Too much Promises - Stray Kids FF, Hwang Hyunjin

Kapitel 6

(Bild von Han Seo)

Depressiv

Han Seo

„Sie hat dir bloß abgesagt, weil sie mit einem anderen Typen was startet. Ich sag's dir."

Das kam geradewegs aus mir heraus. Offen und ehrlich. Wie ich es immer war, vor allem, wenn es um meinen Bruder ging. Egal, wie verletzend meine Aussagen auch sein konnten, hatte ich keine Scheu vor, sie zu äußern.

„Wieso sollte sie?", zog Changbin eine Augenbraue hinauf.

Ich schaltete das Laufband aus, auf dem ich eine Stunde gelaufen war. Verschwitzt schnappte ich nach meinem roten Handtuch, um mir das Gesicht abzuwischen. Changbin war daraufhin vom Fahrrad gegangen und wechselte hinüber zu der großen Hantel. Ich machte fünf Minuten Pause, bevor es zur Bauchpresse ging. Wie gewohnt. Ein Glück, da trainierten Changbin und ich regelmäßig zusammen. Er tat es meist öfter als ich, weshalb er viel mehr Zeit in unserer Trainingshalle verbrachte, aber es war in Ordnung. Das Fitness war eines seiner Hobbys. Ich erinnerte mich, wie ich es ihm vor zwei Jahren zum Geburtstag schenkte. Es war ziemlich hart, ihn eine Woche von unserem Dachgeschoss fern zu halten, doch das war es wert. Ich verbrachte gerne Zeit hier drinnen.

„Sie ist das Flittchen der Schule. Das ist ja wohl kein Geheimnis.", setzte ich mich auf eine Matte.

Ich hatte es satt. Satt von Jisoo Chaehyoung hören zu müssen. Sie sehen zu müssen. Sie war eines der Menschen, die ich nicht ausstehen konnte. Ein Mensch, der für die Öffentlichkeit lebte und tat, als würde jedes Wort in die Klatschpresse gehören. Ich hasste sie. Sie und ihren Bruder. Schon ewig. Seit unserer Einschulung an der Independence High. Das Problem war nun auch, dass sie es schaffte, meinen Bruder um ihren kleinen Finger zu wickeln. Diese Giftschlange. Ständig suchte sie sich irgendwelche Typen aus, um diese dann für einen anderen auf zu geben. Das war peinlich. Das Schlimme daran war, dass mein Bruder sich dabei auch noch blamieren ließ. Trottel.

„Sei nicht zu hart zu ihr.", sprach er und begann Gewichte zu heben.

Dabei stellte ich mich ein, direkt aufspringen zu müssen, wenn etwas schief lief. Changbin übertrieb es beim Fitness gerne und stellte sich dabei auch mal auf die Probe, was das Heben der Gewichte anging. Das hatte gute Gründe. Changbin legte erstens viel Wert auf eine gute und kräftige Statue, um gut auszusehen, aber auch, um sich verteidigen zu können. Viel wichtiger war jedoch, dass er es tat, um uns zu beschützen. Um unsere Familie zu beschützen. Beide taten wir es deshalb, nur machte Changbin es sich regelrecht zur Aufgabe. Woran das wohl lag, das hatte auch gute Gründe...

„Du stehst doch nicht auf sie?", fragte ich direkt und Changbin legte die große Hantel für einen Moment ab.

„Was?", er musste lachen. „Nein. Ich stehe nicht auf sie, aber", umgriff er die Stange erneut. „Du musst ja zugeben... Heiß ist sie schon."

Er legte wieder los. Ich nickte nur, auch wenn er das nicht sah. Heiß? Heiß würde attraktiv bedeuten und wie konnte sie das sein? Ich fand nichts an ihr, nicht, wie es andere taten. Sie war schön, ja. Es wäre gelogen, das Gegenteil zu behaupten. Aber seien wir mal ehrlich. Die Art, wie sie sich verhielt, das war abstoßend. Diese aufgespielte Art. Die Oberflächlichkeit und diese Dummheit. Wenn ich mir jetzt auch noch vorstellte, ich würde Zeit mit ihr verbringen... Ihr Verhalten permanent miterleben müssen... Ich würde niemals einen hoch kriegen. Nein. Das könnte sie bei mir nicht bewirken. Doch nur weil es bei mir so war, musste es bei meinem Bruder nicht auch so sein. Ich stieß also die Luft aus.