Die eine Nacht hatte ich denkbar schlecht geschlafen. Eigentlich hatte ich fast gar nicht geschlafen. Ich hatte mich von einer Seite auf die andere gedreht und keine Ruhe vor meinen Gedanken gefunden.
Ständig spuckten mir auch die Nachrichten meiner Geschwister im Kopf herum, denen ich immer noch nicht geantwortet hatte. Aber ich wusste auch einfach nicht, was ich ihnen schreiben sollte und wie ich es tun sollte.
Gleichzeitig hatte ich Angst diesem Maier schon so schnell wieder zu begegnen. Sein Satz mit Marco darüber reden zu wollen, wie man richtig mit einem Omega umging, spuckte mir immer noch durch den Kopf.
Es war alles einfach nur so verflucht schief gelaufen. Genau wie mein ganzes Leben, seitdem ich meiner erste Hitze hatte. Vielleicht hätte ich mir damals einfach mein Leben nehmen sollen. Das hätte vielen Menschen einiges an Ärger, Leid und Sorgen erspart.
Vielleicht hätte mein Familie zunächst um mich getrauert, aber sie hätten auch bald erkannt, welchen Ballast ich ihnen damit erspart hätte. Ja, ich hatte damals den Fehler gemacht und mein Leben nicht beendet. Und irgendwie fühlte es sich jetzt zu spät an. Jetzt hatten wir das Schlamassel schon und ich war nicht so feige alle jetzt mit dem Ärger zurückzulassen.
Innerlich machte ich drei Kreuzzeichen als die Nacht endlich vorbei war und ich müde in die Küche tapsen konnte.
Von Marco und Scarlett fehlte jedoch noch jede Spur, aber ich ging mal davon aus, dass es ihnen nichts ausmachen würde, wenn ich mir schon mal einen Kaffee aus der Maschine laufen ließ. Ich hatte ja eigentlich nicht zum ersten Mal hier übernachtet und mich dann oftmals zum Frühstück selbst bedient.
Nur heute fühlte es sich irgendwie komisch an. Ich fühlte mich, als würde ich etwas Verbotenes tun. Aber vielleicht lag das auch einfach nur an der Situation und meiner bescheidenen Nacht. Ich fühlte mich gerade einfach allgemein nicht wohl in meiner Haut, also wie sollte ich mich in einem anderen, aufgezwungenen, neuen Zuhause schon wohlfühlen?
Gestern Abend hatte ich noch heimlich meine Suppressiva geschluckt und auch heute morgen nahm ich sie.
"Guten Morgen. Gut geschlafen?", begrüßte mich Scarlett, die als nächstes in die Küche kam. Ich verzog nur das Gesicht.
"Nicht wirklich", antwortete ich ihr.
"Marco auch nicht. Der hat sich die ganze Zeit neben mir gewälzt und mich so auch wach gehalten", seufzte Scarlett.
"Das tut mir leid", antwortete ich ihr, aber sie winkte ab.
"Nicht so schlimm. Ich bin so Nächte gewohnt. Wenn Marco irgendwie nervös ist oder so war es schon immer so", meinte sie locker, "wann müsst ihr denn los?"
"Keine Ahnung", gab ich zu.
Dieses Detail hatte mir Marco gestern verschwiegen. Aber gut, wir hatten beide auch viel in unserem Kopf, dass wir erstmal sortieren mussten. Er sogar noch mehr als ich.
"Unser Termin ist um 10. Wir haben also noch Zeit für ein gemütliches Frühstück und uns in Ruhe fertig zu machen", erklang Marcos Stimme, als er hinter uns die Küche betrat.
Ein Blick auf die Uhr, die 8.45 Uhr anzeigte, versicherte mir, dass er damit recht hatte. Andererseits hatte ich auch nicht das Bedürfnis etwas anderes als Kaffee zu mir zu nehmen. Mein Magen war noch viel zu sehr damit beschäftigt, den Knoten zu verdauen der sich nach Erwähnung unseres Besuchs im Zentrum gebildet hatte.
"Wie lange brauchen wir mit dem Auto?", fragte ich.
"Denke so ne gut halbe Stunde. Aber wir sollten eh etwas früher da sein. Macht einen besseren Eindruck", antwortete Marco und ließ sich ebenfalls eine Tasse Kaffee durchlaufen.
"Okay", murmelte ich.
Also eine halbe bis Dreiviertel Stunde, bis wir losfahren würden.
"Ich… ehm... Ich frühstücke heute nicht. Kein Hunger", entschuldigte ich mich und floh aus der Küche. Weder Marco noch Scarlett hielten mich auf.
Ich hatte das Zentrum in Dortmund noch nie so wirklich gesehen. Es befand sich eher abgelegen und von einem hohen Sichtschutz umgeben. Eigentlich erinnerte es mich ziemlich an ein Gefängnis. Mit der einzigen Ausnahme, dass alles in weiß war und ein wenig freundlicher wirkte. Dennoch waren die Sicherheitsstandards sehr hoch. Es sollten ja keine Alphas eindringen und kein Omega abhauen können.
"Das sieht ja sehr einladend aus", murmelte Marco, nachdem wir aus dem Auto und vor das Zentrum getreten waren.
"Ja, nicht wahr? Da fühlt man sich als Omega doch direkt willkommen", stimmte ich ihm zynisch zu. Ich wollte mir gar nicht vorstellen wie viele junge Omegas in diesem Gebäude leben mussten.
Die Wächter am Haupttor ließen uns passieren, aber ich trat instinktiv näher an Marco heran.
Das Ganze war mir einfach nicht geheuer. Marco nahm es zum Glück einfach schweigend zur Kenntnis.
Gemeinsam betraten wir das Hauptgebäude durch eine Drehtür und standen in einer großen Eingangshalle. Auch hier drinnen war alles weiß. Das viele Glas und die Blumen, die überall standen, konnten dem klinischen Flair des Ortes auch nicht entgegenwirken. Zielstrebig ging Marco auf die Dame am Tresen zu.
"Hallo, willkommen im Zentrum von Dortmund. Was kann ich für sie tun?", begrüßte sie uns und schaute desinteressiert von ihrem PC auf.
"Wir haben einen Termin bei Herrn Maier", erklärte ihr Marco. Daraufhin widmete sie sich wieder ihrem PC und klickte irgendwas an.
"Natürlich. Ich sehe es hier gerade. Einfach bitte den Gang runter und am Ende rechts. Sie sollten das Büro nicht verfehlen", bat sie uns und ignorierte uns dann.
"Sehr zuvorkommend der Service hier", flüsterte mir Marco ins Ohr, während wir den Anweisungen folgten.
Ich antwortete nicht und konzentrierte mich auf die Eindrücke. links von uns gab es ein Treppenhaus und einen Aufzug, rechts waren noch mehr Büros und Sitzungsräume. Alles offen mit Glas gestaltet und wenig Privatsphäre bietend.
So war schließlich auch das Büro von Maier, als wir bei diesem ankamen. Eine riesige Glasfront in Richtung des Außenbereichs vor der er mit seinem Schreibtisch saß und eine Glastür zum Gang.
"Herr Reus, Herr Götze. Herzlich willkommen. Schön, dass sie es einrichten konnten so schnell zu kommen. Bitte setzen sie sich doch", wurden wir empfangen und setzten uns brav auf die Plätze vor seinem Schreibtisch.
Nervös klemmte ich mir die Hände zwischen die Oberschenkel. Jetzt würde es also interessant werden.
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Sleepless Dreamer
ФанфикAuch in einer Gesellschaft in der es Alphas und Omegas gibt, Anführer und Unterwürfige hat dennoch jeder Mensch seine Träume. Manche sind erreichbarer als andere und manche Träume platzen wie eine Seifenblase. Diese Erfahrung musste auch Mario mache...