"Mario! Geht es dir gut?", wurde ich von Ann Kathrin zuhause begrüßt als sie mir förmlich entgegen rannte.
"Ich hatte solche Angst als ich das mit Joshua gehört habe!", sprudelte es aus ihr heraus und sie fiel mir förmlich um den Hals und ließ auch nicht los.
"Mir ist nichts passiert Ann", versicherte ich ihr und erwiderte die Umarmung.
Nicht nur sie brauchte das gerade. Auch mir tat die Umarmung gut nach dem ganzen auf und ab. Ich fühlte mich wieder sicher. Es fühlte sich nach Zuhause an.
"Ich bin einfach so froh, dass es dir gut geht", wiederholte sie sich. Sie hatte wohl wirklich Angst gehabt. Genau wie ich.
"Du solltest deine Mama und deine Brüder zurückrufen. Sie machen sich ebenfalls Sorgen", murmelte sie.
"Dafür musst du mich aber loslassen", entgegnete ich und versuchte damit auch die Stimmung aufzulockern.
"Mach ich", stimmte sie zu, tat es jedoch nicht und ich hatte nicht vor, das zu ändern.
Wir harrten so noch einige Zeit aus, bis sich Ann Kathrin dann doch mit einem Seufzen von mir löste.
"Lass uns reingehen, dann kannst du telefonieren " , seufzte sie und ich stimmte zu.
Meine Mutter sollte sich nicht länger als nötig Sorgen machen müssen. Sie hatte mein Geheimnis sowieso schon nie allzu gut verkraftet. Am liebsten würde sie mich rund um die Uhr bewachen und beschützen.
Der Tag an dem ich in meine erste Hitze gegangen war, hatte uns alle verändert. Meine Mutter hatte mich weinend im Arm gehalten bis ich keinen Körperkontakt mehr ertragen konnte und auch dann hatte sie mich nicht allein gelassen. Sie hatte alles versucht um mir zu helfen, mir die Hitze erträglich zu machen und mir die Angst vor einer weiteren Hitze zu nehmen. Leider nicht wirklich erfolgreich, denn ich hasste meine Hitzen und unterdrückte sie so oft es nur ging. Sie hatte nie ein Wort darüber verloren, aber oft hatte ich sie mit Papa streiten hören. Über mich, mein Leben, meine Karriere und mein Versteckspiel. Manchmal fragte ich mich, ob alles anders gekommen wäre mit ihnen, wenn ich mich nicht als Omega herausgestellt hätte. Vielleicht wären sie dann heute noch zusammen.
Zwar gab mir keiner in der Familie offiziell die Schuld an ihrer Scheidung, aber ich hatte sie. Mein Vater war nur darauf versessen gewesen mir trotz allem zu einer erfolgreichen Karriere zu helfen. Dabei war er so manches Mal vielleicht etwas rücksichtslos gewesen, was wiederum meiner Mutter nicht sonderlich gefallen hatte. Sie wollte mich beschützen und mich vor der Welt verstecken, damit nie jemand hinter mein Geheimnis und ich nicht in eines dieser Zentren kam.
Das war so ziemlich gegenteilig mit dem Wunsch meines Vaters mich zu einem Weltstar im Fußball zu machen. Vielleicht war ihre Ehe nicht allein daran zerbrochen, aber dieser Konflikt war bestimmt mehr als nur ausschlaggebend.
Bis heute fühlte ich mich manchmal noch zwischen ihnen hin und her gerissen. Allerdings war mir auch klar, dass sich mein Vater heute nicht nach mir erkundigen würde. Joshua betraf nicht aktiv meine Karriere und damit waren die Ereignisse für ihn vorerst zu irrelevant um sich bei mir zu melden.
Meine Mama hingegen machte sich Sorgen um mich. Vielleicht zu viel, aber es tat auch gut jemanden besorgtes zu haben. Ich wollte sie auch nicht lange im Ungewissen und der Angst lassen.
Schnell erledigte ich also den Anruf bei ihr und schrieb dann noch meinen Brüdern eine Nachricht.
Mein Interesse an Gesprächen war denkbar gering. Am liebsten würde ich eigentlich zurück ins Bett, mir die Decke über den Kopf ziehen und den heutigen Tag vergessen. Ihn am liebsten ungeschehen machen. Nicht nur für mich, sondern vor allem auch für Joshua. In meinem Kopf liefen zahlreiche Szenarien ab, wie es dem Jüngeren jetzt wohl ergehen möge.
Am harmlosesten wäre es, wenn er einfach in diesem Zentrum bleiben müsste, bis er ein passendes Alpha bekam. Ein Alpha, in das Joshua sich auch verlieben könnte und glücklich werden könnte.
Ich bezweifelte allerdings ganz ernsthaft, dass er weiter Fußball spielen durfte. Klar, ein Gesetz dagegen im herkömmlichen Sinne gab es nicht, aber die Verbände hatten sich immer gegen Omegas gewehrt.
Vielleicht dürfte Joshua ja aber doch noch ein wenig kicken. Nur so aus Spaß. Vielleicht bekam er von seinem Alpha aber auch andere Freiheiten um sich verwirklichen zu können. Wenn der Alpha und davor das Zentrum es vielleicht sogar erlaube würden, dass er Kontakt zum Team und seinen Freunden halten durfte. Vielleicht wäre das der beste Weg, der Jo passieren konnte.
Allerdings konnte es auch komplett anders kommen. Sie könnten ihn isolieren und einsperren und an ein herrschsüchtiges und gewaltvolles Alpha abgeben in dem Wissen, dass er unglücklich werden würde. Eingesperrt zuhause ohne Chance auf entkommen und der Gnade eines Alphas ausgeliefert. Am besten fast sofort noch geschwängert, damit sie Jo nicht trauen würden abzuhauen oder etwas dummes zu tun. Kinder banden immerhin zusätzlich.
Außerdem wäre er dann zusätzlich beschäftigt mit Kind und Haushalt, also mit dem einzigen, wozu die Gesellschaft einen Omega als sinnvoll betrachtete. Einsam und alleine wäre dieses Leben.
Unter anderem deswegen hatten sich so viele Omegas entscheiden unter dem Radar zu leben. Sie wollten frei ihre eigenen Entscheidungen treffen und ihr eigenes Leben leben. Kein Mittel zu einem Zweck sein und wie ein Gegenstand besessen zu werden.
Joshua tat mir einfach unendlich leid, dass er aufgeflogen war. Man konnte es kaum nachvollziehen, was er jetzt wohl für eine Angst haben musste. Ich konnte nur das Beste für ihn hoffen.
Vielleicht würde er ja den ein oder anderen Fürsprecher haben. Vielleicht würde auch ein Alpha aus dem Team ihn als Omega nehmen? Oder man würde vielleicht endlich einmal umdenken. Dann gäbe es vielleicht Hoffnung. Aber das alles stand in den Sternen.

DU LIEST GERADE
Sleepless Dreamer
FanficAuch in einer Gesellschaft in der es Alphas und Omegas gibt, Anführer und Unterwürfige hat dennoch jeder Mensch seine Träume. Manche sind erreichbarer als andere und manche Träume platzen wie eine Seifenblase. Diese Erfahrung musste auch Mario mache...