Kapitel 82

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(Bild von Jeongin Yang)

Einer von uns

Woojin Kim

Er lebte noch. Er lebte noch... Er. Lebte. Noch. Er war am Leben. Dein Bruder lebt!
Das waren Wörter, die meinen Kopf nicht verlassen wollten. Sie schwirrten mir hier und da umher, dabei war egal, was ich gerade machte oder an was ich nebenbei so dachte. Seungmin war nicht tot. Er war es nicht. So sagte es Jeongin... Ich biss das Kiefer aufeinander. Jeongin... Die Worte kamen aus seinem Mund... Direkt in der ersten Nacht, als ich in die Zelle kam. Seine Worte sorgten für eine Reaktion meinerseits. Ich konnte nichts für mein Verhalten, dass daraufhin folgte. Ich war in der Sekunde aufgesprungen, als ich es verarbeitete und war ihm an den Hals gesprungen. Die Wut überkam mich. Der Zwiespalt meiner Gefühle brach auf mich ein... Log er? Sagte er die Wahrheit? War ich erfreut? Wollte ich weinen? Spielte er mir was vor? Endeten seine Psychospielchen hiermit? War es eine weitere Falle? Was wollte er? Durfte ich ihm glauben, dass mein Bruder lebte?
Ich wollte es... Deshalb hatte ich seinen Hals umgriffen. Ich wollte es wissen. Ich wollte wissen, ob er die Wahrheit sagte und wenn er sie sagte, dann wollte ich wissen, wo er war. Aber ich kam nicht dazu, die Fragen zu stellen. Ich wurde von ihm gerissen. Das, von unserem Zellengenossen und dem Gefängniswärter. Anstelle uns anzuhören, handelte der Gefängniswärter, ohne zu zögern. Für mein schlechtes Verhalten kam ich in Einzelhaft. In Isolation... Wie bereits erwähnt, in meiner ersten Nacht. Aber... Das war okay. Das war gut. So hatte ich nämlich Zeit. Zeit dafür, um mich zu gewöhnen. Ich konnte mich daran gewöhnen, dass ich hier war. Es zu verarbeiten... Ich durfte mich von Jeongin erstmal distanzieren. Mich auf ihn vorbereiten. Ich durfte mich meinen Gedanken zuwenden. Ich konnte nachdenken. Mir wurde erlaubt einiges zu überdenken. Jeongin zu überdenken... Meinen Bruder... Mich. Mittlerweile war ich wieder zurück. Ich war wieder im Gefängnisalltag. Durfte mich mal richtig einleben. Als wollte ich das, dachte ich... Aber ich musste. Ich brauchte aber ein Glück nicht allzu lange, um mich daran zu gewöhnen. Ich brauchte nicht lange, um zu verstehen, wie der Alltag hier aussah. Ich wusste, dass ich mich im A Teil des Gefängnisses befand. Ich wusste, dass die Zelle mit der Nummer 56 mir gehörte. Ich wusste, dass ab 7 Uhr bis 10 Uhr das Frühstück stattfand. Um 12:30 Uhr bis 13:30 Uhr gab es das Mittagessen und das Abendbrot gab es um 17:30 Uhr bis um 18:30 Uhr. Um 22 Uhr würde Bettruhe herrschen und die Zellen waren wieder bis um 7 Uhr morgens verriegelt. Man durfte nebenbei arbeiten und Geld verdienen, damit man sich sowas wie Zigaretten leisten konnte, was ich nicht für nötig hatte. Also saß ich hier. Nicht wissend, was mit mir anzufangen war. Zumindest erstmals nickt... Ich saß da einfach nur auf den Treppen und sah mich in der Mensa um. Überall Menschen in ihren Anzügen. Tage. Ich sah seit Tagen dieselben Gesichter. Unter anderem seines... Jeognin's. Wie er da an diesem Tisch saß, umgeben von starken Männern. Es schien, als würden sie alle auf ihn aufpassen. Das war der Grund, wieso ich ihn nicht direkt nach meiner Isolation angegriffen hatte. Sie standen um ihm herum wie persönliche Bodyguards. Dass ich nicht lachte... In welchem Film war ich hier denn bloß gelandet, fragte ich mich. Ob ich Angst haben müsste? Um mein Leben? Sicherlich. Sie drohten mir schließlich schon einmal. Nicht unbedingt die Gruppe... Es war Jeongin selbst und unser Zellengenosse. Aber was sollte ich schon sagen? Ich hatte keine Angst. Die würde ich auch niemals haben. Nicht vor ihm. Nicht vor Jeongin. Ich biss mein Kiefer aufeinander, als er am Tisch den Blick hob und unsere Blicke sich trafen. Ich gab mir nicht die Mühe, um weg zu sehen, genauso wenig wie er. Ein Grinsen legte sich über seine Lippen. Doch ich? Ich zeigte ihm nur meinen wunderschönen Mittelfinger. Würde ich ihm alleine begegnen... Ich würde ihm vermutlich alles antun. Aus Wut. Ja. Selbst töten würde ich ihn. Und, nein. Das sagte ich nicht nur so...
Ich fing an mit dem Fuß zu zappeln. Aus Nervosität. So schlug ich meine Zeit nun tot? Was machte ich am Besten? Ob ich nicht einfach auf ihn zugehen sollte? Denn Geduld? Geduld besaß ich nicht mehr. Wie auch? Woher sollte jetzt die Geduld her? Nach alldem, was schon vorfiel. Woher? Ich raufte mir übers Haar und sprang auf. Ja. Ich würde auf ihn zugehen, denn ich hielt es so nicht mehr aus. Mir war das sowas von egal, dass all seine Männer mit ihm an einem Tisch saßen. Das interessierte mich herzlich wenig. Es war eine Sache zwischen ihm und mir. Er sollte Manns genug sein, um das mit mir klären zu können. Alleine. Er runzelte bloß die Stirn und lehnte sich amüsiert zurück, als er sah, wie ich auf ihn zukommen wollte. Er würde gleich sehen, was mit seiner Laune passieren würde. Ich nickte. Das Bein angesetzt, war ich bereit auf ihn zuzugehen. Ihm sein Grinsen aus dem Gesicht zu prügeln. Zu erfahren, was mit meinem Bruder war... Denn, wenn ich zugab: Das war das Einzige, was mich jetzt noch irgendwie interessierte. Aber...
Ein Geräusch ließ mich inne halten. Das Geräusch einer schweren Metalltür, die ins Schloss fiel. Mein Kopf schoss in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Ich musste intuitiv hinsehen. Wie jeder andere auch. Alle blickten wir zur großen torähnlichen Metalltür. Ein junger Mann trat in die Mensa. Angekettet. In einem Anzug, wie die unserer. Seine Handschellen wurden ihm abgenommen. Meine Augen riss ich in diesem Moment weit auf, denn ich erkannte ihn. Mir blieb der Atem weg. Er? Er?! Was machte der denn hier drinnen?! Eine Gänsehaut überkam mich...

Too much Promises - Stray Kids FF, Hwang HyunjinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt