Kapitel 98

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Schweigend standen wir uns nach wie vor gegenüber. Die Situation war festgefroren, ausweglos. Zumindest erschien es gerade so.

Nur unsere Liebe, beziehungsweise deren Beteuerung, schien nicht zu reichen. Irgendetwas musste geschehen, dass Marco verstand, dass ich ihn nie verlassen würde und ihn auch wirklich von mir aus will und ich musste es endlich in meinen Kopf rein bekommen, dass er mich auch nicht verlassen würde.

"Wollen wir vielleicht erstmal Abendessen?", schlug ich vorsichtig vor und schaute ihn scheu an.

Marco reagierte zunächst nicht.

"Ich hab dein Lieblingsessen gekocht. Wir müssten es nur nochmal warm machen", fügte ich noch an.

"Du hast gekocht?", fragte er schließlich überrascht.

"Ja... Ich... Ich wollte mich entschuldigen für mein Verhalten", stammelte ich.

"Das ist- danke", brachte Marco irgendwie raus.

Ich sagte nichts mehr. Irgendwie passten keine Worte in diese Situation. Stattdessen gingen wir mit einer spürbaren Distanz zwischen uns zum gedeckten Tisch.

Ich schob schnell das gekochte Essen in die Mikrowelle und war froh, als ich mich mit Essen ablenken konnte. Irgendwie wirkte auch die Tischdeko einfach nur noch fehl am Platz und falsch. Warum hatte ich die nochmal nicht gleich weggeräumt?

"Das schmeckt wirklich gut", durchbrach Marco irgendwann die Stille.

"Danke", murmelte ich und schon war die Unterhaltung wieder beendet.

Wir wussten einfach nicht, worüber wir miteinander sprechen sollten.

"Danke für das Essen. Ich werd wohl mal lieber ins Bett gehen", meinte Marco nachdem wir aufgegessen hatten.

"Ich räum noch den Rest auf und komm dann nach", informierte ich ihn.

Marco nahm das nur mit einem Nicken zur Kenntnis und verschwand dann aus der Küche. Ich blieb alleine zurück und stieß ein Seufzen aus.

Wie hatte in so kurzer Zeit alles so stark den Bach runter gehen können? Ich konnte es einfach nicht fassen. Sollte wirklich so alles kaputt gehen? Ich musste das Ganze einfach aufhalten. Ich wollte nicht, dass es so endete. Ich musste einen Weg finden. Ich musste Vertrauen schaffen. Vertrauen von Marco in mich und von mir in ihn. Ich musste es einfach schaffen.

Vielleicht war ich jetzt gerade über die Situation verzweifelt, aber es hatte auch Vorteile mit sich gebracht. Ich konnte Marcos Zweifel verstehen, waren sie meinen doch so ähnlich. Ich konnte ihn verstehen und das brachte mich ihm irgendwie näher als zuvor. Wir konnten uns nur gegenseitig die Ängste nehmen und jetzt musste vielleicht mal ich das erste Zeichen setzen.

Ich musste der Stärkere von uns beiden sein und uns die ersten Zweifel und Ängste nehmen. Ich musste uns beiden beweisen, dass es uns ernst war. Ich wusste nur noch nicht wie. Vielleicht würde eine Dusche ja helfen.

Als ich also alles aufgeräumt hatte, machte ich mich auf den Weg ins Schlafzimmer um frische Sachen zu holen, die ich zum schlafen anziehen konnte. Im Schlafzimmer lag Marco mit dem Rücken auf dem Bett und starrte an die Decke. Er bemerkte mich nicht mal oder er wollte mich nicht bemerken. Nicht mal als ich geräuschvoll die Schublade der Kommode öffnete.

Eigentlich wollte ich mir nur wieder eine schwarze Boxershorts raus holen, als mein Blick auf etwas anderes viel. Konnte das vielleicht die Lösung sein? Wäre das wirklich der richtige Schritt?

Unsicher schnappte ich mir den Hauch von Nichts, packte mir aber auch noch eine normale Unterhose, ehe ich ins Bad verschwand. Sollte ich das wirklich tun?

Diese Frage ließ mich auch unter der Dusche nicht los. Sollte ich? Wäre das das richtige Zeichen? Intimität war schon mehr, vor allem nachdem ich sehr lange nicht dazu bereit war. War ich es jetzt? Es fühlte sich richtig an und wie konnte ich Marco schon mehr Vertrauen beweisen?

Als ich das Wasser der Dusche abstellte war ich mir sicher. Ich würde es versuchen. Mehr als schiefgehen konnte es ja nicht und eine schlimmere Situation als die jetzige ging ja eigentlich auch fast nicht. Ich hatte nichts zu verlieren. Statt also die normale Boxershorts anzuziehen, streifte ich mir diesen Hauch von nichts über. Mein Bruder würde aber eindeutig nie erfahren, dass ich diesen Shoppingartikel wirklich angezogen hatte und auf seine Wirkung baute.

Nach einem letzten tiefen Atemzug, packte ich all meinen Mut zusammen und kehrte ins Schlafzimmer zurück.

Marco lag noch immer unverändert auf dem Bett. Er schenkte mir auch keinerlei Aufmerksamkeit, was meine Mission gerade nicht unbedingt einfach machte.

Dennoch ging ich entschlossen und zielstrebig auf unser Bett zu. Ich setzte mich neben ihn, aber er schaute mich immer noch nicht an.

"Marco?", sprach ich ihn schließlich an.

"Hm?", war seine grandiose Erwiderung.

"Könntest-", ich musste noch einmal tief Luft holen, ehe ich fortfuhr:

"Könntest du mich bitte mal anschauen?"

"Was ist denn?", fragte er etwas ungehalten, drehte sich mir zu und dann stockte ihm kurz der Atem als er realisierte, was ich da trug.

"Das ist gerade kein guter Zeitpunkt für Witze", war das nächste, was Marco sagte.

"Das ist kein Scherz Marco", erwiderte ich und war zu meiner eigenen Überraschung sehr ruhig.

"Mario- Sollten wir nicht erstmal reden?", fragte Marco unsicher.

"Nein. Wir reden immer. Glaubst du durch reden hört diese Unsicherheit endlich auf? Ich nämlich nicht. Ich will das hier. Ich vertrau dir und das ist mein Beweis. Ich will dir alles geben und das gehört nun mal dazu. Außerdem hast du doch selbst gesagt, dass du am liebsten vor der Hitze schon mehr wollen würdest. Ich bin so weit. Ich will das. Jetzt", meinte ich eindringlich.

"Aber ich bin nicht bereit Mario", hauchte Marco immer noch unsicher.

"Wirklich? Marco, ich liebe dich und vertraue dir. Das hier ist für mich der letzte Schritt. Ich hab noch niemandem genug vertraut um ihn so nahe an mich ran zu lassen. Aber ich bin bereit es mit dir zu tun. Weil ich weiß, dass du es nie ausnutzen würdest. Mich nie ausnutzen würdest", erwiderte ich.

"Ich... Mario... du willst das nicht wirklich", versuchte Marco mir zu sagen, was ich wollte und jetzt wurde ich doch etwas genervt.

"Du kannst mir vertrauen Marco. Ich weiß ganz genau, was ich will und gerade bist das du", erklärte ich ihm und sah, wie etwas in seinen Augen blitzte, "und jetzt hör bitte auf dir für mich deinen Kopf zu zerbrechen und küss mich endlich."

Für einen Augenblick zögerte Marco noch und ich fürchtete schon, dass er einen Rückzieher machen würde und wieder ich aktiv werden musste, als er mich dann doch küsste.

"Sicher", fragte er dann aber doch nochmal, nachdem er den ersten Kuss gelöst hatte und wir Stirn an Stirn waren.

"Ganz sicher", antwortete ich leise und schon verschmolzen unsere Lippen zu einem nächsten Kuss.

Sleepless DreamerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt