Kapitel 39

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Während der Autofahrt hatte ich nur aus dem Fenster geschaut. Ich konnte nicht mit Marco reden und musste ein wenig meinen Gedanken nachhängen. Immerhin würde ich gleich auch noch vor Scarlett mein Geheimnis offenbaren müssen und Marco und ich mussten besprechen, wie es weiterging.

Vielleicht sollte ich einfach zu Marco sagen, dass ich freiwillig ins Zentrum ginge. Das wäre für alle Beteiligten vielleicht doch das Beste. Dann müsste ich auch nicht beobachten, wie er Tag für Tag ins Training ging, in Spielen spielte und meinen Traum weiter lebte.

Ich hatte zwar nur daran schnuppern dürfen wie ein normales Leben sein könnte, hatte dabei aber den Fehler gemacht es nie mehr missen zu wollen. Mein Traum vom Fußball hatte sich allerdings inzwischen leider immer mehr in einen Alptraum verwandelt.

Wäre Joshua doch nur nicht aufgeflogen. Anderseits durfte ich so nicht denken, durfte ihm nicht die Schuld dafür geben. Er hatte bestimmt auch nicht auffliegen wollen und für das Versagen der Suppressiva konnte er ja auch nichts.

Nur etwas Positives hatte die ganze Sache. Als Omega durfte ich rein theoretisch andere Omegas in einem Zentrum besuchen. Das bedeutete, dass ich vielleicht mal nach Joshua schauen dürfte. Sofern das Zentrum und Marco es natürlich zuließen.

"Wegen Scarlett-", durchbrach Marco die Stille, "wir werden es ihr vorsichtig erklären müssen. Außerdem spielen bei ihr die Hormone verrückt, also nimm dir ihre Reaktion bitte nicht zu herzen."

"Natürlich", murmelte ich.

Erneut wollte ich mich nach dem Kind erkundigen, aber ließ es auch jetzt besser sein. Es war genau wie heute morgen in der Kabine einfach nicht passend.

"Wir lassen deine Taschen erstmal im Auto", verkündete Marco als wir bei ihm angekommen waren und er das Auto abstellte.

“Oder weißt du was, vielleicht rede erstmal nur ich mit ihr", schlug er dann doch vor und schaute mich an.

"Okay", gab ich mein Einverständnis.

"Ich hol dich wenn ich mit ihr geredet habe", versicherte er mir und stieg aus.

Wie gewünscht blieb ich also allein im Auto sitzen. Irgendwie kam ich mir abgestellt vor.

Weil ich nichts besseres zu tun hatte, zog ich mein Handy heraus. Einige Nachrichten von Felix, Fabian und meiner Mutter blinkten mir entgegen. Genauso wie ein verpasster Anruf von meinem Vater.

Ich entschied mich, mich zuerst um diesen zu kümmern. Mein Vater meldete sich nicht allzu oft, aber wenn er es tat, war es wichtig und man sollte sich mit Priorität darum kümmern, um seinen Unmut nicht auf sich zu ziehen.

"Hallo Papa", meldete ich mich am Telefon, nachdem er den Anruf entgegengenommen hatte.

"Mario", kam es kühl von ihm und ich musste schlucken. Das war kein gutes Zeichen.

"Ich glaube ich muss dir etwas sagen", murmelte ich und fühlte mich wieder wie ein fünfjähriges Kind, dass irgendetwas angestellt hatte.

"Wenn es damit zusammenhängt, dass ich deine Dateien an SportsTotal senden musste, dann brauchst du nicht mehr viel sagen. Als Omega musst du selbstverständlich zur Beraterfirma deines Alphas", spuckte er aus.

"Wer hat dich darüber informiert?", fragte ich geschockt. Würde Marco das veranlasst haben?

"Der Leiter eurer Lizenzspielerabteilung. Nach eurem Outing heute wollen sie keine weiteren rechtlichen Probleme mit den Zentren und Behörden", klärte mich mein Vater auf.

"Ich... Es tut mir leid Papa", entschuldigte ich mich.

"Das reicht leider nicht aus. War es wirklich so schwer Mario? Du musstest nur ein Geheimnis für dich behalten! Für deinen Traum ein kleines Opfer bringen! So viele Menschen haben Dinge für diesen Traum von dir geopfert! All das hast du einfach mit Füßen getreten!", schimpfte mein Vater.

"Aber- Ich hab das doch nicht mit Absicht gemacht", verteidigte ich mich leise.

"Sorg dann jetzt wenigstens dafür, dass du ein vernünftiges und braves Omega für deinen Alpha abgibst. Scherereien oder Skandale sind nicht gut für die Vermarktung des Namens. Denk an die Karriere deines Bruders", haute er mir vor den Latz und mir kamen erneut die Tränen.

"Ja Papa", murmelte ich.

"Gut. Ich melde mich wieder, wenn ich die Enttäuschung verdaut habe", beendete mein Vater das Gespräch und legte einfach auf.

Mit so einer Reaktion aus der Familie hatte ich nicht gerechnet. Andererseits war mein Vater nun mal mein Vater. Das verhinderte trotzdem nicht die Tränen.

Sollte ich meinen Geschwistern und meiner Mutter wirklich noch bescheid sagen? Lieber nicht. Dann würde ich wohl das letzte bisschen Fassung verlieren, das ich noch irgendwie hatte.

Als ich Marco wieder aus dem Haus kommen sah, wischte ich mir schnell die Tränen von den Wangen. Hoffentlich würde er nichts bemerken. Aber es war Marco und er kannte mich einfach zu gut.

"Mario? Was ist passiert? Was ist los?", fragte er mich sofort, zog mich aus dem Auto und in eine Umarmung.

Mit dieser plötzlichen Nähe zu ihm konnte ich jetzt so gar nicht umgehen und schluchzte in seine Schulter.

"Mein Vater", brachte ich heraus.

"Er weiß bescheid?", fragte er.

"Ja. Er musste meine Dateien an deine Beraterfirma schicken", schluchzte ich.

"Wer hat das veranlasst?", fragte Marco.

"Der Verein. Als Omega muss ich bei deinen Beratern sein", schniefte ich.

"Sie hatten keinerlei Recht sich da einzumischen!", regte sich Marco auf und ich zuckte mit den Schultern. Sie hatten es aber getan.

"Mein Vater er-", ich konnte nicht weiter sprechen.

"Ist gut Mario. Ich kann es mir vorstellen", murmelte er.

Er hatte meinen Vater ja schon kennen gelernt und kannte die ein oder andere Geschichte über ihn. Tröstend drückte er mich fester an sich und strich mir über den Rücken.

"Na komm, wir gehen mal rein aufs Sofa. Der Tag heute war ganz schön heftig und so ein bisschen Ruhe wird dir gut tun", meinte er dann und ich ließ mich ohne Widerstand von ihm reinführen.

Sleepless DreamerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt