Am nächsten Tag dachte ich fast nicht mehr an den Vorfall. Das Abschlusstraining hatte für mich im Fokus gestanden. Ich wollte gegen Augsburg, gegen meinen kleinen Bruder, endlich wieder wenigstens dabei sein und auf der Bank sitzen. Das wäre mehr als die Spiele zuvor. Ich musste nicht in die Startelf, auch wenn Spielzeit natürlich noch schöner wäre. Es würde mir jedoch schon reichen auf die Bank zu dürfen, sodass auch die Presse mich vielleicht etwas mehr in Ruhe ließe.
Deren Berichte machten mich jetzt schon fertig. Daran, wie das werden würde wenn ich nicht dabei war, wollte ich gar nicht erst denken. Gleichzeitig versuchte ich daraus jedoch auch so viel Kraft und Motivation wie nur irgendwie möglich zu ziehen.
Es freute mich aber auch ungemein, dass ich aus dem Team so viel Unterstützung bekam. Besonders Marco hatte es sich beim Abschlusstraining zur Aufgabe gemacht, mich immer wieder anzutreiben wenn er der Meinung war, dass ich etwas nachgelassen hatte.
Zugegeben, Marco wusste einfach ganz genau wie er mich motivieren musste. Und auch mein Wissen, dass Felix auf jeden Fall dabei war und mindestens auf der Bank saß, schwebte mit ständig im Hinterkopf. Ich wollte unbedingt wieder spielen und scheinbar hatte ich den Trainer auch überzeugen können, denn als er uns mitteilte, wie der Kader aussehen würde, war mein Name ebenfalls gefallen.
Mit einem glücklichen "Ich bin wieder dabei", war ich Marco um den Hals gefallen, der mich lachend ebenfalls umarmt hatte.
"Bist du Sunny. Ich wusste es doch! Ich bin stolz auf dich", bekam ich als Antwort und es tat mir einfach unglaublich gut diese Worte von ihm zu hören. Auch wenn ich das natürlich niemals offen zugeben würde.
"Ich muss sofort Felix schreiben", meinte ich und löste mich von Marco. Der bedachte mich mit einem nachsichtigen Lächeln, während ich Felix total aufgekratzt die Neuigkeiten per WhatsApp mitteilte.
Er freute sich natürlich auch für mich. Aber der letzte Teil seiner Antwort brachte mich dann doch zum Lachen.
"Was schreibt Felix denn?", fragte Marco neugierig.
"Mein kleiner Bruder denkt wohl, dass Augsburg gegen uns gewinnen wird und er meint ich sollte gleich ein Päckchen Temops für die Tränen einpacken", erzählte ich ihm und auch Marco musste grinsen.
"Das hätte er wohl gerne", meinte mein bester Freund und schüttelte den Kopf, "dein Bruder kommt auf verrückte Idee."
"Ich weiß", grinste ich und antwortete Felix, dass er mal schön weiter träumen solle.
Leider gestaltete sich die Realität doch etwas mehr wie Felix’ Traum als mir lieb war. Zunächst rannten wir der 1:0 Führung der Augsburger hinterher und erst in der zweiten Halbzeit schaffte der eingewechselte Paco den Ausgleich.
Es war frustrierend von der Bank aus zuzusehen, wie Felix nur zwei Minuten später eingewechselt wurde. Er sollte und durfte seinem Team jetzt helfen. Etwas was ich auch gerne tun wollte. Allerdings war ich auch nicht der zweite Wechsel von Favre und wir kassierten wieder ein Gegentor.
So mussten wir erneut dem Rückstand hinterher rennen. Am liebsten würde ich vor Frust schreien und auch die anderen Jungs sahen nicht sehr begeistert aus.
Einen letzten Wechsel konnten wir noch tätigen. Mein Blick war schließlich wohl mehr als ungläubig, als ich die Nachricht erhielt, dass ich eingewechselt werden würde.
Ich durfte spielen! Ich durfte endlich wieder spielen! Aufregung und Euphorie durchflutete mich. Ich würde alles geben um irgendwie noch zu gewinnen!
Und tatsächlich gelang erneut Paco kurz nach meiner Einwechslung der Ausgleich. Jetzt war alles wieder offen. Es hieß nun alles zu geben!
In der 80ten Minute konnte ich mein Glück dann fast nicht glauben. Ich kam an den Ball und tatsächlich landete er im Tor!
Meine Freude war unbeschreiblich und in diesem Moment fühlte ich mich so frei von all meinen Belastungen wie schon lange nicht mehr.
Daraufhin wurden wir allerdings recht schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, denn Augsburg schoss erneut den Ausgleich. Innerlich fragte ich mich, wer mich hier eigentlich verarschen wollte. Dieses Spiel war doch nicht mehr normal!
Als Paco uns dann schließlich erneut in Führung brachte, konnte ich den Abpfiff nicht mehr abwarten. Diese drei Punkte mussten wir einfach haben!
Tatsächlich ertönte schließlich der lang ersehnte Pfiff und wir hatten das Spiel gewonnen. Erleichtert und glücklich ließ ich meinen Blick über den Platz und durchs Stadion schweifen.
Die Fans feierten und auch die anderen Jungs schienen jetzt sehr gute Laune zu haben. Marco war dabei unter ihnen und schaute mich freudig an.
Ich ging jedoch nicht direkt zu ihm. Ich wollte noch zu meinem Bruder, der auf der Augsburger Bank saß und auf das Spielfeld schaute. Als ich auf ihn zuging, grinste er mich schief an.
"Tolles Tor", meinte er und ich setzte mich.
"Danke Feli", antwortete ich, "war ein seht gutes Spiel."
"War es. Auch wenn ich lieber gewonnen hätte", antwortete Felix, "warum feierst du nicht?"
"Das hat noch Zeit. Meinen kleinen Bruder sehe ich nicht so oft", erwiderte ich.
Ich vermisste meine Brüder, beziehungsweise meine Familie. Vielleicht sogar noch mehr, Da ich ein Omega war, aber die regelmäßigen FaceTime Anrufe und Felix hier zu sehen, war auch etwas Schönes und trug bereits zu meiner Gefühlslage bei.
"Gutes Spiel", erklang eine Stimme und wir beide blickten schließlich zu Marco auf, der sich uns genähert hatte.
"Danke. Ihr wart auch gut. Gratulation zum Sieg", erwiderte Felix.
"Danke. Ist schön dich zu sehen Felix, aber ich würde dir gerne mal deinen Bruder entführen", antwortete Marco und lächelte mich an.
"Klar, ich komme", meinte ich an Marco gewandt und fügte an Felix noch hinzu:
"Wartest Du nachher am Auto auf mich? Dann nehme ich dich mit heim?"
Felix nickte bestätigend.
Mein Bruder hatte vor einigen Tagen beschlossen, dass er noch ein oder zwei Nächte bei mir in Dortmund bleiben würde und erst dann wieder nach Augsburg fahren würde. Immerhin war Länderspielpause.
Gemeinsam mit Marco kehrte ich also zur Mannschaft zurück.
"Du bist froh, dass Felix hier ist", stellte Marco fest.
"Sehr. Ich liebe meine Familie", antwortete ich.
"Ja, Familie ist was schönes", seufzte Marco und ich schwieg. Was sollte ich darauf auch groß sagen? Lieber ich versuchte ihn abzulenken.
"Schön, aber nebensächlich. Lass uns lieber unseren Sieg feiern", sagte ich und Marco war sofort überzeugt und abgelenkt.
Mit etwas Wehmut betrachtete ich ihn. Es tat mir schon leid, dass er nicht glücklich sein konnte mit der Situation mit Scarlett.
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Sleepless Dreamer
FanfictionAuch in einer Gesellschaft in der es Alphas und Omegas gibt, Anführer und Unterwürfige hat dennoch jeder Mensch seine Träume. Manche sind erreichbarer als andere und manche Träume platzen wie eine Seifenblase. Diese Erfahrung musste auch Mario mache...