Kapitel 11

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Vorsichtig hatte ich Marco geholfen in mein Auto zu kommen und sich auf den Beifahrersitz zu setzen.

"Soll ich dich nicht lieber zum Arzt fahren?", fragte ich ihn vorsichtig, aber er schüttelte den Kopf.

"Nein nein, so schlimm ist es zum Glück nicht. Nur ein bisschen kühlen, dann sollte es gehen", winkte Marco ab.

Eigentlich wollte ich widersprechen, ließ es dann aber doch bleiben. Mein Drang nach einer Auseinandersetzung war mit Felix schon gedeckt worden.

"Okay, dann also zu mir. Aber nicht erschrecken. Felix ist da", gab ich nach und setzte mich wieder hinters Steuer.

"Stört mich nicht", kam es nur von Marco.

"Okay, gut", beendete ich die Unterhaltung etwas grob.

Was sollte ich auch sagen? Nee, hab keinen Bock dich mitzunehmen? Das ging wohl kaum. Außerdem hatte ich ein schlechtes Gewissen. Als bester Freund musste ich einfach für ihn da sein und ihm helfen. Da musste dann der Abend mit meinem Bruder eben umgeplant werden.

Marco schien verstanden zu haben, dass ich nicht weiter reden wollte, denn er ließ mich zum Glück in Ruhe nach Hause fahren.

Zuhause half ich Marco ins Wohnzimmer aufs Sofa und das Bein hochlegen.

"Ich hol dir was zum kühlen aus der Küche", meinte ich und ging davon.

Ich ertrug Marcos Laune nur schwer. Dieser Missmut, den er ausstrahlte, machte mich fertig. In der Küche saßen Ann Kathrin und Felix beim Essen.

"Da bist du ja wieder. Wir haben dir deine Portion warm gehalten", begrüßte mich Ann Kathrin.

"Danke, dass ist lieb von euch. Aber erstmal muss ich Marco da drüben im Wohnzimmer was zum kühlen für sein Knie bringen"; seufzte ich.

"Marco ist hier.", mischte sich Felix interessiert ein.

"Ja. Hat zuhause Stress und ist verletzt. Konnte ihn ja schlecht auf der Straße liegen lassen", murrte ich und beobachtete, wie Felix begeistert die Küche verließ und das Wohnzimmer ansteuerte.

Mein kleiner Bruder hatte Marco schon immer bewundert und gemocht. Früher war ich am Anfang darauf mal eifersüchtig gewesen, inzwischen war es mir egal. Ich war nun mal nicht das beste Vorbild für Felix, auch wenn ich es mir manchmal anders gewünscht hätte.

Ann Kathrin wusste von diesen Gedanken und Gefühlen natürlich und konnte wohl erahnen, dass mir genau diese gerade durch den Kopf gingen.

„Er bewundert Marco. Aber dich liebt er von ganzem Herzen Mario, du bist sein Bruder"; sagte sie sanft und legte mir eine Hand fürsorglich auf die Schulter.

"Ich weiß. Es ist nur schwer. Immerhin war Marco vorhin noch Teil unseres Streits", murmelte ich.

"Ich verstehe", meinte Ann sanft, "aber du solltest Marco jetzt trotzdem was zum kühlen bringen. Er kann nichts dafür und das weißt du tief in deinem Herzen auch."

Sie hatte recht. Marco konnte nichts für Felix’ Bewunderung und sein Knie tat bestimmt weh.

"Kannst du vielleicht die Salbe holen, mit der du mich bei sowas immer eincremest?", fragte ich.

"Aber natürlich", versicherte sie mir und verschwand mit einem letzten aufmunternden Lächeln aus der Küche.

Ich schnappte mir den Eisbeutel und lief ins Wohnzimmer. Dort saß Felix in einem der Sessel und plauderte mit Marco. So sehr ich es auch versuchte, es nervte mich und vielleicht ließ ich den Eisbeutel etwas unsanft auf Marcos Knie fallen, sodass dieser zusammen zuckte.

Sagen tat er jedoch nichts. Besser so. Betont locker und entspannt setzte ich mich auf die Lehne von Felix’ Sessel auf und schaute Marco auffordernd an, während ich fragte:

"Also, warum habt ihr euch gestritten?"

"Wegen dem Baby mal wieder. Sie weiß seit heute, dass es ein Mädchen wird und will es öffentlich machen", murmelte Marco.

"Du wirst Vater?", kam es von Felix, der natürlich nicht eingeweiht war.

"Ja, also nein- vielleicht- es- es ist kompliziert", seufzte Marco, "auf jeden Fall haben wir uns wieder gestritten und bei dem Termin war halt der andere potentielle Vater dabei und ich hab's nicht mehr ausgehalten und bin laufen gegangen. Schwangere Frauen sind einfach brutal anstrengend", redete Marco weiter und seufzte.

Er wirkte dabei so unglaublich erschöpft von dem ganzen Thema, dass er mir leid tat.

"Sie beruhigt sich auch wieder. Das sind gerade die Hormone. Ich kann mir vorstellen, dass es auch Scarlett nicht gut geht mit der Situation", brachte Ann Kathrin die weibliche Sicht ins Gespräch, als sie mit der Salbe in der Hand das Wohnzimmer betrat, "und jetzt Krempel mal dein Bein hoch Marco. Die Salbe hilft", wies sie ihn an und als Marco wie aufgefordert sein Knie freigelegt hatte, cremte sie es ihm ein.

"Danke Ann Kathrin", bedankte er sich bei ihr und sie lächelte ihn nachsichtig an.

"Gerne und jetzt schön kühlen", antwortete sie, "dann kannst du bald heim und morgen zur Nationalmannschaft."

"Ich will nicht heim", jammerte er, "warum habe ich mich nur für eine Beta entschieden? Ständig diskutiert und streitet sie mit mir, kann nicht ein Mal einfach was akzeptieren. Mit einem Omega hätte ich diese ganzen Streitereien nicht und ich müsste mir auch keine Sorgen machen, dass er fremd geht. Er würde einfach tun, was ich sage und ich hätte meine Ruhe", beschwerte sich Marco weiter und ließ den Kopf auf die Sofalehne fallen.

Nur mit Mühe konnte ich mich beherrschen um Marco nicht meine Meinung zu sagen.

Omegas waren keine Püppchen, die zu allem was ein Alpha sagte, ja und Amen sagten. Auch wir hatten unsere eigene Meinung.

"Und zur Not hätte ich immer noch meine Alphastimme. Mein Leben wäre so viel schöner und einfacher", klagte Marco weiter und ich konnte mir das nicht mehr anhören.

"Deswegen weiß er nichts. Wegen diesen Einstellungen", zischte ich Felix zu, stand auf und verließ das Wohnzimmer. Ich brauchte jetzt erstmal einen Moment Ruhe.

Mit einem Glas Wasser setzte ich mich  dann wieder an den Küchentisch und ließ den Kopf auf die Arme fallen.

Was ein Tag mit einer Achterbahnfahrt an Gefühlen. Da tat ein wenig Stille wirklich gut. Nur leider hielt sie nicht lange an. Ich war bestimmt noch keine fünf Minuten hier, als Felix herein geeilt kam und panisch meinte:

"Wir brauchen Hilfe Mario! Marco geht in die Rut!"

Sleepless DreamerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt