Kapitel 26

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Auch jetzt verliefen die nächsten Tage eigentlich ziemlich unspektakulär. Fast schon kam mir das Gespräch mit Sebastian surreal vor, denn es kam zu keinerlei Gesprächen oder Auswirkungen. Auch der Trainer wirkte ganz normal und wie immer und das Training ging einfach weiter. Mein Leben ging ganz normal weiter, im Gegensatz zu Joshuas.

Tag und Nacht lauerten die Medien darauf etwas über seinen Zustand herausufinden und in Erfahrung zu bringen, wie es denn nun weitergehen würde. Zu meiner Erleichterung erfolglos. Wenigstens schaffte es das Zentrum erfolgreich Joshuas Privatsphäre zu schützen und sich nicht mit seinem Fall oder seiner Anwesenheit zu brüsten. Lediglich die Belagerung durch die Presse ließ beim Münchner Zentrum darauf schließen, dass etwas besonderes hinter seinen Mauern vor sich ging.

Ich hatte die Hoffnung in den kommenden Tagen vielleicht mal mit Joshua telefonieren zu können. Auch wenn es vielleicht riskant war, wollte ich einfach wissen, wie es ihm ging. Was mir jedoch mehr Kopfzerbrechen bereitete als seine Situation, war die meine.

Noch hatte ich weder etwas von Ermittlungen im Fall Joshuas gehört, noch etwas von dem angedrohten Suchen nach anderen Omegas im Fußball. Beide Vorhaben schwebten irgendwie drohend in der Luft, aber es war noch nichts passiert. Zumindest hier noch nicht.

Inzwischen wusste die ganze Welt von Joshuas Fall und auch andere Ligen hatten begonnen nach Omegas in ihrem Inneren zu fahnden.

Während manche wie hier in Deutschland noch nicht begonnen hatten, waren zum Beispiel die Italiener bereits fertig. Sie hatten direkt einen Tag nach der Verkündung von Untersuchungen eine Großrazzia in sämtlichen Clubs der Serie A durchgeführt. Zwar waren keine Zahlen veröffentlicht worden, aber sie hatten ganz sicher Omegas gefunden. Es war nur eine Frage der Zeit bis auftauchen würde, welche Spieler bei welchen Vereinen fehlten und damit wohl als Omegas enttarnt worden waren.

Sie taten mir leid und doch hatte ich die Hoffnung, dass bei mir noch nicht alles verloren war. Immerhin wurden die Stimmen immer und immer lauter, dass Omegas im Profisport erlaubt sein sollten, wenn ihre Alphas dem zustimmten. Erste Experten und ehemalige Profis hatten schon zugestimmt sich gemeinsam an Konzepte zu setzen, wie Vereine mit gebunden Omegas umgehen könnten und wie man sie ganz normal in den Kader und Spielablauf integrieren könnte. Das möglichst Beste für alle rausholen.

Selbstverständlich redete man hierbei nur von gebunden Omegas, weil deren Einfluss auf Alphas und der Einfluss von Alphas auf den Omega am geringsten war.

Zwar ein Fortschritt, aber gleichzeitig auch irgendwie nur eine Fassade. Immerhin musste ein Omega dafür dann gebunden sein und das Alpha musste dem Spielen zustimmen. Und welcher Alpha würde das schon tun?

Die Zahl war wohl ziemlich gering und man musste Glück haben ein derartiges Alpha zu finden.

Die größten Chancen hatten eigentlich die Omegas mit Alpha und Omega Eltern. Bei Ihnen konnte zunichte das Alpha Elternteil zustimmen und dann einen passenden Partner finden. Die Omegas mit Beta Eltern, so wie ich, würden nach wie vor keine Chance haben.

Bis wir einen Alpha finden würden, war es für eine Profikarriere zu spät und den Betreuer im Zentrum traute ich nicht zu, dass sie es den Kindern erlauben würden. Alles in allem also ein Schritt in die richtige Richtung, ging man aber tiefer so bemerkte man seine hohle Fassade.

"Alles in Ordnung bei dir Mario? Du wirkst in den letzten Tagen so abwesend", wurde ich von Schmelle aus meinen Gedanken gerissen.

"Was? Achso ja, alles okay. Ist nur gerade echt viel los. Der ganze Medienscheiß und so", murmelte ich.

"Versteh ich. Ist auch echt krass. Joshua hat erfolgreich alles auf den Kopf gestellt", stimmte mir Schmelle zu und ich nickte.

"Bei uns werden sie wohl auch bald einfallen und wie in Italien alles auf den Kopf stellen", ließ ich Marcel an meinen Gedanken teilhaben.

"Werden wir sehen. Die ganze Welt verändert sich jeden Tag ein bisschen mehr. Vielleicht war es nötig, dass Joshua sich so outet, damit der nächste Schritt kommen kann", sprühte Marcel mal wieder vor Optimismus.

"Ich weiß nicht. Ich sehe keine Veränderung. Omegas brauchen nach wie vor einen Vormund, sie werden ihren Beta Eltern weggenommen und in Zentren gebracht. Die Alphas bestimmen über die Zukunft der Omegas, viele dürfen bis heute deswegen nicht studieren, wenn sie überhaupt ein Abitur haben und sie sind zuhause gefangen. Wo ist da also der Fortschritt? Und wie erfreut man über Omegas im Profisport ist, das ist ja die Tage auch mehr als deutlich geworden. Man sieht sie als Plage und Belastung. Hast du dir jemals überlegt, wie es mit Joshua jetzt weitergehen wird?", haute ich ihm um die Ohren und Marcel schaute mich betroffen an.

"Du musst der Welt auch eine Chance geben Mario."

"Ich gebe der Welt so viele Chancen wie sie verdient. Vielleicht solltest du der Realität für Omegas aber besser ins Auge blicken", erwiderte ich.

Er hatte diesen Optimismus, den nur Betas an den Tag legen konnten. Sie hatten ja absolut gar nichts mit Omegas zu tun und damit keine Ahnung, wie unser Leben wirklich aussah. Vielleicht schaute sich Marcel auch im Fernseher eine dieser unrealistischen Hollywood Geschichten an, wo ein Omega an der Seite eines Alphas glücklich wurde und dieser ihm alle Freiheiten gewährte. Leider blieben diese Träume genau das. Träume süß Hollywood.

"Ich wünscht du könntest mehr vertrauen Mario", seufzte Schmelle.

"Vertrauen ist etwas, was man sich verdienen muss und für Marios Vertrauen ist nichts und niemand gut genug oder irre ich mich?", durchbrach Marco unsere Unterhaltung.

Sleepless DreamerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt