Kapitel 14

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Ganz langsam öffnete sich die Tür zu meinem sicheren Raum und ich hielt den Atem an. Hier raus gab es keinen Fluchtweg außer ins Bad nebenan, aber auch dort steckte man fest. Ängstlich fixierte ich die Tür.

"Mario bitte hab keine Angst. Marco ist nicht hier", hörte ich Ann Kathrins Stimme noch bevor ich sie sah.

Trotzdem schaffte ich es nicht, meine angespannten Muskeln zu lockern und konnte die angehaltene Luft erst wieder ausatmen, als sie die Tür ganz geöffnet hatte und wirklich nur sie und Felix zu sehen waren.

Der stürmte auch sofort als er mich sah auf mich zu und ehe ich es realisieren konnte, klammerte er sich an mich und ich hatte nur die Chance es für uns beide einigermaßen gemütlich zu machen, indem ich meine Beine ausstreckte und Felix sich ganz um meinen Oberkörper klammern konnte.

"Mario? Geht es dir gut? Hat er dir weh getan?", fragte mich Felix leise in mein Oberteil.

"Ja ich... Felix... Hat er dir was getan?", fragte ich panisch an die Situation denkend, in der ich ihn zuvor getroffen hatte und was ich bisher in meiner Angst verdrängt hatte.

"Mach dir keine Sorgen. Mir wollte er nicht an die Wäsche. Ich glaube er wollte mir nur klar machen, dass wir diesen Flo anrufen sollten", erklärte mir mein Bruder und ich war einfach nur erleichtert.

Dass er mir an die Wäsche wollte konnte ich verkraften, aber das mit Felix hätte ich ihm nicht verziehen.

"Das ist gut", murmelte ich.

"Aber was ist mit dir? Hat er dir weh getan?", fragte Felix ängstlich.

"Mir geht es gut Feli. Er hat mir nicht weh getan und ich bezweifle, dass er verstanden hat, warum er mich wollte", meinte ich.

Felix schaute mich ungemein erleichtert an.

"Ich hatte solche Angst", murmelte er in meinen Oberkörper.

"Es ist wirklich alles in Ordnung", versicherte ich ihm und strich ihm durch die Haare.

Nichts war in Ordnung, aber das musste Felix ja nicht wissen. Für ihn war der Abend schon verstörend genug gewesen.

"Das ist gut", nuschelte Felix.

"Ja. Bitte vergiss das heute Abend, ja? Marco konnte nichts dafür und es ist ja alles gut gegangen", murmelte ich.

Vielleicht war es wirklich albern, aber ich musste Marco einfach in Schutz nehmen.

"Kann ich heute Nacht bei dir schlafen?", fragte mich Felix leise.

"Aber natürlich", versicherte ich ihm und strich ihm weiter übers Haar.

"Danke Mario", murmelte er und gähnte.

Der Stress fiel ihm wohl, genau wie mir, mit einem Ruck ab. Auch ich war inzwischen sehr müde und wollte am liebsten schlafen. Allerdings wollte ich vorher unbedingt noch mit Ann Kathrin reden. Hier unten wollte ich nämlich wirklich nicht schlafen.

"Na komm Felix. Wir bringen dich hoch", forderte ich ihn sanft auf.

Wenn auch etwas widerwillig, löste sich mein kleiner Bruder von mir und ließ sich nach oben in mein Bett bringen.

"Ich komme auch gleich zu dir", versicherte ich ihm und schloss die Tür hinter mir.

Langsam ging ich Richtung Wohnzimmer in dem ich Ann Kathrin vermutete.

"Wir sollten lüften", nuschelte ich und ließ mich neben ihr aufs Sofa fallen.

Der ganze Raum war noch voll von Marcos Duft und ich hatte das Gefühl erdrückt zu werden. Aber um selbst zu lüften, war ich einfach zu fertig. Zum Glück war Ann Kathrin so lieb, öffnete die Fenster und holte sogar noch eine Decke für uns.

"Wie seid ihr Marco eigentlich los geworden?", fragte ich sie.

"Zum Glück kam dieser Flo doch früher als gedacht und Marco muss ihn erkannt haben. Er hat sich erstaunlich schnell von dir ablenken lassen und war leicht hier weg zu bekommen. Keine Ahnung welchen Trick dieser Flo kannte, aber ich war auch nicht böse drum", meinte Ann Kathrin und zuckte mit den Schultern. Ich dachte nach, warum Flo Marco so leicht händeln konnte. Wie nahe waren sich die beiden wohl wirklich? Warum war er dann überhaupt auf mich losgegangen?

"Ist wirklich alles okay bei dir?", fragte sie mich sanft und riss mich aus den Gedanken.

"Nein", murmelte ich und lehnte mich gegen sie, "ich hatte solche Angst Ann und ich konnte mich einfach nicht wehren. Ich wollte mich sogar gar nicht wehren. Da war dieser Drang einfach nachzugeben und es passieren zu lassen", versuchte ich ihr verzweifelt zu erklären.

Ich war so schwach gewesen. So absolut erbärmlich schwach. Hätten Felix und Ann Kathrin mich nicht gerettet, wäre ich verloren gewesen.

Ohne es kontrollieren zu können, begannen die ersten Tränen zu laufen. Ich war so erbärmlich. Ein nutzloses und hilfloses Omega.

"Hey Mario, nicht weinen. Du musst nicht weinen. Du hast versucht zu kämpfen und bist ihm nicht erlegen. Das ist die Hauptsache", versuchte Ann Kathrin mich zu beruhigen und drückte mich an sich, aber es half nicht wirklich.

"Ich hab versagt! Wie soll ich Marco jemals wieder in die Augen sehen können?", schluchzte ich verzweifelt.

Wie sollte ich ihm begegnen wenn er von allem wusste und verstanden hatte, dass ich ein Omega war? Und wie sollte ich ihm gleichzeitig begegnen, wenn er es nicht verstanden hatte? Könnte ich ihn wirklich wie davor gegenüber treten oder würde heute Abend immer zwischen uns stehen? Würde Marco mich meiden?

"Du hast nicht versagt. Und du kannst Marco ganz normal in die Augen sehen. Es war ein Unfall was hier passiert ist. Weder du, noch er tragen daran Schuld. Die Sache ist gerade nochmal gutgegangen und um mehr solltest du dir keinen Kopf machen. Du kannst die Zeit nicht zurückdrehen. Du kannst nur versuchen damit abzuschließen", redete Ann Kathrin auf mich ein.

Abschließen. So ein einfaches Wort, aber ich wusste einfach nicht wie. Ich spürte immer noch Marcos Hände, mein Verlangen und irgendwie zwei Gefühle, die ich nicht mochte.

Ich war es satt immer zu kämpfen und mich zu verstecken. Gleichzeitig war ich aber auch eifersüchtig. So irrational und albern es auch war, ich war eifersüchtig, dass ein anderes Omega Marco jetzt helfen würde und er interessanter gewesen war, als weiter mich zu wollen. Es war dumm und selbstmörderisch, aber das Gefühl war da.

"Ich weiß nicht ob ich das kann Ann", teilte ich meine Zweifel.

"Du wirst es müssen, wenn du hierbleiben willst", murmelte Ann Kathrin und seufzte, "und jetzt solltest du zu Felix. Es war ein harter Tag", fügte sie noch hinzu und gab mir ein Tempo um die Tränen zu trocknen.

"Morgen sieht die Welt schon wieder anders aus, vertrau mir", waren ihre letzten Worte, ehe wir beide ins Bett gingen und ich mich zu Felix in mein Bett kuschelte.

Sofort stieg mir das Gefühl von Familie hoch und ich konnte mich entspannen. Hier war ich sicher. Aktuell drohte keine Gefahr mehr. Der Tag forderte schließlich seinen Tribut und ich schlief ein.

Sleepless DreamerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt