Kapitel 27

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Entsetzt blickte ich nach dieser Aussage zu Marco. Wie konnte er mir vorwerfen, dass niemand gut genug für mein Vertrauen war? Besonders er, dem ich so oft vertraut hatte?

Das verletzte mich zugegebenermaßen ziemlich. Ich wollte doch nicht nur mich sondern auch ihn beschützen, indem ich ihm nichts von meinem Dasein als Omega erzählte. Vielleicht hatte er mir auch oft genug einen Grund dafür gegeben ihm mit diesem Geheimnis nicht zu vertrauen. Immerhin kannte ich seine Meinung und da aktivierte sich dann mein Selbstschutz.

Ich wollte in keinem Zentrum landen. Niemals. Lieber belog die ich die ganze Welt und hatte halt keine Freunde. Keinen Marco in meinem Leben. Das tat weh, aber ich konnte... nein, musste damit leben um leben zu können.

"Was ist schon Vertrauen? Jeder definiert Vertrauen anders und lebt es anders. Ist es nicht besser manchmal nicht zu vertrauen und den anderen damit nicht in eine unangenehme Situation zu bringen beziehungsweise einen Konflikt auszulösen?", fragte ich an Marco gewandt.

"Ich hätte Joshuas Vertrauen gebrochen um dir zu vertrauen. Wäre es das wert gewesen? Eher nicht. Und du? Du hast deine Meinung über Mike in Suits deutlich gemacht. Nichts anderes hat Joshua getan und auch von seinem Versteckspiel warst du nicht begeistert. Wäre es also ratsam gewesen dir etwas zu sagen? Nein, denn es hätte dich und mich nur in Konflikte und unangenehme Situationen gebracht."

"Du hättest es mir trotzdem sagen können, damit ich überhaupt hätte entscheiden können und du mir nicht alles in den Mund legst", wehrte sich Marco.

"Ach ja? Auf dem Parkplatz hast du diese Annahme von mir aber sehr deutlich bestätigt. 'Omegas gehören in Zentren und zu einem Alpha aber nicht auf einen Fußballplatz', wenn ich mich recht erinnere", haute ich ihm vor den Latz.

"Das hast du nicht ernsthaft gesagt oder Marco?", mischte sich Schmelle wieder ein.

"Doch, hab ich", bestätigte Marco und seine Wangenmuskulatur zuckte angriffslustig.

"Wie kannst du sowas nur sagen? Gerade du als Alpha solltest doch eine vernünftige Meinung zu dem Thema haben und nicht diesen Bullshit von irgendwelchen Funktionären nachplappern", rüffelte nun auch Schmelle Marco an.

"Ich weiß, aber zum Teil stimmt es ja auch. Joshuas Spiel war extrem gefährlich und als ich das gesagt habe war ich verletzt. Ich hab mich von dir hintergangen gefühlt Mario. Ich hab dir all das von Scarlett erzählt und du weißt noch so viel mehr über mein Leben und ausgerechnet so erfahre ich, dass du Geheimnisse vor mir hast", entschuldigte sich Marco mehr oder weniger.

"Also denkst du gar nicht wirklich so?", fragte ich und hatte einen Schimmer Hoffnung.

Zwar konnte ich es nie zeigen, aber ich würde deutlich besser mit meiner Situation leben können wenn ich wüsste, dass ich von meinem besten Freund zumindest nicht komplett dafür verurteilt werden würde. Marcos Antwort war jedoch unbefriedigend.

"Aktuell ist es vielleicht an der Zeit etwas umzudenken. Joshua hat ziemlich viel durcheinander gewirbelt und neue Fragen aufgeworfen", war diese.

Mein bester Freund wollte sich also nicht klar positionieren.

"Ist klar", schnaubte ich und ließ ihn spüren, wie wenig ich von dieser Aussage hielt.

"Was hast du denn bitte erwartet Mario? Dass ich die Fahnen für Omegas im Profisport schwenke? Wenn ja, muss ich dich echt enttäuschen, denn das werde ich jetzt nicht tun. Ich will mich nicht in den Weg stellen, wenn der Sport ab jetzt für Omegas erlaubt sein sollte, aber mehr werde ich auch nicht tun. Diese Debatte ist zu groß für uns. Für jeden einzelnen von uns. Am meisten würde ich mir wünschen, dass Joshua kein Omega wäre und diesen Weg nicht eingeschlagen hätte. Aber daran lässt sich nichts ändern. Wir müssen jetzt nun mal mit der Lawine umgehen, die er ausgelöst hat", rechtfertigte sich Marco.

Ich wollte gerade zu einem bissigen Kommentar ansetzen, als ich von Schmelle unterbrochen wurde:

"Kommt schon Jungs. Deswegen braucht ihr euch jetzt wirklich nicht streiten, ja?"

Mein Blick wanderte von Marco zu Marcel und wieder zurück.

Er hatte ja recht. Es würde nichts bringen mich mit Marco zu streiten. Es würde mir in der aktuellen Situation emotional wahrscheinlich nur noch schlechter gehen und darauf konnte ich echt verzichten. Jetzt kam es mehr denn je darauf an, dass ich meine Rolle als Beta perfekt spielte und alles tat, damit ich niemals auffliegen würde.

"Marcel hat recht", seufzte ich und auch Marco nickte.

"Ja stimmt schon. Das war kindisch von uns. Was hältst du davon, wenn wir heute in der Mittagseinheit wieder zusammen die Übungen machen?", fragte mich Marco und ich überlegte kurz.

Seit unserem Gespräch auf dem Parkplatz waren wir uns so weit wie möglich aus dem Weg gegangen. Dadurch war das Training jedoch auch eine gute Spur langweiliger geworden. Mir fehlte der Spaß, den ich immer mit Marco hatte.

"Sehr gerne sogar", stimmte ich also zu und lächelte ihn an. Als Dank dafür bekam ich sogar ein Lächeln von Marco zurück.

"Sehr gut. Ich freu mich. Ach ja und ich soll dir noch ausrichten, dass Favre morgen nach dem Training gerne mit dir reden würde", sagte Marco noch und mein Herz rutschte mir in die Hose.

Ich wusste ganz genau worum es in diesem Gespräch gehen würde.

"Danke für die Nachricht", versuchte ich die Fassade zu halten.

"Weißt du was er von dir will? Mir wollte er nichts sagen", fragte mich Marco und ich schüttelte sofort den Kopf.

"Nein, keine Ahnung."

Und wieder eine Lüge in meinem riesigen Geflecht aus Lügen. Aber auf die kam es jetzt wohl auch nicht mehr drauf an.

Sleepless DreamerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt