Kapitel 103/ 2

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(Bild von Han Seo- links, Chan Chaehyoung- Mitte und Changbin Seo- rechts)

Das Urteil II

Han Seo

Sein Name wurde aufgerufen. Minhyuk Seo... Der Name meines Vaters... Der Name, der für immer dafür sorgen würde, dass mir die Haare aufstanden. Ich schluckte hart, dabei kniff ich die Augen zu. Nicht umdrehen, Han! Nicht umdrehen! Dreh dich nicht zu ihm und sieh ihn nicht an. Aber was war, wenn ich... Vorne saß? Wenn ich aussagen müsste? Meine Augen würden automatisch nach ihm suchen. Das wusste ich doch. Spätestens dann würde ich ihn sehen. Wollte ich das? Nein... Ich wollte nicht in seine wütenden Augen sehen. Ich dachte schließlich an unserer letzte Begegnung. Die war... Im Gefängnis. An dem Tag, an dem ich ihn besuchte, um Antworten zu kriegen. An diesem Tage, da sah ich in seine hasserfüllten Augen. Die Augen, die mir einen Schrecken einjagten. Nur... Zu dem Zeitpunkt dachte ich... Es sei das letzte mal gewesen. Das letzte mal, an dem ich in seine Augen sah. Ich dachte, ich würde seine bedrohliche Stimme, die meiner Familie drohte, nach dem Besuch nie wieder hören. Wie hätte ich denn ahnen können, dass wir eines Tages zusammen in einem Gerichtssaal sitzen würden, weil... Ich musste erneut kräftig schlucken, als ich meine Augen öffnete. Weil beinahe darüber gesprochen wurde, dass er entlassen werden könnte. Nach 10 Jahren... Wie hätte ich das ahnen können? Wie hätte ich mich je darauf vorbereiten können? Mal wieder war ich froh darüber, dass Chan im Gefängnis landete. Ohne ihn hätte ich es niemals gewusst und ohne ihn... Wäre ich vielleicht schon tot. Bei dem Gedanken fing ich an mit dem Bein zu wippen. Meine Nervosität war nämlich nicht mehr in Worte zu fassen. Sie war nicht von dieser Welt! Sie nicht und meine Angst auch nicht... Ich war ehrlich. Wie hätte ich meine Gefühle denn auch verbergen können? Der Mann, der sich mein Vater nannte, der hatte nur einen Grund, wieso er raus wollte. Das waren wir. Changbin und ich. Er wollte uns tot sehen. Mein Herz zog sich zusammen. Ich verstand es nämlich nicht. Wieso denn? Warum wollte er uns sterben sehen? Hasste er uns etwa so sehr? Was taten wir ihm? Damals... Wir waren noch Kinder! Er hatte uns mehr angetan, als wir ihm! Lag es daran, dass... Changbin ihn verriet? Deshalb wollte er uns tot sehen? Nun wippte ich nicht nur mit dem Bein, meine Hände fingen noch dazu an zu zittern. Er hatte jede Chance dazu. Jede Chance, um uns heute umzubringen und seine Träume zu erfüllen. Dafür müsste er nur aufspringen. Bei dem Gedanken wurde mir kalt. Ich dachte, jeden Moment würde ich hier noch durchdrehen, ja. Aber der Weg zu einer Panikattacke, die entwickelte sich nicht. Ich spürte nämlich, wie meine Hand auf einmal gehalten wurde. Auf diese hinab gesehen konnte ich sehen, dass es die Hand meines Bruders war, der sie drückte. Ich dachte automatisch an seine Worte.

„Ich kann da nicht raus, Changbin..."

„Han. Du kannst das. Du. Kannst. Das.", hielt er mir meine Oberarme.

Meine Zähne klapperten. Meine Hände schwitzten. Die Krawatte wurde mir zu eng gebunden. Ich hatte das Gefühl, ich bekam keine Luft mehr. Am liebsten hätte ich mir die Kleidung vom Leib gerissen und wäre weggelaufen. Ich konnte nicht mit ihm in einem Saal sitzen. Mit meinem Vater zusammen...

„Nein...", schüttelte ich schluckend den Kopf.

Mein Bruder wurde traurig, als er mich losließ. Ich erkannte es in seinen Augen, trotz der Panikattacke, der ich kurz bevor stand.

„Wenn du das wirklich nicht kannst... Schreiben wir mir eine Vollmacht aus. Ich mache dann die Aussage. Was hältst du davon?", fragte er.

Ich konnte die Ehrlichkeit in seiner Stimme raushören. Wie er wirklich aussagen wollte. Für mich... Und für einen Augenblick spielte ich damit ihn aussagen zu lassen. Aber den Gedanken ließ ich ganz schnell wieder fallen. Denn es reichte. Changbin konnte die Familie nicht immer retten. Er durfte es nicht. Ich musste ihm auch mal eine Last abnehmen und wer war eine größere Last als mein Vater? Niemand.

Too much Promises - Stray Kids FF, Hwang HyunjinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt