nicht mehr Ann! Nicht hier", regte ich mich auf und ließ mich am Ende kraftlos aufs Sofa fallen. Ich war es leid und irgendwie auch müde. Es war kein neues Gefühl für mich. Oft genug hatte ich mir schon Gedanken über einen Ausstieg aus der Lüge gemacht. Vielleicht war ich feige und ängstlich, aber kein Ausweg kam für mich in Frage. Ich würde, mein musste weiter machen, auch ohne den Lichtblick am Horizont. Gedanken über die Zeit nach meiner Karriere halte ich mir zwar gemacht, aber auch die versprachen nicht mehr Glück. Dafür standen einfach zu viele Gesetze im Weg.
"Ich weiß Mario. Ich weiß, aber wir hatten das doch schon. Auch im Ausland musst du als Beta leben. Du hast hier eine Straftat begangen " , spielte Ann mal wieder die Stimme der Vernunft und setzte sich neben mich.
"Das ist doch alles scheiße", jammerte ich und kuschelte mich an sie. Ann schwieg und strich mir einfach nur sanft über die Seite.
"Wir schaffen das Mario. Ich helfe dir so gut ich kann", versicherte sie mir. Sie glaubte da auch wirklich dran, aber ich konnte besondere nach dem Erlebnis heute einfach nicht positiv bleiben. Ich wünschte, es wäre anders. Wünschte ich könnte etwas für die anderen Omegas tun. Jedoch brach ich feige wie ich war, jedes Interview in Richtung Omegas beendete ich bestimmt. Zu meiner Erleichterung kamen diese Fragen nur sehr sehr selten derartig politische Fragen und die Interviews ließen sich recht leicht beenden. Aus egoistischer Angst versuchte ich nicht mal meinen potentiellen Einfluss zu nutzen. In diesem Moment tauchte wieder der Blick des jungen Omega vor meinem geistigen Auge auf. Mein Gewissen randalierte und irgendwie kam es zu einer Kurzschlussreaktion.
"Wenn ich das nächste Mal in einem Interview auf Omegas angesprochen werde, werde ich antworten", warf ich in den Raum und überraschte damit Ann und mich selbst.

"Du willst was?", fragte sie nach und suchte meinen Blick.
"Ich will versuchen Einfluss zu nehmen", meinte ich, klang aber selber schon nicht mehr so sicher.
"Mario das ist gefährlich. Sonst hättest du es doch schon längst getan", protestierte sie.
"Ich weiß, aber ich fühle mich so schuldig, weil ich die Chance hatte mich zu verstecken", erklärte ich ihr und senkte den Blick. Ich hatte es ja nicht ohne Grund all die Jahre nicht getan.
"Vielleicht solltest du erstmal wieder etwas Abstand von dem bekommen, was heute passiert ist und dann nochmal über die Idee nachdenken", schlug Ann vor und ich seufzte. Vielleicht war es das beste. Das heute im Supermarkt hatte mich mitgenommen.
"Ja, vielleicht sollte ich das tun", stimmte ich ihr zu.
"Gut, dann schaust du jetzt etwas fern und ich kümmere mich um Einkauf und Abendessen", bestimmte Ann und lies mich auf dem Sofa zurück.

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