(Bild von Chan Chaehyoung)
Bonuskapitel
Der PlanDie Erzähler-Sicht
Chan verließ die Party. Wie es einem Gewitter glich, stürmten die Gefühle auf ihn ein. In seinem Kopf ging so vieles vor. In seinem Brustkorb war mindestens genauso viel los. Er war... Verwirrt. Verletzt. Enttäuscht. Angespannt. Und... Wütend. So, so wütend.
Wieso ließen ihn die Menschen nicht einfach in Ruhe, fragte er sich. Was hatte er provozierendes an sich, dass sich ständig jeder mit ihm unterhalten musste? Er hasste es, denn... Er ballte seine Hände zu Fäusten. Es war ja nie anders. Nicht in seiner Kindheit, nicht in seiner Pubertät und auch nicht jetzt. Ob ruhig oder auffällig, keiner hielt es für nötig einen Anstand zu ihm zu halten. Ständig fragte er sich, weshalb...
Woran lag es? Etwa an seinem Titel?
Chan, der Schläger...
Daran hatten alle selbst schuld. Dass er den Titel trug, daran waren die anderen schuld. So redete er sich das ein. Doch als er durchatmete, versuchte er die Gedanken aus seinem Kopf zu verbannen. Das stimmte doch gar nicht... Wieso waren die anderen schuld? Wieso trugen andere die Schuld für seinen Hass? Für seine Wut? Für den Adrenalinkick, nach dem er sich sehnte? Nach der Zerstörung? Nach der Unruhe? Weshalb musste er andere dafür verantwortlich machen? Wieso zeigte er ständig mit dem Finger auf andere? Etwa, weil er das als Kind so lernte? War es deshalb? Trug er insgeheim ganz andere Gründe für sein Verhalten? Er konnte es sich selbst nicht erklären. In der Therapie, dachte er sich, versuchten sie es heraus zu finden. Sie versuchten raus zu finden, wieso er das Bedürfnis nach... Ärger hatte. Das Bedürfnis danach... Auf andere zu zeigen. Wieso er seine Fehler nicht erkennen konnte.
Die Wahrheit war aber... Er sah seine Fehler. Er konnte sie sehen, ja. Nur... Waren sie wie verschwunden, wenn er erstmal wütend wurde. Die Therapeuten hätten mal nach dem Grund für seine Wut suchen müssen, klagte er. Stattdessen sagten sie ihm, er müsse mit dieser Wut zurecht kommen, weil es ein Teil von ihm war. Wie konnte Wut aber zur Natur des Menschen gehören? Wie konnte Wut so tief veranlagt sein? Das war doch nicht möglich, vor allem, weil es doch ständig Gründe für diese Wutausbrüche gab. Sie kamen nicht einfach von irgendwo her... Oder war er etwa immer wütend und das, unterbewusst?
Er spürte, wie er schon wieder anfing Situationen zu überdenken, was meist nicht gesund für ihn ausging. Deshalb fing er an auf seiner Unterlippe zu kauen. Er bräuchte den Sport. Unbedingt... Er bräuchte ihn, um all diese negative Energie loszuwerden. Das half ihm in schlechten Zeiten, ob man es nun glaubte, oder nicht... Es war meist die einzige Option, die ihm nach einer misslichen Lage wie dieser blieb. Er müsste seine Wut loswerden, unbedingt. Besser jetzt, bevor noch etwas geschehen würde und es dann kein zurück mehr geben könnte. Minho könnte das schlimmste in ihm verbergen, indem er seinen Krebs ansprach, nur. Er war nicht da. Das schlimmste in ihm... Ich konnte die schlimmste Version von mir werden, kam es ihm durch den Kopf. Von jetzt auf gleich, ohne dass ich es wollte, führte er den Gedanken aus.
Er schüttelte den Kopf. Sport... Er brauchte den Sport, nur... Er war noch nicht ganz gesund. Was hätte er denn tun können? Nach fünf Minuten laufen, würde es ihm im Bein schmerzen. Würde er sich aufwärmen wollen, würde es in seiner Schulter anfangen zu stechen. Was blieb ihm also übrig? Genau... Nichts. Es war, wie... Als würde das Leben gegen ihn sein. Immer und immer wieder. Dabei war er doch kein böser Mensch, oder? Er hatte geglaubt, dass er die Büße getan hätte, nachdem er hautnah einen Amoklauf miterlebte. Nachdem er sehen durfte, wie ein Mensch starb. Nachdem er selbst das verlor, was er am meisten geliebt hatte. Er hatte tatsächlich geglaubt, dass es das wäre. Dass damit endlich all seine Fehler ausgeglichen waren. Er hatte nämlich jedes Schicksalsschlag verdient, ja. Das gestand er sich ein. Er gestand sich auch ein, dass der Amoklauf die Konsequenz seines Verhaltens war. Er konnte sich eingestehen, dass der Tod eines Menschen seine Schuld war. Er konnte sich selbst sagen, dass er verdiente, damit zurecht kommen zu müssen, dass er den Tod mit sehen musste. Er konnte und musste akzeptieren, dass er nie ein Stipendium für ein Sportcollege kriegen würde. Dass er nie das machen könnte, was er immer schon wollte, weil... Er das verdiente. Das konnte er sehen.
Aber würde das alles sein? Das fragte er sich. Würde das Leben ihn damit nun in Ruhe lassen? War es das endlich? Er blickte in den Himmel. Würde er endlich Ruhe finden? Würde er einmal einen Tag erleben, ohne Kopfschmerzen? Ohne einen erhöhten Blutdruck? Ohne in Schweiß auszubrechen, weil er angespannt war? Ohne wütend zu werden? Ohne, dass es mal seine Schuld war? Würde er? Die Antwort war... Nein...
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Too much Promises - Stray Kids FF, Hwang Hyunjin
Teen Fiction*wird demnächst auf Rechtschreibfehler überarbeitet* „Das sind zu viele Versprechungen, Hwang Hyunjin." „Und ich werde mich an jedes Einzelne halten." *** ...