Kapitel 94

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Die Adventszeit hatte meiner Meinung nach schon immer ihren ganz eigenen Zauber und langsam spürte man immer mehr, dass Weihnachten näher kam.

Alle redeten über ihre Familien, was sie noch für Geschenke besorgen mussten und wie sie Weihnachten verbringen würden. Ich lief gerade mit Marco, Schmelle und Lukasz meine Runden, als das Thema auch bei uns in der Unterhaltung aufkam.

Lukasz erzählte davon, dass er seine Tochter Sara zum Adventssingen am Montag nach dem dritten Advent mitbringen würde.

"Kommst du eigentlich auch mit Mario?", fragte er mich daraufhin.

"Ich weiß nicht", wich ich der Frage aus und schaute unsicher zu Marco.

Natürlich wusste ich, dass dieser Termin anstand, aber noch keiner von uns hatte sich näher damit beschäftigt und vor allem nicht der Frage, ob ich da auch teilnehmen würde.

"Warum denn nicht? Du bist genauso Teil des Teams wie Marco und ich und jeder andere hier", meinte Schmelle.

"Bin ich das?", fragte ich zweifelnd.

"Aber natürlich bist du das! Würdest du mich als Teil des Teams beschreiben?", fragte Schmelle und verwirrte mich damit.

"Ja, natürlich bist du ein Teil des Teams", antwortete ich ihm und er nickte zufrieden.

"Na siehst du, und du bist genauso Teil des Teams. Wir stehen vielleicht nicht auf dem Platz oder sitzen auch mal nicht auf der Bank, aber wir sind dennoch Teil des Teams. Wir sind beide hier und deswegen sollten wir beide auch zum Adventssingen gehen", meinte Schmelle und zuckte mit der Schulter.

"Aber du und ich, das sind zwei komplett unterschiedliche Fälle. Du bist ein Beta und ehemaliger Kapitän", versuchte ich ihn auf das Problem aufmerksam zu machen.

"Und du das Omega zu unserem Kapitän. Außerdem bist du hier beim Training. Du willst doch selbst, dass man keinen Unterschied zwischen Alpha, Beta und Omega mehr macht. Dann mach du auch selbst keinen", warf mir Schmelle an den Kopf und nahm mir damit jeglichen Wind aus den Segeln.

Was sollte ich dazu auch schon noch groß sagen?

"Falls es hier noch jemanden interessiert, habe ich zu der Sache auch noch was zu sagen", mischte sich Marco ein, "Mario ist Teil des Teams und deshalb wird er natürlich auch zum Adventssingen kommen. Das ist auch schon abgeklärt und wir haben das Okay der Bosse."

"Wirklich?", fragte ich überrascht.

"Ja wirklich", bestätigte mir Marco.

"Danke", freute ich mich und fiel ihm um den Hals.

Das kam für ihn allerdings so überraschend, dass er das Gleichgewicht verlor und wir beide auf dem Boden landeten.

"Gerne Sunny", flüsterte er mir ins Ohr.

"Hey, mach uns unseren Kapitän nicht kaputt. Den brauchen wir noch", beschwerte sich Lukasz im Scherz bei mir.

"Würde ich nie tun. Will ihn ja selbst gesund und munter behalten", erwiderte ich und wir beide begannen uns wieder aufzurichten.

"Dann ist gut. Weihnachten am Krankenbett wäre bestimmt nicht schön", meinte Lukasz noch.

"Das wird es nicht geben. Weihnachten ist eh verplant", antwortete Marco.

"Was macht ihr zwei Hübschen denn schönes? Gehts nach Dubai?", fragte Schmelle, aber Marco schüttelte den Kopf.

"Wir müssen die Bindung vollziehen und dann haben wir gesagt, dass wir Weihnachten und die anderen Tage auch ganz gemütlich für uns nutzen können. Können ja das erste Mal als Familie feiern", erzählt Marco von unseren Plänen.

"Das erste Mal ist immer was ganz besonderes, wenn man so seine eigene Familie hat", sinnierte Lukasz, "wobei es bei Ewa und mir so war, dass wir erst mit der kleinen Sara so eine richtige Familie waren. Mit ihr war dann alles vollständig. Davor hat einfach noch was gefehlt."

"Ich weiß was du meinst, Melanie und Yvonne haben auch von sowas erzählt", meinte Marco und sofort fühlte ich mich wieder schlecht.

Ich wusste, dass Marco ein Kind wollte und natürlich hatten wir diese Unterhaltung bei Mats gehabt, aber irgendwie wollte ich es sein, der ihm das Kind schenkte. Ich und nicht irgendwer sonst. Eine Adoption wäre einfach nicht das gleiche. Ich wollte Marco doch alles geben können was er wollte und sich wünschte, so wie er es auch bei mir versuchte.

Seit München hatte ich schon ein mieses Gefühl, wenn ich meine Dosis Suppressiva nahm. Mit jeder Tablette sank die Chance, dass ich Marco mal ein Kind würde schenken können.

Spätestens beim Adventssingen wurde das Ganze für mich dann aber erst wieder so richtig präsent.

Lukasz' Tochter war einfach ein Engel und ich freute mich an dem Tag auch, dass sie dabei war. Die Kleine quasselte mich ziemlich viel voll, aber ich fand es einfach süß. Mit einem breiten Lächeln musste ich ihr einfach zuhören und in dem Moment verspürte ich zum ersten Mal so richten den Wunsch, dass ich nicht nur Marco ein Kind schenken wollte, weil er sich eins wünschte, sondern dass ich selbst begann mir ein Kind zu wünschen, weil ich es wollte. Ich wollte, dass so ein kleines Wesen bei uns war und unsere entstehende Familie vollständig machte.

Am liebsten hätte ich genau in dem Moment jetzt die Suppressiva abgesetzt, aber das ging nicht. Ich musste es noch durchziehen und dann einfach hoffen. Ich musste hoffen, dass mein Wunsch Fußball zu spielen nicht weiter bestraft werden würde.

"Du wirkst traurig", sprach Marco mich am Ende der Veranstaltung auf meine Stimmung an.

"Vielleicht etwas wehmütig, aber nicht traurig", korrigierte ich ihn.

"Und was ist los, dass du wehmütig bist? Wenn du es vermisst öfter bei Veranstaltungen dabei zu sein, kann ich auch dafür sorgen, dass du mit ins Teamhotel darfst. Vielleicht sogar bei den Spielen auf die Bank", schlug Marco vor.

"Es geht nicht darum. Es war wunderschön wieder so richtig dabei zu sein, aber es ist okay so, wie es ist", meinte ich.

Natürlich war es wunderschön gewesen wieder so richtig dabei zu sein. Das war ein fantastisches Gefühl und gerne würde ich es öfter erleben, aber es musste nicht unbedingt sein. Marco sollte sich wegen mir keinen Stress einhandeln.

"Was ist es dann?", fragte mich Marco besorgt.

"Es war nur die kleine Sara. Du willst ein Kind und ich irgendwie auch, aber ich weiß nicht ob es jemals gehen wird und das ist meine Schuld", brachte ich heraus.

"Es ist nicht deine Schuld Mario", widersprach mir Marco.

"Und wenn du das in ein paar Jahren anders siehst?", fragte ich traurig.

"Ich werde das in ein paar Jahren nicht anders sehen. Das verspreche ich dir", meinte Marco und zog mich in seine Arme.

Ich presste meine Nase in sein Shirt und hoffte, dass er das in ein paar Jahren auch noch so sehen würde. Ich wollte ihn niemals wieder verlieren.

Sleepless DreamerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt