Kapitel 38

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Im Schlafzimmer angekommen, nahm ich einen Koffer und eine Reistasche und stellte sie vor meinen Kleiderschrank.

Es war schon komisch... Dieses Gefühl zu wissen, dass das hier bald alles nicht mehr mein Zuhause sein würde. Dass all die Erinnerungen mit diesem Haus bald nur noch in meinem Kopf existieren würden. Ich hier nicht noch weitere, schöne und auch unschöne Momente erleben würde. Nicht mehr mit Ann unten auf dem Sofa eine Serie schauen oder mich in der Küche ums Einkaufen kabbeln würde. Nicht mehr einen Mannschaftsabend hier verbringen oder einfach nur alleine auf meinem Bett zu liegen und von meinem Leben zu Träumen. Davon zu träumen, wie es wäre kein Omega zu sein und wie mein Leben ablaufen könnte, ohne dass jemand jemals mein Geheimnis erfuhr.

Aber es waren genau das. Träume, die wie eine Seifenblase geplatzt waren. Ich konnte nur hoffen, dass neue Träume kommen würden und sie dann dieses Mal nicht zerplatzen würden. Vielleicht war ich ein Träumer, aber es war nun mal mein Weg, der grausamen Realität zu entfliehen. Einer Realität, die Omegas wie mir nicht viel bot an dem man sich erfreuen könnte.

Langsam begann ich meine Kleidung in die Taschen zu packen und ging dann ins Bad um auch meinen Kulturbeutel zu befüllen.

Dabei fielen mir meine Suppressiva ein. Würde ich sie jetzt absetzen müssen? Oder durfte ich sie weiter nehmen?

Eigentlich wollte ich sie trotz allem nicht absetzen. Auf meine Hitzen konnte ich dankend verzichten und ich wollte ganz sicher nicht, dass meine Biologie Marco und mich in irgendeine Zwangslage brachte.

Ohne Hitze waren wir beide besser dran. Also mussten meine Suppressiva auch mit und das tendenziell eher unbemerkt vor Marco. Dafür musste ich diese aber erstmal aus der Küche schmuggeln.

Die ganzen Taschen oben lassend, schlich ich leise die Treppe herunter. Aus dem Wohnzimmer drangen Ann Kathrins und Marcos Stimme zu mir und so schlüpfte ich weiter in die Küche.

Zum Glück verstaute ich die Packung nicht sehr aufwendig, sondern hatte sie direkt neben der Kaffeemaschine stehen, sodass ich an keinen Schrank und auch nicht kramen musste.

Gerade als ich wieder an der Treppe war, hörte ich etwas von ihrer Unterhaltung mit, was mich dann doch stehen bleiben ließ.

"Tu ihm nicht weh Marco und überfordere ihn nicht. Ich weiß immer noch nicht so ganz, wie er das Erlebnis mit deiner Brunft verarbeitet hat", bat Ann Kathrin den Alpha gerade.

"Mit meiner Brunft? Ann Kathrin, was genau ist hier passiert bis Florian kam?", fragte Marco sie misstrauisch.

"Ich... Mario hat dir nichts gesagt?"

"Wir hatten noch nicht sonderlich viel Zeit zum reden. Also, was hab ich damals getan?", verlangte er mit Nachdruck zu wissen.

"Du warst halt in Brunft und ich glaube du hast unter den Suppressiva dennoch Marios Omegadasein gerochen. Du warst auf jeden Fall fast nicht von ihm weg zu bekommen und wenn Felix und ich uns nicht eingemischt hätten, dann wärst du auf jeden Fall deutlich weiter gegangen und er hätte es zugelassen.

Mario konnte sich nur ganz knapp vor dir verschanzen und du hast erst von ihm abgelassen als Florian da war und dir klar wurde, dass du Mario nicht erreichen würdest", erzählte Ann Kathrin und Scham stieg in mir hoch.

Warum musste sie Marco erzählen, dass ich so schwach gewesen war und mich ihm beinahe hingegeben hätte.

"Deswegen sein komisches Verhalten danach...", murmelte Marco nur.

"Ja. Er wusste nicht an was du dich erinnerst. Ob dir klar war warum du ihn wolltest, also ob dir klar war, dass er ein Omega ist. Er hatte Angst um sein Geheimnis", bestätigte Ann Kathrin.

"Und Angst vor mir", meinte Marco bitter, "hat er mir auch deshalb nie was davon erzählt?"

"Ich kann es dir nicht genau sagen Marco. Da musst du wirklich Mario fragen. Ihr werdet viel reden müssen. Gerade jetzt am Anfang. Aber ihr habt ja alle Zeit dazu, wenn du ihn jetzt schon zu dir holst", antwortete Ann Kathrin darauf.

"Denkst du, dass ich das wollte? Ich wünschte es wäre nicht so. Ich habe eine schwangere Freundin zuhause und jetzt soll Mario auf einmal mein Omega sein. Ich hab in dieser Sekunde vorhin nicht daran gedacht. Nicht über die Konsequenzen nachgedacht. Das kann alles gehörig schief gehen. Aber wenn er nicht bei mir wohnt, wird das Zentrum darauf aufmerksam, dass etwas nicht stimmt. Ich bin mir sicher, dass sie uns ziemlich genau beobachten werden und wenn ich etwas noch weniger möchte, als dass Mario jetzt zu mir ziehen muss, dann dass er in ein Zentrum kommt.

So gerne ich ihn also hier lassen würde, es geht nicht. Aber über seine Lüge müssen wir definitiv nochmal reden. Man kann sein Leben nicht auf einer Lüge aufbauen. Es muss ihm doch klar gewesen sein, dass das Kartenhaus irgendwann zusammenfallen muss", erklärte Marco.

Natürlich wollte er mich nicht bei sich. Da war Scarlett, das Baby und ich hatte ihn betrogen. Ein Lügner und ein Omega, dass er jetzt auch noch am Hals hatte. Ich war für die ganze Welt überflüssig.

Ob Ann Kathrin ihm antwortete und wenn ja, was, hörte ich nicht mehr. Ich war so leise wie möglich wieder nach oben geschlichen und hatte die Suppressiva in meine Tasche gestopft. Jetzt nur nicht weinen und mir nicht anmerken lassen, dass ich etwas gehört hatte.

Nur wenige Minuten später klopfte es schließlich an die Tür.

"Darf ich reinkommen?", fragte Ann und ich nickte, "bist du schon fertig?"

"Ich habe erstmal alles für die nächsten Tage. Ich denke einen richtigen Umzug wird es nicht geben und sobald alles geklärt ist, werde ich nach und nach den Rest holen", antwortete ich.

Gedanklich fragte ich mich jedoch, wo ich dann landen würde. Bei Marco oder doch im Zentrum? Was war vielleicht die bessere Wahl?

"Ich werde dich vermissen Mario. Versprich mir, dass du mich immer auf dem laufenden hältst wie es dir geht. Ich bin immer für dich da", versicherte sie mir und umarmte mich.

"Danke Ann Kathrin. Danke für alles und für all die Jahre", bedankte ich mich bei ihr und genoss die Umarmung.

"Jederzeit wieder Mario", antwortete sie mir und löste sich dann.

"Du solltest los. Marcos Geduld wird auch nicht ewig anhalten", schniefte sie und ich nickte.

Gemeinsam gingen wir schweigend die Treppen runter zu Marco, der tatsächlich schon im Hausflur stand.

"Gut, dann können wir ja los", seufzte Marco erleichtert, nahm Ann Kathrin meine Reisetasche ab und ging einfach raus ans Auto.

"Mach's gut Ann", verabschiedete ich mich, lächelte und verließ schließlich hinter Marco mein altes Zuhause.

Sleepless DreamerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt