(Bild von Han Seo)
Unglück
Han Seo
Ich fuhr mit meinem Daumen über ihren Handrücken. Ihre Hand war kalt. So kalt, dass sie blau anlief. Sie fühlte sich in meinen Händen klein und zierlich. Zerbrechlich. Ihre Fingernägel waren länger geworden. Ich musste allmählich wieder bei der Handpflegerin anrufen... Ich ekelte mich zwar nicht unbedingt, hatte aber meine Bedenken. Sie könnte sich aus Versehen verletzen. Das wollte ich nicht riskieren. Ich beugte mich zu ihrer Hand hinunter und schenkte ihr einen Kuss. Als ich fühlte, dass ihre Hände wärmer geworden waren, lehnte ich mich im Stuhl, auf diesem ich saß, zurück. Ich seufzte. Ob ihr eine Decke reichen würde? Mich erhoben, ging ich auf den Schrank zu, um eine weitere Decke hervor zu kramen. Diese legte ich über ihren Körper, sodass auch ihre Hände bedeckt waren.
„Danke...", flüsterte sie leise.
Ich dachte, sie würde schlafen. Tat sie aber offensichtlich nicht. Ich nickte, auch, wenn sie es nicht sah.
„Gerne, Mum. Ruf mich doch bitte, wenn du was brauchst."
Sie sagte nichts dazu. Ich wusste, dass das meine Schlussworte waren. Dennoch konnte ich mich nicht aus dem Zimmer bewegen. Mein Blick richtete sich auf ihren atmenden Körper. Ich presste die Lippen aufeinander. Würde ich gehen, wäre sie wieder alleine. Sie hatte daran nicht viel auszusetzen. Das Problem hierbei war nur... Ich blickte auf ihren Nachttisch. Das Problem war eben nur, dass sie ein Alkoholproblem hatte. Seit unser Vater festgenommen wurde, trank meine Mutter dieses Zeug. Aus lauter Trauer und Angst. Sie entwickelte eine Sucht und eine Depression, die sie nie wirklich los wurde.
Ich verabscheute es. Deshalb trank ich nichts. Genauso wenig tat es Changbin. Er hasste das Zeug vermutlich mehr als ich. Er hasste all das wohl mehr als ich. Changbin betrat das Zimmer meiner Mutter nicht einmal. Seit... Seit... Ich weiß es nicht einmal mehr. Es ist ziemlich lange her. Ich erinnerte mich aber daran, was der Grund dafür war. Weshalb sich beide gestritten hatten.„Du willst den Scheiß trinken?", brüllte er.
„Ja!", schrie sie zurück.
„Fein. Hier!"
Er holte aus. Mit der Glasflasche in der Hand. Diese zerbrach in tausend Teile, als sie die Wand traf. Erschrocken waren ich und meine Mutter zurück gesprungen.
„Changbin!", brüllte nun auch ich.
Bedauerlicherweise wurde ich von ihm ignoriert. Seine Wut, vermischt mit den verletzen Gefühlen in ihm... Sie dominierten und übernahmen seinen Körper.
„Du hast die Wahl, Mum. Alkohol oder ich. Trinkst du den Mist, siehst du mich nie wieder. Hörst du? Nie wieder!"
Nach diesen Worten, verließ er das Haus.
Genau... Von diesem Moment an beschloss mein Bruder, nicht mehr wieder ein Wort mit ihr zu wechseln. Er hielt sein Versprechen. Selbst nach dem Unfall, den meine Mutter hatte, besuchte Changbin sie nicht. Er war knallhart gewesen. Eiskalt. Ich musste hart schlucken. Der Tag ihres Unfalls. Sie torkelte betrunken durch die Stadt, als sie ein Auto angefahren hatte. Deshalb lag sie ja auch nur noch in ihrem Zimmer... Meine Mutter war bettlägerig. Sie war von der Hüfte abwärts gelähmt. Und dennoch... Sie gab das Trinken nicht auf. Genauso gab Changbin seine Sturheit nicht auf. Manchmal fragte ich mich, ob dieser Teufelskreis irgendwann durchbrochen werden konnte. Ob der Pech irgendwann nachließ. Ob meine Familie irgendwann das Gute kosten durfte. Wohl kaum. Endlich zusammen gerissen, griff ich nach der Türklinke. Die Zimmertür geöffnet, fühlte ich mich direkt anders. Ich fühlte mich nicht wie Han, der schwache Junge, der seine Mutter beim Sinken zusah. Ich fühlte mich wieder wie Han. Der Junge, der akzeptierte, wie seine familiäre Lage war und der versuchte, sein Leben zu leben. Ich schloss die Tür leise hinter mich. Meine Augen trafen im nächsten Moment die Augen meines Bruders. Er kam wohl vom Sport, denn er war frisch geduscht.
„Du warst schon wieder bei ihr?", musste Chngbin leise auflachen.
Ich wandte einfach nur den Blick ab und ignorierte ihn. Seit unserem letzten Streit redeten wir nicht viel miteinander. Nur das Nötigste. Ich gab zu. Mir fiel es schwerer ihm aus dem Weg zu gehen. Davon ging ich zumindest aus. Manchmal glaubte ich... Changbin konnte Menschen ganz einfach fallen lassen. Genauso wie er es mit unserem Vater getan hatte. Mit unserer Mutter. Mit so vielen anderen Menschen. Manchmal bekam ich Angst davor, der Nächste zu sein. Ich gab nämlich offen und ehrlich zu, dass ich nur ihn hatte. Dass er mir viel bedeutete... Dass ich nur ihm vertraute. Ich wollte ihn nicht verlieren. Das war albern zu denken, ich wusste das. Wir waren schließlich Brüder. Im Vergleich zu anderen Geschwistern, hatten wir schon viel gemeinsam durchgestanden. Ich wusste auch, würde jetzt was schlimmes passieren, wäre zwischen uns beiden alles Böse vergessen und wir würden wieder zusammenhalten. Das war zwischen uns nun mal so. Dennoch. Man hatte seine geheimsten Ängste.
„Vergiss nicht Gassi zu gehen.", sagte er noch, bevor er den Anschein machte, auf sein Zimmer zuzugehen.
Ich hätte jetzt liebend gern gesagt: Vergiss du nicht, wer deine Familie ist. Wer dein Vater ist. Wer deine Mutter ist.
Aber er würde ausrasten. Darauf hatte ich keine Lust. Ich hatte überhaupt keine Lust mehr zu streiten. Ich nickte also nur. Gepfiffen, kam unser kleiner Hund angelaufen. Fluffy. Den Namen hatte ich ihm nie gegeben. Das war unsere Mutter.„Jetzt gehts raus, Kleiner.", griff ich nach der Leine und machte ihm diese um.
Direkt als ich an die frische Luft trat, kam ein Gedanke in mir auf. Ich musste eines akzeptieren. Changbin wollte unsere Eltern nicht. Für ihn war unsere Familie ein Fluch. Hätte er einen Wunsch frei, hätte er sich gewünscht, in einer anderen Familie hinein geboren zu sein. Zwar teilte ich ähnliche Gedanken und mehr, aber darum ging es gerade nicht. Ich musste das einsehen. Ich musste ihn verstehen. Wenn ich also meine Mutter stets besuchte und mich stets um sie kümmerte, ohne auf seine Zustimmung zu bestehen, wieso tat ich das bei unserem Vater nicht auch? Er würde sowieso niemals einwilligen. Außerdem hatte er selbst gesagt, dass ich gehen könnte, wenn ich wollte. Ich spielte tatsächlich mit dem Gedanken, meinen Vater im Gefängnis zu besuchen. Wie krank ich wohl war? Einen Mörder besuchen... Ich besuchte ihn aber ja nicht, um mich nach seinem Wohlbefinden zu erkunden. Ich wollte nur Antworten. Während Fluffy rumsprang und sein Revier markierte, kaute ich auf meiner Unterlippe.
Ich könnte das tatsächlich machen...
Davor müsste ich es nur meiner Familie erzählen. Kein einfacher Job. Das würde ich mal behaupten...———
Ein recht kurzes Kapitel...
Habt ihr auch so viel Mitleid wie ich mit den Seo's? Ich meine es zu hoffen! Das sind meine Babys ey. Hab die beiden richtig lieb gewonnen. Wie sieht's bei euch aus? Wünsche? Bin gern offen für alles.
In Love, N xX.
Btw: Levanter... I am excited. Too excited.
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Too much Promises - Stray Kids FF, Hwang Hyunjin
Genç Kurgu*wird demnächst auf Rechtschreibfehler überarbeitet* „Das sind zu viele Versprechungen, Hwang Hyunjin." „Und ich werde mich an jedes Einzelne halten." *** ...