Kapitel 108

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(Bild von Jisoo Chaehyoung)

Chamäleon

Jisoo Chaehyoung

Ich konnte gar nicht sagen, was der Schrei meiner besten Freundin in mir auslöste. Sie traf einen Nerv in meinem Gehirn, der mich stumm schaltete. Der mich fürs erste nicht nachdenken lassen konnte. Eine eiserne Kälte übernahm mich. Es passierte wie von selbst, dass mein Körper sich auf eine Gefahr einstellte. Als wäre es anders nicht gewohnt gewesen... Dabei war es, harmlos ausgedrückt, nur ein Schrei. Der hätte alles bedeuten können. Die Tatsache, dass ich vom schlimmsten ausging, schockierte mich, denn das war nicht ich. So konnte mein Leben nicht aussehen. Aber mein Kopf hatte sich das so nun mal eingetrichtert. Ein Schuss. Ein Laut. Ein Schrei... Das bedeutete Gefahr. Diese Gefahr wurde durch die Umstände unterstrichen. Ich befand mich in der Schule. An dem Ort, an dem einst mein bester Freund verstarb. Dazu kam... Die Sporthalle war recht dunkel. Die Musik war aus. Es waren viele Menschen anwesend, unter anderem mein Bruder... Traurigerweise bestätigte sich die Gefahr dadurch, ja. Es klang in meinem Kopf fürchterlich, der Beigeschmack war bitter. Aber das war die Wahrheit. Ich kannte die hundertprozentige Entspannung nicht. Vor allem nicht, nachdem angekündigt wurde, dass Jeongin einen weiteren für sich arbeiten ließ. Chamäleon... Nicht, seit ich bewacht wurde... Es passierte fast schon wie von selbst, dass ich zwei mal über meine Schulter blickte. Dass ich überprüfte, ob meine Haustür auch wirklich verschlossen war. Ich musste mir sicher sein, dass niemand außer mir im Haus war. Ich schloss nie die Gefahr aus, sobald ich außerhalb meiner vier Wände stand. Und heute? Heute bewies sich mir nur nochmal, warum... Ich hatte jedes Recht dazu. Meine Augen konnten erkennen, wie sich die Polizisten in Bewegung setzten. Als wären sie die Situation bereits zehn mal durchgegangen, wussten sie, was zutun war. Während sie sich allesamt ihre Waffen hervor holten, kam einer von ihnen auf uns zu. Es war die weibliche Aufpasserin meines Bruders. Sie steuerte zuerst auf mich zu, griff nach meinem Arm und zog mich mit sich. Ich spürte, dass Minho dicht hinter mir stand. Ehrlicherweise konnte ich aber nicht sagen, ob Momo dabei war. Ich konnte nicht sagen, wo die anderen standen, weil ich noch immer die Polizisten beobachtete. Um mich herum wurde es stumm. Ich konnte nichts mehr hören. Nur auf meine Augen waren verlass. Sie konnten beobachten, wie die Menschen in Uniform durch Handzeichen kommunizierten. Wie sie sich in zwei Teams aufspalteten. Wie das erste Team bereits durch die große Tür ging, direkt nach draußen. Bevor die Tür wieder ins Schloss fiel, konnte ich sehen, wie sie sich draußen nochmal in zweier Teams aufsplitteten. Das eine zweier Team ging nach links und das andere nach rechts. Drinnen standen nun fünf weitere Polizisten. Zwei von ihnen nahmen die Hintertür nach draußen und machten uns deutlich, dass sie den Ausgang von außen versperrten. Die restlichen drei einigten sich darauf, dass zwei von ihnen vor dem Haupteingang stehen würden und einer sich nach Jennie umsehen müsste, um sie zurück zu holen. Jennie's Aufpasserin bekam die Aufgabe. Erst als all das besprochen wurde, realisierte ich, dass ich gar nicht mehr gehalten wurde. Ich fühlte mich wie ein Eisberg, dass zu schmelzen anfing. Ich konnte anfangen zu hören. Meine Ohren nahmen die Stimmen um mich wahr. Die unruhigen Stimmen, die sich fragten, ob etwas schreckliches passieren würde, weil die Polizisten viel zu hektisch waren. Jeder einzelne fing an Angst zu fühlen. Das war total verständlich. Wir hatten schließlich alle einen Amoklauf miterlebt. Hautnah... Ich schluckte. Als ich mich zurückdrehen wollte, spürte ich, wie ich tatsächlich zu zittern anfing. Ich fürchtete mich. Zugleich betete ich innig dafür, dass es nicht stimmte. Dass der Schrei von Jennie nichts zu bedeuten hatte. Dass... Sie sich einfach nur mit Laliza in die Haare bekam. Das hoffte ich. Doch dann durchschoss mich ein abstoßender Gedanke. Und... Wenn Laliza Chamäleon war?

„Jisoo?", wurde mein Name gesprochen.

Meine Augen wurden größer, als ich mich zu der Stimme drehte. Es war Chan, der zu mir sprach. Ohne mir Zeit zu geben, griff er nach mir, um mich zurückzuziehen. Nun stand ich direkt neben ihm. Neben ihm und Hyunjin.

Too much Promises - Stray Kids FF, Hwang HyunjinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt