Kapitel 91

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Eine Woche später am Sonntag hatte ich dann schon wieder meine Zweifel, ob das Essen eine gute Idee gewesen war. Auf dem Tisch stand der Adventskranz mit zwei brennenden Kerzen. Drum herum war alles eingedeckt für sechs Personen und das Essen war auch servierfertig.

Und dennoch hatte ich Panik.

Es musste einfach alles perfekt sein. Ich hatte die halbe Nacht vor Sorge nicht geschlafen. Marco war das dann heute morgen gegen vier Uhr auch aufgefallen, als er auf Toilette gehen wollte.

Verzweifelt hatte er versucht, mich zum einschlafen zu bringen, hatte aber erst in den sehr frühen Morgenstunden Erfolg. Dementsprechend müde war ich auch. Nicht gerade optimal für eine Konfrontation mit meiner Familie, besonders nicht mit meinem Vater.

"Setz dich doch noch ein paar Minuten auf's Sofa. Noch ein paar Minuten Ruhe tanken, bevor es losgeht", schlug er mir vor.

"Keine Zeit. Wir müssen doch bestimmt noch irgendwas vorbereiten", erwiderte ich.

"Es ist alles fertig Mario. Du kannst und brauchst nichts mehr machen. Leg dich einfach hin, ja?", meinte er und schaute mich bittend an.

"Okay, aber nur ganz kurz", gab ich mich geschlagen und legte mich auf's Sofa.

Wirklich nur zwei oder drei Minuten liegen und Energie tanken für das Essen. Nur ganz kurz.

Meine Augen wurden langsam immer schwerer, aber ich würde nicht einschlafen. Ich würde mit Marco zusammen noch überprüfen, ob alles passte bevor meine Familie kam. Ich würde gleich aufstehen, doch ehe ich mich versah, war ich schon eingeschlafen.

"Mario, komm, du musst aufwachen. Dein Vater ist da und wir wollen essen", wurde ich schließlich sanft von einer weiblichen Stimme geweckt.

"Mama?", murmelte ich müde und öffnete schläfrig meine Augen.

"Hallo mein Schatz", lächelte sie mich mütterlich an.

Ich kam mir wieder vor wie in meiner Kindheit, also meine Mutter mich noch immer geweckt hatte.

"Wie lange bist du schon da?", murmelte ich verwirrt.

Warum hatte Marco mich denn nicht geweckt, als meine Mutter ankam?

"Ich bin mit deinen Brüder vor einer Viertelstunde gekommen", erklärte sie mir.

Meine Familie war schon eine Viertelstunde da? Ich hätte mich niemals hinlegen sollen!

"Es tut mir leid, ich hätte nicht schlafen sollen", murmelte ich immer noch müde.

"Aber nein, dein Marco hat uns aufgeklärt. Es ist gut, dass du noch etwas geschlafen hast", meinte meine Mutter sanft.

"Ich sollte trotzdem aufstehen, damit wir essen können", seufzte ich, dabei hätte ich viel lieber noch weiter geschlafen.

Dennoch rappelte ich mich auf und stand mühsam auf. Gemeinsam mit meiner Mutter ging ich ins Esszimmer rüber, wo auch der Rest meiner Familie schon saß.

Fabian und Felix begrüßten mich sofort mit einer Umarmung. Wie ich mit meinem Vater umgehen sollte, wusste ich nicht. Der saß immer noch auf seinem Stuhl und beachtete mich gar nicht.

"Hallo Papa", wagte ich dann doch das Wort an ihn zu richten.

"Du bist eine Schande. Dein Alpha musste uns die Tür öffnen und uns reinführen. Das ist die Aufgabe eines guten Omegas. Wovon musstest du dich denn bitte erholen? Du hast gestern nicht mal gespielt", war seine Antwort und ich musste schlucken.

Traurig senkte ich den Blick und ließ seine Worte schweigend so im Raum stehen. Stattdessen ging ich weiter um den Tisch zu Marco, damit ich neben ihm Platz nehmen konnte.

Dieser legte mir mitfühlend eine Hand auf den Oberschenkel und versuchte mir dadurch gleichzeitig Kraft zu geben.

"Wir sollten essen", meinte er in die Runde und einer nach dem anderen begann sich seine Teller zu füllen.

Es herrschte betretenes Schweigen, bis Marco versuchte ein Gespräch anzufangen.

"Und Felix, wie läuft es gerade so in Augsburg?", fragte er höflich bei meinem Bruder nach.

"Ich arbeite dran. Ansonsten ist es halt nicht einfach. Keiner von uns möchte am Ende der Saison absteigen", antwortete mein Bruder.

"Du musst dich mehr anbieten Junge. Dräng dich auf, sodass sie dich spielen lassen müssen. Du musst dich durchbeißen. Diese Familie braucht wenigstens einen erfolgreichen Fußballer", mischte sich mein Vater ein und ich konnte nicht fassen, dass er das gerade ernsthaft gesagt hatte.

Als hätte meine Karriere nie existiert. Auch Marco neben mir am Tisch hatte sich angespannt.

"Papa-", setzte Felix an, der seinen Blick kurz zu mir hatte huschen lassen.

"Nichts Papa. Du musst dich einfach mehr anstrengen. Wir werden deine Karriere schon noch in Schwung bringen", wiegelte unser Vater ab.

"Jürgen, jetzt lass den Jungen doch mal. Er wird das in seinem Verein schon richtig machen", mischte sich meine Mutter ein.

"Halt dich da raus Astrid. Ich kümmere mich um die Karrieren der Jungs. Das war unsere Abmachung", fuhr mein Vater sie an.

"Na das funktioniert ja wunderbar", schnaubte meine Mutter verächtlich und schon waren sie wieder dabei einen handfesten Streit zu entwickeln.

In diesem Moment wurde mir mal wieder bewusst, dass es vielleicht wirklich das Beste gewesen war, dass sie sich getrennt hatten.

"Bitte, wir wollen nicht streiten. Dafür haben Marco und Mario uns nicht eingeladen", unterbrach Fabian unsere Eltern.

"Fabian hat recht. Wir sollten das Essen nicht mit unseren Streitereien verderben", meinte meine Mutter.

"Da gibt es nichts, was man verderben könnte. Dieses Essen führt uns nur den größten Fehler unserer Familie vor Augen. Wir hätten Mario damals in ein Zentrum abgeben sollen, als er sich als Omega entpuppt hat. Es war dumm von uns, uns von seinem Talent täuschen zu lassen. Versteh einer die Welt, dass sie so viel Potenzial an einen Omega verschwendet", meinte mein Vater kühl und ich konnte es nicht mehr ertragen.

Mit einem vernehmbaren Klappern legte ich das Besteck ab und stand auf. Wortlos verließ ich den Raum. Das konnte und wollte ich mir hier nicht mehr weiter geben.

An der Garderobe zog ich mir dann meine Schuhe an und war gerade dabei mir die Jacke überzustreifen, als Marcos Hand mich aufhielt.

"Bleib hier Mario. Das ist dein Zuhause. Dein Vater hat kein Recht dich von hier zu vertreiben", redete er auf mich ein und nahm mein Gesicht in seine Hände.

"Ich kann das nicht Marco. Das Essen war ein Fehler", murmelte ich.

"War es nicht. Wir gehen da jetzt wieder rein und sagen deinem Vater unsere Meinung. Du sagst ihm endlich wie du die Sache siehst und ich werde die ganze Zeit hinter dir stehen und dich unterstützen. Du kannst das Mario. Er mag zwar dein Vater sein, aber er hat nicht das Recht so über dich zu sprechen", meinte Marco.

"Ich kann das nicht", weigerte ich mich.

"Doch, du kannst. Wir können das. Du musst da nicht mehr alleine durch und deine Brüder und deine Mutter unterstützen dich. Glaub mir, danach geht es dir besser", redete er weiter eindringlich auf mich ein.

"Na schön, probieren wir's halt", murmelte ich.

"Ich bin stolz auf dich Sunny", lächelte Marco und küsste mich schnell sanft, "und jetzt lass uns deinem Vater ne Ansage machen."

Sleepless DreamerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt