Epilog.

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(Bild von Hyunjin Hwang)

-5 Jahre später-

Jisoo Chaehyoung

Ich atmete die Luft von Missoula ein. Die frische, kalte Luft, die eine Erfrischung für die Lunge war. Das ganze Grün im Sommer, die hohen Berge und das Wasser befriedigten meine Sinne. Aber es war nicht nur der Frieden, der sich in mir ausbreitete. Die feuchte Luft in Missoula gab mir auch andere Gefühle. Gefühle, die ich lange nicht mehr verspürte, mir jedoch vertraut waren. Bei jedem Geruch, der mir in die Nase stieg und jeder Farbe, die meine Augen sehen konnten, schossen automatisch Erinnerungen in mir auf. Gute, sowie schlechte Erinnerungen... Ich hatte die Stadt ewig nicht mehr gesehen. Wie lange war es wohl her? Ich presste intuitiv die Lippen aufeinander, da ich die Antwort kannte. Ich wusste, seit wann ich Missoula nicht mehr gesehen hatte. Es war, seit... Seit seinem Tod. So lange war es her... Seit fünf Jahren... Nur... Wo war ich derzeit? Wo war ich, wenn nicht in Missoula? Ich befand mich außerhalb der Stadt. Außerhalb, in sechs stündiger Entfernung. Denn die Wahrheit war... Ich brauchte Abstand. Ich brauchte Abstand zu der Stadt, in der ich aufwuchs. Ich brauchte die Distanz zu... Zu den Menschen, die hier lebten. Zu den Geschichten, die diese Stadt erzählte. Zu den Todesfällen, die sich über die Jahre ereigneten. Ich brauchte Zeit für mich. Zeit, die ich nutzte, um mich wieder aufzubauen. Um über all das, was geschehen war, hinweg zu kommen... Tatsächlich... Ich brauchte dafür fünf Jahre und wenn ich ehrlich war, hätte ich einige Jahre länger gebraucht. Aber... Ich musste zurückkehren. Ich musste, da ein weiterer Mensch verstarb, für den ich hier stand. Auf dem Friedhof... Welch eine Ironie, oder? Ich floh vor dem Tod, nur um dann wieder für ihn zurückzukehren. Welch eine Ironie, dass sie beide am selben Tag verstarben, nur im anderen Jahr. Welch eine Ironie, dass dafür alle anwesend sein mussten. All meine Freunde... Ich spürte, wie mein Körper schlagartig traurig wurde, sobald ich den Tod gesenkte. Ich wusste, dass meine Beine mich an sein Grab führen müssten. An das von Jimin, dessen Beerdigung vor einer halben Stunde vergangen war und für den ich im Endeffekt zurückgekehrt war. Aber ich stand nicht vor seinem Grab. Zumindest stand ich da nicht mehr... Ich stand nämlich vor seinem Grab. Vor dem Grab, dass ich fünf Jahre gemieden hatte. Die Tränen sammelten sich in meinen Augen. Fest umfasste ich den Blumenstrauß in meiner Hand. Mein Blick hing am Grabstein. An das von ihm...

Weint nicht, weil es vorbei ist, lacht, weil es schön war...

Der Satz, der uns Lebenden hinterlassen wurde, hinterließ einen Stich in meinem Herzen. Ein gewisser Schmerz machte sich in mir breit. Einer, der mir leider nicht unbekannt war. Einer, mit dem ich über die Jahre klarkommen musste. Durch den Spruch, den ich zu Augen bekam, machten sich nun auch die Tränen bemerkbar. Ich fühlte, wie sie meiner Wange entlang glitten. Ich spürte jede einzelne Träne, die ihren Weg zu meinem Kinn bahnte, nur um dann hinab zu tropfen. Ich seufzte leise auf. Ich hatte lange nicht mehr geweint... Wirklich... Lange nicht mehr. Dafür hatte ich mich die letzten Jahre zu sehr damit beschäftigt nichts zu fühlen. Ich hatte mich damit beschäftigt darüber hinweg zu kommen und es zu akzeptieren. Ich hatte mich eine ganze Weile taub gefühlt, ja. Unfähig... Überhaupt irgendwas zu fühlen. Die Mühe mir meine Tränen also wegzuwischen, die machte ich mir nicht. Dafür wollte ich jeden Moment der Trauer spüren. Denn... Es war schön wieder etwas fühlen zu können und wenn dabei die Umstände nicht ganz richtig waren. Und wenn ich dabei wusste, dass es gerade erst der Anfang war. Der Anfang der wiederkehrenden Trauer... Der unerträglichen Trauer... Ich schniefte. Eine plötzliche Gänsehaut überkam mich, als ich eine Gestalt in meiner Nähe fühlte. Eine Gestalt, dessen Präsenz ich kannte. Seine Präsenz war so stark... Ich musste mich gar nicht zu ihm drehen, um zu wissen, wer es war. Denn ich kannte seine Nähe... Seinen Geruch. Seine Stimme. Ich schloss meine Augen, als er sich neben mich stellte. Wie von selbst vernebelten meine Gedanken und Gefühle. Der kühle Wind, der meine nassen Wangen traf, sorgte dafür, dass ich einen Schüttelfrost erlebte... Sich neben mir gestellt, stand er nun stumm da. Er sprach nicht. Wieso sprach er nicht? Ich schluckte hart, als ich meine Augen wieder öffnete und zu ihm sah. Nur... Um es bestätigt zu bekommen. Er stand noch immer neben mir. Er. Hyunjin Hwang... Ich spürte, wie er nach meiner Hand griff. Wie von selbst verschränkten sich unsere Finger ineinander. Meine Unterlippe fing an zu zittern, als ich wieder auf sein Grabstein blickte.

Too much Promises - Stray Kids FF, Hwang HyunjinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt