Kapitel 4

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"Hallo Ann", rief ich, nachdem ich die Haustür hinter mir geschlossen hatte.

"Wohnzimmer", rief sie zur Antwort zurück und ich ging zu ihr, nachdem ich all mein Zeug abgelegt hatte.

"Na, wie war das Training?", fragte sie mich, als ich mich neben sie setzte.

"Der Trainer war etwas angespannt, aber ansonsten echt gut. Hab mit Mo trainiert", erzählte ich ihr und seufzte.

"Danke Mario", antwortete sie mir, "ich weiß, dass du normalerweise lieber mit Marco trainierst."

"Dem hat das auch nicht gefallen", murmelte ich.

"Aber es war besser so. Wenn etwas gewesen wäre- ", fing sie an, aber ich unterbrach sie.

"Es war aber nichts. Absolut gar nichts. Falscher Verdacht und dafür habe ich meinen besten Freund verletzt", regte ich mich auf.

"Dann entschuldigst du dich morgen halt eben bei ihm. Na und? Das ist ja kein Weltuntergang", wurde jetzt auch Ann lauter.

"Morgen reicht aber nicht. Ich kenne Marco. Bei ihm muss ich heute noch was tun", beschwerte ich mich.

"Dann schick ihm halt ne Nachricht oder ruf ihn an", pampte Ann mich an.

"Ich werde ihn heute Abend zu nem Serienabend einladen", teilte ich ihr meine Idee aus dem Auto mit.

"Mario-"

"Nein Ann. Lass es bitte. Ich weiß, dass du es nur gut meinst, aber bitte hör auf. Es geht mir gut und es ist alles okay. Ich werde ihn einladen und mich entschuldigen. Du kannst entweder hier bleiben oder du gehst zu einer deiner Freundinnen", stellte ich Ann vor die Wahl.

"Tut mir leid, aber ich werde dir sicher nicht dabei zusehen, wie du dich in Gefahr bringst", teilte sie mir mit und stand auf, "ich werde auswärts essen."

"Okay", gab ich einfach nur schlicht von mir und griff nach meinem Handy.

Hoffentlich würde Marco überhaupt noch Lust haben. Andererseits kannte ich ihn gut genug und wusste, dass er zu Serienabenden eigentlich nie nein sagen würde.

Und wie erwartet sagte er zu meiner Erleichterung auch zu und wollte in der nächsten halben Stunde bei mir sein. Damit wäre er schon da, wenn Ann gehen würde, denn diese ging jetzt erst ins Bad um sich zu richten.

Ich hingegen machte mich auf in die Küche und begann, gesunde Snacks für den Abend vorzubereiten. Immerhin wollte ich Marco für sein kommen etwas bieten und wenn es nur selbst zubereitete Snacks sind. Vielleicht albern und vielleicht das Omega in mir, aber ich konnte es nicht abstellen. Viel lieber betrachtete ich es als fürsorgliche Gastfreundschaft. Während ich also fleißig Gurken, Paprika und Karotten in Stücke schnitt, kam Ann in die Küche.

"Das sieht aber lecker aus", stellte sie fest und klaute ein Stück Karotte.

"Danke, ich werde noch einen Dip dazu machen ", kommentierte ich ihre Aussage und arbeitete weiter.

"Marco kann echt froh sein, dass du dich so um ihn kümmerst", seufzte sie.

"Ich mache uns auch bald mal wieder welche", vertröstete ich sie.

"Das wäre schön", schwärmte Ann und ich musste grinsen. Ich würde ihr wegen ihrem Verständnis heute bald mal wieder ihr Lieblingsessen kochen. Im nächsten Moment klingelte es schließlich an der Tür.

"Schnippel du ruhig weiter. Ich mach ihm auf", meinte Ann und machte sich auf den Weg die Tür zu öffnen.

Ich hingegen begann schneller zu schneiden, da ich noch nicht fertig war. Nur wie es halt immer passierte wenn man in Eile war, wurde man unachtsam. So unachtsam, dass ich mich schnitt. Scharf sog ich die Luft ein, legte das Messer weg und nahm den Finger in den Mund. Ich musste die Blutung schnell stillen, denn auch trotz Suppressive roch mein Blut immer noch unterschwellig nach Omega und gerade betrat ein Alpha mein Zuhause.

Zum Glück war der Schnitt nicht besonders tief und hatte bereits schon wieder aufgehört zu bluten. Dennoch hätte ich darauf verzichten können mein Omegadasein Auf diese Weise zu outen.

Schnell klebte ich ein Pflaster über den Schnitt und schnappte mir das, was ich schon geschnitten hatte, um es ins Wohnzimmer zu bringen.

"Hey Marco", begrüßte ich ihn und lächelte ihn an.

"Mario", begrüßte er mich nickend und ich schluckte.

Marco war nicht so entspannt wie sonst immer. Dennoch beschloss ich mich normal zu verhalten und ließ mich neben ihn auf das Sofa plumpsen.

"Dann wünsche ich euch mal viel Spaß und lasse euch alleine", verabschiedete sich Ann und verließ das Wohnzimmer.

Zwischen Marco und mir herrscht erstmal Schweigen. Ich wusste nicht recht, wie ich anfangen sollte und entschied mich, es über eine Entschuldigung zu versuchen.

"Das heute beim Training tut mir leid. Ich wollte dich nicht verletzen oder so. Mir ging es noch nicht wieder so gut. Ich wollte Ruhe und dann war da Mo...", versuchte ich mich zu erklären.

"Ist schon gut Mario. Ich kann ja verstehen, dass du ab und an mal Ruhe möchtest. Ich hab mich dafür sehr gefreut, dass du mich heute Abend eingeladen hast", antwortete er und irgendwie war das Thema damit erledigt.

"So, und welche Serie wollen wir schauen?", wechselte er schließlich das Thema.

"Suits?", schlug ich vor.

"Gerne", stimmte er zu und ich schaltete den Fernseher ein, um Netflix zu starten.

Gemeinsam machten wir es uns gemütlich. Da wir schon alle Staffeln durch hatten, begannen wir wieder ganz am Anfang, als Mike Harvey kennenlernte und das ganze Lügenkonstrukt begann. Eine Geschichte, in der Mike vorgab Jura in Harvard studiert zu haben, um seinen Traum, als Anwalt zu arbeiten, leben zu können. Ich verspürte ein großes Verständnis für ihn und jedes Mal aufs neue tat er mir dennoch leid.

"Ich verstehe einfach nicht, wieso er freiwillig mit einer Lüge lebt. Das muss so ungeheuer schwer sein. Wäre es nicht viel einfacher einfach doch Jura zu studieren? Oder sich einen anderen Beruf zu suchen?", stellte Marco die Frage in den Raum.

"Ich weiß nicht. Ich kann ihn verstehen. Ich würde auch alles tun, um Fußball spielen zu können", fing ich an für Mike Partei zu ergreifen.

"Musst du ja zum Glück nicht", meinte Marco.

Wenn er nur wüsste, wie falsch er damit lag.

“Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass man so auf Dauer glücklich werden kann. Ich finde es auch unverantwortlich, wie die anderen Mitwisser ihn decken können. Es ist ein Gesetzesverstoß", hängte Marco noch hinterher. So hatten wir noch nie über diese Serie gesprochen.

"Naja, letztendlich ist es Mikes Entscheidung. Es ist sein Leben und ich finde es gut, dass sie ihm nicht im Weg stehen, seinen Traum zu leben. Letztendlich ist immerhin er es, der den Hauptteil der Konsequenzen für sich und sein Handeln tragen muss", argumentierte ich.

"Vielleicht, aber ich könnte das nicht. Wie soll man bitte mit jemandem Umgehen, dessen Leben eine Lüge ist? Mit so jemandem könnte ich nicht befreundet sein. Stell dir nur mal vor bei uns würde sich einfach so ein Omega einschleichen und die Verantwortlichen wüssten davon. Das wäre absolut unverantwortlich dem Omega und dem Team gegenüber", regte sich Marco auf und ich schluckte.

Ich wusste bis heute nicht, wie er darüber dachte und jetzt war ich gerade sehr froh, dass ich ihm mein Geheimnis nicht anvertraut hatte. Mit Marcos Wissen wäre mein Leben beendet gewesen. Ich musste bei ihm 100% wachsam sein.

"Da stimmst du mir doch zu oder?", fragte er und ich schreckte hoch.

"Ja... Ja klar natürlich", stimmte ich ihm schnell zu und Marco nickte zufrieden.

Eine Weile schauten wir dann weiter stumm die Serie ehe Marco aus heiterem Himmel fragte:

"Warum riecht es bei euch eigentlich so nach Omega, obwohl ihr beide Betas seid?"

Sleepless DreamerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt