Als wir ins Esszimmer zurückkamen, herrschte erneut angespanntes Schweigen. Aber nicht mehr lange. Kaum hatte mein Vater uns erblickt, musste er den nächsten fiesen Spruch ablassen:
"Na, hast du dich wie ein braves Omega von deinem Alpha einfangen lassen?"
Hörbar zogen alle Anwesenden am Tisch die Luft ein. Marco hinter mir versteifte sich auch wieder und ich spürte seine zu Fäusten geballten Hände, aber er hielt sich zurück. Das hier musste ich mit meinem Vater austragen.
"Nein, hab ich nicht. Ich hab mit meinem Freund gesprochen und er hat mir geraten, was ich jetzt tun sollte. Es war ganz alleine meine Entscheidung wieder hier rein zu kommen und nicht zu gehen", erwiderte ich und mein Vater zog überrascht eine Augenbraue hoch.
Mit dieser Antwort hatte er wohl nicht gerechnet.
"Ach wirklich? Weißt du was ich hier sehe Mario? Ein Omega, das negativ von einem Alpha beeinflusst ist und nicht weiß, wo sein Platz in der Hierarchie dieser Welt ist. Deine Mutter und ich sind daran jedoch auch nicht ganz unschuldig. Wir hätten dich niemals so ein Leben führen lassen sollen als angeblicher Beta, aber wir haben dich ja leider auch noch unterstützt. Ein Fehler, aber aus Fehlern lernt man. Es wird Zeit, dass du verstehst, dass das Spiel jetzt vorbei ist. Du bist ein Omega und wirst niemals eine gleichberechtigte Beziehung führen. Omegas sind nur für den Haushalt da. Dein Alpha wird das schon auch noch merken und dich nicht mehr mit zum Training nehmen", legte mein Vater in seiner besten Manier los.
"Marco war das Beste, was mir hätte passieren können! Er behandelt mich nicht wie einen Unterlegenen! Er liebt mich und ich liebe ihn! Du hast doch keine Ahnung! Dich hat mein Leben doch nie großartig interessiert! Hauptsache niemand erfährt das Geheimnis und die Karriere läuft!", kam es von mir.
"Das bisschen Talent was du hattest war auch der einzige Grund dich zu behalten", kam es verächtlich von meinem Vater zurück.
"Das bisschen Talent? Ich wurde mehrfach deutscher Meister, hab den DFB-Pokal gewonnen und wurde Weltmeister! Das bisschen Talent? Ich bin vielleicht nicht das Wunschkind für dich gewesen, aber du kannst nicht behaupten, dass ich nicht immer alles gegeben hätte! Ich hab für den Fußball und auch für den Stolz meiner Familie in Kauf genommen niemals wirklich privat glücklich werden zu können! Ich hab den Fußball immer über alles gestellt und wollte nur einmal, dass du stolz auf mich bist und nicht nur den missratenen Omega mit zu viel Talent in mir siehst! Aber das wirst du wohl nie tun! Vielleicht sollte nicht ich gehen, sondern du Vater!", war meine Antwort und alle sahen mich überrascht an.
Damit hatte jetzt wohl niemand gerechnet. Ich zugegebenermaßen auch nicht.
"Du schmeißt mich raus? Mich, der alles für die Lüge mit aufs Spiel gesetzt hat? Ohne mich stündest du nicht mal hier!", entgegnete er empört.
"Und dafür werde ich dir wohl auch immer auf eine Art dankbar sein, aber das hier ist mein Zuhause und wenn du weiter Teil meines Lebens sein willst, dann solltest du dich damit abfinden, dass Marco jetzt mein Alpha ist und die Situation nun mal so ist, wie sie ist. Man kann die Zeit nicht zurückdrehen. Aber ich bin eigentlich ganz glücklich mit dem, wie es jetzt ist. Ich hatte großes Glück mit Marco und wenn du das nicht akzeptieren kannst, dann gehst du besser und meldest dich auch nicht mehr. Ich hab es satt für dich immer der Versager von Sohn zu sein", festigte ich meinen Standpunkt und mit jedem Wort ging es mir ein Stück weit besser.
Ich konnte mir endlich Sachen von der Seele reden, die schon länger raus gesollt hätten.
"Das ist absolut lächerlich! Das muss ich mir nicht länger bieten lassen! Felix, Fabian wir gehen!", befahl er und stand auf.
Aber keiner meiner Brüder rührte sich.
"Nein Vater. Ich steh hinter Marco und Mario. Du kannst nicht so mit deinem Sohn umgehen", ergriff Fabian als Erster das Wort.
"Du bist eine Schande! Genau wie dein Bruder!", spuckte unser Vater aus.
"Nein, die Schande bist du", erwiderte Fabi gelassen und unser Vater bekam schon einen roten Kopf vor Wut.
"Felix, komm mit! Das müssen wir uns nicht länger geben. Es gibt durchaus Wichtigeres wie unter anderem deine Karriere. Wenigstens einer meiner Söhne muss den Familiennamen mal mit etwas anderem als Dreck beschmutzen", meinte mein Vater wütend.
Aber auch Felix rührte sich nicht.
"Du bist nicht mein Berater Papa und ich möchte eigentlich noch mit meinen Brüdern zu Ende essen", meinte Felix leise.
"Wie können meine eigenen Söhne es nur wagen mir so in den Rücken zu fallen?!", stieß er verächtlich aus.
"Jürgen, willst du dich nicht beruhigen? Wir können doch über alles in Ruhe reden. Denkst und nicht, dass es Zeit ist auf deine Söhne einzugehen? Sie sind keine kleinen Kinder mehr, sondern alles erwachsene Männer, die ihre eigenen Entscheidungen treffen können. Hat nicht besonders Mario es verdient, dass du ihm endlich mal ohne Vorurteile begegnest und ehrlich mit ihm bist?", mischte sich unsere Mutter wieder in das Gespräch ein.
"Was willst du damit sagen Astrid?", fragte mein Vater sie immer noch aufgebracht.
"Denkst du wirklich, dass niemand deine stolzen Blicke gesehen hat, wenn du Mario hast spielen sehen? Wie stolz du warst, als dein Sohn einen Titel nach dem anderen gewonnen hat? Warum kannst du es nicht einfach zugeben und dem Jungen mal sagen, dass du stolz auf ihn bist", griff sie ihn jetzt direkt an und ich war überrascht.
Mein Vater sollte mal stolz auf mich gewesen sein?
"Genau Papa, du warst immer stolz auf Mario und hast immer laut gesagt 'das ist mein Sohn'. Warum kannst du's ihm nicht einfach auch sagen und es ihm zeigen? Bald ist Weihnachten. Willst du wirklich, dass sich die Familie so kurz davor endgültig entzweit?", mischte sich auf Fabian wieder ein.
Es herrschte Schweigen, während wir alle auf die Reaktion meines Vaters warteten.
Und die ließ auch auf sich warten. Gefühlte Stunden standen wir da und nichts geschah. Ich gab die Hoffnung eigentlich schon auf. Gleich würde wieder irgendeine Tirade kommen und die angestrebte Versöhnung konnten wir vergessen. Aber mein Vater überraschte mich und setzte sich mit einem Seufzen wieder hin.
"Ich war immer stolz auf all meine Söhne. Ich werde mich wohl nur erstmal daran gewöhnen müssen, dass jetzt alle Welt weiß, dass du ein Omega bist und du jetzt einen Alpha hast", meinte er.
Perplex starrte ich ihn an. Wo war in den letzten paar Minuten mein Vater hin verschwunden.
"Wir brauchen wohl alle Zeit um uns an die Situation gewöhnen. Aber als Familie wird es für alle einfacher, wenn wir uns nicht auch noch streiten", meinte Marco, "Mario hat eine Familie verdient, die hinter ihm steht und ich bin froh, dass wir uns hier jetzt nicht im Streit trennen. Auch wenn es vielleicht noch einige Zeit dauern wird, bis alles beseitigt ist."
Danach setzten wir langsam wieder unser Essen fort. Schwierige Themen wurden dabei vermieden und alle bemühten sich höflich miteinander umzugehen.
Es war anstrengend, aber ein Fortschritt. Und auf diesem Fortschritt ließe sich nach meiner Bindung bestimmt noch weiter aufbauen.

DU LIEST GERADE
Sleepless Dreamer
FanfictionAuch in einer Gesellschaft in der es Alphas und Omegas gibt, Anführer und Unterwürfige hat dennoch jeder Mensch seine Träume. Manche sind erreichbarer als andere und manche Träume platzen wie eine Seifenblase. Diese Erfahrung musste auch Mario mache...