Kapitel 107

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(Bild von Jisoo Chaehyoung)

Feiern wir den Abschluss!

Jisoo Chaehyoung

Ich strich das Ende meines Kleides glatt. Das Kleid, dass mir Hyunjin schenkte. Das, worin ich aussah wie der goldweiße Schwan, den ich mir vorstellte. Ich musste lächeln. Ich hatte es absichtlich vorher nicht getragen, um die Aufregung auf den heutigen Tag beizubehalten und es lohnte sich. Meine Haare ließ ich glatt über meine Schultern fallen. Ich strich sie jedoch hinter meine Ohren, sodass meine runden Silberohrringe zu sehen sein konnten. Ich wollte nicht zu extravagant aussehen, da es nicht meine Abschlussfeier war. Das Schwanenkleid, mit den weißen Pumps kombiniert, empfand ich deshalb als genug. Im Spiegel zurückgeblickt, erkannte ich meinen Bruder, der ein weißes Hemd trug. Er entschied sich ebenfalls für die schlichtere Variante, weshalb er dazu bloß eine Stoffhose trug und das Hemd einsteckte. Seine blonden Haare waren etwas voller geworden. Sie ruhten ihm auf der Stirn, aber großartig stylen tat er sie nicht. Das war genug für ihn. Er wollte im Prinzip sowieso nicht hin, weshalb das in Ordnung war. Er sah gut aus. Männer mussten sich nie rausputzen und sie sahen aus irgendeinem Grunde immer gut aus. Unfair... Als seine Augen zu mir aufsahen, um nach der Bestätigung zu suchen, hob ich den Daumen. Er schmunzelte.

„Danke", nickte er. „Aber den Daumen kann ich dir auch zeigen. Möchtest du Hyunjin etwa den Kopf verdrehen?"

Ohne mich zu ihm zu drehen, poste ich verspielt durch den Spiegel für Chan, um an mir hinab zu zeigen.

„Das Kleid hat er mir geschenkt. Ich muss ihm doch zeigen, dass ich es würdig bin zu tragen."

Grinsend schritt er auf mich zu und legte einen Arm um mich, worauf wir uns beide im Spiegel betrachteten. Ihn und mich... Die Geschwister, die sich einst nicht ausstehen konnten. Der Bruder und die Schwester, die sich durch Schwierigkeiten kämpfen mussten, um so nebeneinander stehen zu können. Ich war stolz auf unsere Entwicklung. Jeder dachte, dass es zwischen uns beiden zu spät war und wir uns nie näher hätten kommen können. Aber die Wahrheit war nur, dass Chan und ich unsere Zeit brauchten. Die Zeit, um uns zu respektieren. verstehen. Zu akzeptieren... 

„Du könntest alles tragen, Jisoo", sagte Chan plötzlich, weshalb ich zu ihm sehen musste. „Und du würdest immer gut aussehen. Mach dir keinen Kopf. Er wird das Kleid an dir lieben."

Mein Herz machte einen Hüpfer. Noch nie machte mein Bruder mir solch ein Kompliment. Ich wusste nicht, woher das herkam, aber es berührte mich. Wollte er mir meine Unsicherheiten nehmen? Schließlich wusste er ja, dass ich Probleme damit hatte mit mir selbst zufrieden zu sein bzw. nie gut genug war. Deshalb suchte ich stets nach der Bestätigung und mochte es nicht, wenn ich abgelehnt wurde. Ich musste jedoch zugeben, dass die Gedanken darum nachließen, wofür ich dankbar war. Mir fiel es einfacher über negative Wertungen hinweg zu sehen. Das lag vermutlich daran, dass anderes für mein Kopf wichtiger wurde. Vielleicht war ich auch einfach nur aus meiner „Phase" raus. Damals nannte es mein Therapeut so... Eine Phase... Womöglich war der Zeitpunkt tatsächlich gekommen. Nach etlichen Jahren... Ich spürte keine Unsicherheiten mehr. Die Frau, die ich im Spiegel sah... Mich... Ich war zufrieden mit ihr und das war die Wahrheit.

„Danke, Chan.", schlang ich meine Arme um seine Taille.

Dennoch gefielen mir die Komplimente. Jeder Mensch fand Gefallen daran. Das war nichts außergewöhnliches. Chan fasste meine Hände, bevor er seinen Kopf auf meinen abstützte. Ich genoss seine Nähe. Tief atmete ich seinen Geruch ein. Er roch anders. Der Schweißgeruch, der von ihm eigentlich stets ausging, weil er Sport trieb, der war nicht mehr da. Natürlich nicht, denn er konnte keinen Sport mehr machen. Es blieb nur noch der wundervolle Geruch seines Parfüms zurück. Dieser, gemischt mit seinem natürlich Körpergeruch, der mich an frische Wäsche erinnerte. Erinnerungen... Ich schloss für einen Moment die Augen, weil es mir einfiel. Heute war mein letzter Tag mit ihm... Ich müsste mich die nächste Zeit an Erinnerungen festhalten, anstelle ihn persönlich zu sehen. Er würde heute nämlich mitgenommen werden. Zu seiner Therapie... Das würde wieder einmal eine Umstellung werden, an die ich mich gewöhnen musste. Genauso, wie ich mich an den Gedanken gewöhnen musste, dass er mir tatsächlich fehlen würde...

Too much Promises - Stray Kids FF, Hwang HyunjinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt