Kapitel 78

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"Von Regeln halten sie vier wohl wirklich nichts", sprach sie uns ohne Begrüßung an.

Ganz offensichtlich war sie sehr verstimmt.

"Nun, es kommt ganz auf die Regeln an", versuchte Marco auszuweichen.

Er versuchte eine wahnsinnige Souveränität an den Tag zu legen, aber wir alle wussten, dass wir noch was von ihr wollten und sie vielleicht gnädig stimmen sollten.

"Vielleicht sollten wir das in meinem Büro weiter besprechen. Wenn sie also alle mitkommen würden", schlug sie uns vor, aber es war klar, dass es eigentlich kein Vorschlag sondern eine Order war.

Sie wartete gar nicht erst auf eine Antwort, sondern drehte sich wieder um und ging zum Haupthaus zurück.

"Wir sollten ihr folgen", meinte Joshua leise und ich nickte.

"Sollten wir", stimmte ich zu.

Immerhin wirkte sie auch jetzt noch netter als Maier.

Als erstes setzten sich Jule und Joshua in Gang. Die beiden liefen nahe nebeneinander, sodass sich ihre Hände zufällig berühren konnten, aber sie trauten sich nicht, die Hand des anderen zu nehmen. Das war ja schon süß. Bei Marco und mir sah das ganz anders aus. Wir hielten die Hand des Anderen, als wir ihnen folgten.

"Hinsetzen", forderte uns Joshuas Betreuerin im Büro auf und deutete auf die Stühle vor ihrem Schreibtisch, die erstaunlicherweise von der Anzahl her stimmten.

Brav setzten wir uns hin. Wegen so einer Kleinigkeit musste man jetzt ja auch nicht gleich noch mehr Stress erzeugen.

"Was haben sie sich gedacht als Alphas einfach so in den Außenbereich eines Omega-Zentrums zu kaschieren und dort Fußball zu spielen?! Das hier ist ein sicherer Ort für Omegas, wo Alphas keinen großartigen Zugang haben! Darum gibt es uns mitunter. Und sie treten das und das Sicherheitsgefühl mancher Omegas einfach mit Füßen!", regte sie sich auf und irgendwie musste ich ihr da innerlich recht geben.

Es gab auch Omegas hier, die vor Alphas geflüchtet waren und schlechte Erfahrungen mit Ihnen gemacht hatten. Die würden sich jetzt im Garten wohl eher weniger blicken lassen.

"Aber das ist ja noch nicht alles! Sie spielen einfach mit zwei Omegas Fußball. Mit zweien, die wegen dieses Sports erhebliche Probleme am Hals hatten und besonders zu Joshua Kimmichs Auflagen hier gehört es, dass er von diesem schädlichen Sport ferngehalten wird. Schlimm genug ist schon das Alpha mit dem er sich Paaren wird. Da brauchen wir nicht auch noch solche Aktionen", regte sie sich weiter auf.

"Jetzt halten sie aber mal die Luft an. Sie können Julian nicht einfach nur auf sein Sportler-Dasein beschränken! Er hat Joshua deutlich mehr zu bieten! Und wenn Joshua Fußball spielen will, dann lassen sie ihn doch! Er liebt diesen Sport! Er würde alles für ihn geben, er macht ihn glücklich und so geht es jedem begnadeten Fußballer", konnte Marco sich als erster von uns nicht mehr halten.

"Er hat dadurch seine Aufgaben und Pflichten als Omega vergessen und sich in Gefahr gebracht! Von seiner Fruchtbarkeit dank Leistungssport und Suppressiva fangen wir gar nicht erst an!", regte sich die Betreuerin weiter auf und traf damit ausversehen auch bei mir den noch durchaus wunden Punkt.

"Er wusste genau wie ich, welches Risiko er eingeht und wir beide stehen dazu. Aber sie können doch nicht erwarten, dass wir den Fußball einfach so aus unserem Leben streichen", mischte auch ich mich ein.

"Außerdem werde ich Joshua sicher nicht den Fußball verbieten", pflichtete mir auch Jule bei.

"Noch bin ich für Joshua zuständig und nicht sie Herr Weigl", fuhr sie ihn kalt an und Jule musste die Lippen aufeinander pressen um nichts falsches zu erwidern.

"Es war wohl wirklich ein Fehler von uns, dort im Garten etwas zu kicken. Das tut uns leid und wird auch nicht wieder vorkommen. Aber das ist die Schuld von uns Alphas. Ist es nicht als Omegas Joshuas und Marios Aufgabe uns glücklich zu machen? Und wenn uns das da draußen glücklich gemacht hat, können sie ihnen das dann wirklich vorwerfen nur weil sie, wie sie es fordern, gute Omegas waren?", fragte Marco provokant und ich blickte bewundernd zu meinem Freund.

So einen Schachzug hätten ich jetzt nicht erwartet.

"Nun, da mag etwas dran sein, Herrn Götze kann ich ja sowieso nicht bestrafen und bei Joshua werde ich wohl auch von einer Strafe absehen wenn sie das so ansprechen. Er wollte wohl wirklich nur sein Alpha glücklich machen. Oder Joshua?", fragte sie am Ende an ihn gewandt und Joshua nickte sofort eifrig.

"Nun gut, aber so etwas wird nie wieder vorkommen. Haben wir uns verstanden?", fragte sie ernst in die Runde und im Chor antworteten wir alle brav:

„Verstanden."

"Gut, dann sind sie jetzt entlassen", seufzte sie, aber keiner von uns rührte sich.

"Oder gibt es noch etwas?", fragte sie nach und betreten nickte Joshua.

"Ich hätte da eine kleine Bitte", setzte er an.

In dem Moment griff Julian nach seiner Hand und fügte hinzu:

„Wir hätten da eine kleine Bitte."

Marco und ich verhielten uns still. Wir würden uns erst einmischen, wenn es nicht anders ging um den Plan durchgesetzt zu bekommen.

"Ich würde Joshua gerne an einem Wochenende mein Zuhause in Dortmund zeigen. Wir wollen uns ja sicher binden und mir wäre es einfach wichtig, wenn Joshua vorher schon einmal dort gewesen wäre. Außerdem werde ich von ihm als mein Omega erwarten, dass er mich auch im Stadion unterstützt. Ich möchte ihn da aber zu nichts zwingen und er sollte vielleicht in meinen Augen auch erstmal ausprobiert haben, ob das wirklich was für ihn ist. Deswegen möchten wir das am Wochenende jetzt mit dem Bayern Spiel gerne testen", erzählte Jule schnell.

Ich vermutete mal ganz stark, dass er und Marco sich vorher auch Gedanken über den Verlauf des Gesprächs gemacht hatten. Die Frau hinter dem Schreibtisch seufzte.

"In der Regel ist es nicht vorgesehen, dass ein Omega mit seinem noch nicht gebunden Alpha das Zentrum, geschweige denn die Stadt verlässt", meinte sie.

"Aber Mario und Marco sind auch noch nicht gebunden und Mario wohnt bei Marco", beschwerte sich Joshua.

"Für dieses Paar bin ich auch nicht zuständig. Da ist es mir gleich, was der Betreuer veranlasst. Aber für sie beide bin ich zuständig und ich werde sie auch sicher nicht unbeaufsichtigt in ein Stadion lassen oder bei einem Alpha schlafen lassen", erklärte sie.

"Aber ich wäre im Stadion nicht alleine! Mario wäre doch auch da!", beschwerte sich Joshua.

"Das macht das Problem nicht kleiner. Im Gegenteil. Zwei unbeaufsichtigte, ungebundene Omegas in Deutschlands größtem Fußballstadion? Auf keinen Fall", lehnte sie ab.

"Aber das ist nicht fair!", rief Joshua.

"Regeln sind Regeln und das Leben ist nun mal nicht immer fair", bekam er als Antwort.

Ich sah die Tränen in Joshuas Augen förmlich brennen, als er aufsprang, seine Hand aus Julians Griff löste und aus dem Raum rannte. Die Tür knallte hinter ihm zu.

Sofort wollte Jule ihm folgen, aber er wurde aufgehalten.

"Sie bleiben hier. Ich lasse kein Alpha durch die Gänge dieses Zentrums laufen. Joshua wird sich schon wieder beruhigen und es einsehen", erklärte sie kalt.

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