(Bild von Changbin Seo- links und Han Seo- rechts)
Bonuskapitel
-10 Jahre in der Vergangenheit-Changbin Seo
Ich lehnte mit dem Rücken an der Tür. Meine Hände drückte ich mir an die Ohren. Ich hörte sie dennoch. Ich hörte noch immer wie meine Mutter schrie. Sie schrie so laut, dass ich meine Augen aufeinander pressen musste. Als würde es irgendwas besser machen. Ich wusste auch nicht, wieso ich das immer machte. Die Art, wie sie schrie... Wie sie schrie, weil es schmerzte. Ich ging zumindest davon aus, dass sie aufgrund von Schmerzen schrie. Aber weshalb sie genau schrie... Wusste ich nicht. Schrie sie etwa, weil mein Vater sie schlug oder schrie sie, weil mein Vater sie gegen ihren Willen zu Dinge zwang, die sie nicht tun wollte? Er zwang sie öfter zu Dingen, die sie einfach nicht tun wollte. Wie zum Beispiel... Sie wollte nicht mit ihm auf einem Bett schlafen. Ich verstand nie wirklich, weshalb. Wenn ich sie fragte, antwortete sie mir nicht. Ich versuchte die Antworten deshalb immer selbst zu finden. Das war der Grund, weshalb ich immer mein Zimmer verließ, sobald es aufhörte laut zu sein. Erst dann traute ich mich überhaupt aus meinem Zimmer raus. Meistens suchte ich meine Mutter daraufhin. In neun von zehn Fällen lag sie auf ihrem Bett. Ich legte mich meist zu ihr und erkannte, dass sie viele blaue Flecken besaß. Deshalb wusste ich, dass mein Vater sie verletzte. Er verletzte uns schließlich alle. Aus Wut. Vielleicht war das der Grund, wieso sie neben ihm nicht schlafen wollte. Oder vielleicht, weil er sie immer auszog? Sie hatte nie etwas an, wenn ich mich zu ihr legte. Oft war ich derjenige, der sie zudecken musste. Sie brauchte mich nicht darum zu bitten. Ich begriff von selbst, dass ihr kalt war, weil sie immer zitterte. Ja... Sie tat mir so leid. Ich hatte großes Mitleid mit ihr. Aber noch öfter verstand ich sie nicht. Ich wusste, dass ich jung war, aber ich kannte die Polizei trotzdem. Ich wusste, dass man die Polizei anrufen durfte, wenn man Probleme hatte. Wir hatten Probleme. Wir hatten sogar sehr große Probleme. Aber meine Mutter tat es nicht. Sie hatte Angst. Ich fragte sie... Hatte sie mehr Angst vor der Polizei als vor meinem Vater? Sie sagte mir... Sie hätte Angst, dass die Polizei uns ihr wegnehmen würde und dass wir am Ende ohne nichts da stehen würden. Ohne sie. Ohne Geld. Das Geld war wohl wichtig. Das begriff ich sehr früh. Aber... Wieso sollte uns die Polizei von unserer Mutter trennen? Sie war doch nett. Aber... Wenn sie das so sagte, glaubte ich meiner Mutter. Sie würde mich nicht belügen. Nicht, wie es mein Vater ständig tat. Jedenfalls... Dass uns die Polizei von unserer Mutter trennen könnte... Das war die Tatsache, die mich davon abhielt in der Schule etwas über meinen Vater zu erzählen...
Vorsichtig machte ich die Augen wieder auf und legte mir die Hände von den Ohren. Ich hörte nichts mehr. Meine Mutter hörte auf zu schreien. Mist. Dadurch, dass ich mir die Hände auf die Ohren drückte, konnte ich nicht hören, ob mein Vater gegangen war. Sollte ich es trotzdem riskieren aus meinem Zimmer zu kommen? Ich musste. Schließlich musste ich nach Han sehen. Er versteckte sich immer im obersten Stockwerk, in den alten Kartons, in denen meine Mutter damals ihre Bauchrednerpuppen verstaute. Wieso sich Han da drinnen versteckte? Mein Vater war ständig sehr wütend, wenn er bei meiner Mutter war. Er suchte gern dann mal mich oder Han auf, um seine Wut irgendwie abzubauen. Han war schlussendlich derjenige, der dann von unserem Vater geschlagen wurde. Das war nicht, weil unser Vater ihn weniger mochte. Das lag vor allem daran, weil Han immer weinte. Er weinte, weil er zu unserer Mutter wollte, aber nicht konnte, weil unser Vater es uns verbot, wenn er mit ihr „Sachen zu besprechen" hatte. So nannte er es gerne, wenn er sich mit unserer Mutter in ihrem Schlafzimmer einsperrte. Han weinte immer in einer Lautstärke, die meinen Vater wohl enorm provozierte. Außerdem war Han jemand, der nicht viel redete. Wenn unser Vater ihn also fragte weshalb er weinte, antwortete er nicht, sondern weinte weiter. Mein Bruder war aber sowieso jemand, der an sich nicht viel sprechen mochte. Ich eigentlich auch nicht. Ich sprach nur, wenn es darum ging Han zu beschützen. Ich mochte nicht zusehen, wie unser Vater ihn schlug. Er schlug auf Han immer... Mit soviel Wut ein. Han blutete sogar in den meisten Fällen. Deshalb durfte er sich oben verstecken. Unser Vater würde nämlich mich als erstes finden. Er würde mich finden, er würde mich hauen und er wäre besänftigt. Han dürfte dann raus. Eigentlich dürfte er nur raus, wenn ich ihn abholte. Manchmal war das aber schwer... Dadurch, dass mein Vater mich nämlich zuerst fand und ich ihm nicht erzählen wollte wo Han war, bestrafte er mich gerne auch, indem er mich in das Bad sperrte oder auf dem Balkon schlafen ließ. Deshalb war Han manchmal so dumm und kam vorher schon raus. Heute wäre ich pünktlich gewesen. Heute dürfte er früher rauskommen, doch nein. Er wartete nicht auf mich. Er war bereits draußen. Ich wusste, weshalb Han schon vorher rauskam. Das tat er, weil unsere Mutter sehr laut war. Ich hörte ihn weinen. Eilig die Tür geöffnet, sah ich ihn auch schon... Unseren Vater. Er griff nach meinem Nacken und riss mich mit sich. Ob ich mitlief oder nicht. Sein Griff war so stark, dass er mich hinter sich her schleifte. Manchmal weinte ich allein deshalb schon. Ich traute mich nicht nach seiner Hand zu fassen, um den Druck zu sänftigen, weil er mich dann immer nur mehr bestrafte. Gewaltsam warf er mich von sich. Ich fiel zu Boden. Ich landete vor den Füßen von Han.
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Too much Promises - Stray Kids FF, Hwang Hyunjin
Teen Fiction*wird demnächst auf Rechtschreibfehler überarbeitet* „Das sind zu viele Versprechungen, Hwang Hyunjin." „Und ich werde mich an jedes Einzelne halten." *** ...